Original 1. Auflage 1974 - von A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupāda
- Bhagavad-gītā - Wie Sie Ist -
Sechzehntes Kapitel
Die göttlichen und die dämonischen Naturen
VERS 1–3
श्रीभगवानुवाच ।
अभयं सत्त्वसंशुद्धिर्ज्ञानयोगव्यवस्थितिः ।
दानं दमश्च यज्ञश्च स्वाध्यायस्तप आर्जवम् ॥१॥
अहिंसा सत्यमक्रोधस्त्यागः शान्तिरपैशुनम् ।
दया भूतेष्वलोलुप्त्वं मार्दवं ह्रीरचापलम् ॥२॥
तेजः क्षमा धृतिः शौचमद्रोहो नातिमानिता ।
भवन्ति सम्पदं दैवीमभिजातस्य भारत ॥३॥
śrī bhagavān uvāca
abhayaṁ sattva-saṁśuddhir
jñāna-yoga-vyavasthitiḥ
dānaṁ damaś ca yajñaś ca
svādhyāyas tapa ārjavam
ahiṁsā satyam akrodhas
tyāgaḥ śāntir apaiśunam
dayā bhūteṣv aloluptvaṁ
mārdavaṁ hrīr acāpalam
tejaḥ kṣamā dhṛtiḥ śaucam
adroho nātimānitā
bhavanti sampadaṁ daivīm
abhijātasya bhārata
śrī bhagavān uvāca – der Höchste Persönliche Gott sagte; abhayam – Furchtlosigkeit; sattva-saṁśuddhiḥ – Reinigung der Existenz; jñāna – Wissen; yoga – des Verbindens; vyavasthitiḥ – die Situation; dānam – Wohltätigkeit; damaḥ ca – Kontrolle des Geistes; yajñaḥ ca – und Durchführung von Opfern; svādhyāyaḥ – Studium der vedischen Schriften; tapaḥ – Buße; ārjavam – Einfachheit; ahiṁsā – Gewaltlosigkeit; satyam – Wahrhaftigkeit; akrodhaḥ – Freisein von Zorn; tyāgaḥ – Entsagung; śāntīḥ – Gleichmut; apaiśunam – Abneigung gegen Fehler; dayā – Barmherzigkeit; bhūteṣu – allen Lebewesen gegenüber; aloluptvam – Freiheit von Gier; mārdavam – Freundlichkeit; hrīḥ – Bescheidenheit; acāpalam – Entschlossenheit; tejaḥ – Kraft; kṣamā – Nachsicht; dhṛtiḥ – Tapferkeit; śaucam – Sauberkeit; adrohaḥ – Freisein von Neid; na – nicht; atimānitā – Erwarten von Ehre; bhavanti – werden; sampadam – Eigenschaften; daivīm – transzendental; abhijātasya – jemand, der geboren ist von; bhārata – O Nachkomme Bharatas.
ÜBERSETZUNG
Der Höchste Herr sagte: Furchtlosigkeit, Reinigung der Existenz, Entwicklung spirituellen Wissens, Wohltätigkeit, Selbstbeherrschtheit, Darbringung von Opfern, Studium der Veden, Buße und Einfachheit; Gewaltlosigkeit, Wahrhaftigkeit und Freisein von Zorn; Entsagung, innere Ruhe, Abneigung gegen Fehlerfinden, Mitleid und Freisein von Habgier; Freundlichkeit, Bescheidenheit und stetige Entschlossenheit; Kraft, Nachsicht, Tapferkeit, Sauberkeit und Freisein von Neid und dem Verlangen nach Ehre – dies sind die transzendentalen Eigenschaften der heiligen Menschen, die von göttlichem Wesen sind, o Nachkomme Bharatas.
ERKLÄRUNG
Zu Beginn des Fünfzehnten Kapitels wurde der Banyanbaum der materiellen Welt erklärt. Seine Nebenwurzeln wurden mit den glückverheißenden und unglückbringenden Aktivitäten der Lebewesen verglichen. Im Neunten Kapitel wurden die devas (die göttlichen Menschen) und die asuras (die gottlosen Menschen bzw. Dämonen) beschrieben. Nach den vedischen Ritualen gelten Aktivitäten in der Erscheinungsweise der Reinheit als günstig für den Fortschritt auf dem Pfad der Befreiung, und solche Aktivitäten sind als deva-prakṛti bekannt, als von Natur aus transzendental. Diejenigen, die in der transzendentalen Natur verankert sind, machen auf dem Pfad der Befreiung Fortschritt. Aber für diejenigen, die in den Erscheinungsweisen der Leidenschaft und Unwissenheit handeln, besteht keine Aussicht auf Befreiung. Diese Lebewesen werden entweder in der materiellen Welt als Menschen bleiben müssen oder auf die Stufe der Tiere oder sogar zu noch niedrigeren Arten des Lebens hinabsinken. In diesem Sechzehnten Kapitel erklärt der Herr sowohl die transzendentale Natur und die sie begleitenden Eigenschaften als auch die dämonische Natur und ihre Eigenschaften. Außerdem erklärt Er die Vor- und Nachteile dieser Eigenschaften.
Das Wort abhijātasya ist sehr bedeutsam: es weist auf einen Menschen hin, der mit transzendentalen Eigenschaften bzw. göttlichen Neigungen geboren ist. Ein Kind in einer göttlichen Atmosphäre zu zeugen, wird in den vedischen Schriften garbhādhāna-saṁskāra genannt. Wenn sich Eltern ein Kind mit göttlichen Eigenschaften wünschen, sollten sie den zehn Prinzipien folgen, die für das menschliche Leben bestimmt sind. Im Siebten Kapitel haben wir bereits erfahren, daß sexuelle Betätigung, in der Absicht ein gutes Kind zu zeugen, Kṛṣṇa Selbst ist. Sexualität wird nicht verurteilt, vorausgesetzt, sie wird im Kṛṣṇa-Bewußtsein benutzt. Zumindest sollten Kṛṣṇa-bewußte Menschen nicht wie Katzen und Hunde Kinder zeugen; ihre Kinder sollten nach der Geburt Kṛṣṇa-bewußt werden können. Dies sollte der Vorzug von Kindern sein, die von Kṛṣṇa-bewußten Eltern geboren werden.
Die soziale Einrichtung des varṇāśrama-dharma, das heißt die Einrichtung, die die Gesellschaft in vier Einteilungen oder Kasten gliedert, ist nicht dazu bestimmt, die menschliche Gesellschaft nach Geburt oder Herkunft zu unterteilen. Solche Einteilungen richten sich nach den unterschiedlichen Qualifikationen der Menschen und haben die Aufgabe, in der Gesellschaft Frieden und Wohlstand zu gewährleisten. Die oben aufgeführten Eigenschaften werden als transzendentale Eigenschaften beschrieben, die dazu bestimmt sind, einen Menschen im spirituellen Wissen Fortschritte machen zu lassen, so daß er von der materiellen Welt befreit werden kann.
In der varṇāśrama-Einrichtung gilt der sannyāsī (der Mensch auf der Lebensstufe der Entsagung) als das Oberhaupt bzw. der geistige Meister der anderen sozialen Gruppen und Einteilungen. Der brāhmaṇa gilt als der geistige Meister der kṣatriyas, vaiśyas und śūdras, doch ein sannyāsī, der an der Spitze der Gesellschaft steht, wird auch als der geistige Meister der brāhmaṇas angesehen.
Die erste Qualifikation eines sannyāsī sollte Furchtlosigkeit (abhayam) sein. Weil ein sannyāsī ganz auf sich selbst gestellt sein muß, ohne jede Unterstützung oder Garantie auf Unterstützung, muß er allein von der Barmherzigkeit des Höchsten Persönlichen Gottes abhängig sein. Wenn er denkt, „wer wird mich schützen, nachdem ich meine Beziehungen aufgegeben habe?“, sollte er nicht die Lebensstufe der Entsagung annehmen. Man muß fest davon überzeugt sein, daß Kṛṣṇa, der Höchste Persönliche Gott, in Seinem lokalisierten Aspekt als Paramātmā ständig im Innern gegenwärtig ist, daß Er alles sieht, und daß Er immer weiß, was man zu tun gedenkt. Man muß daher der festen Überzeugung sein, daß Kṛṣṇa Sich einer Ihm hingegebenen Seele annehmen wird. Man sollte denken, „ich werde niemals allein sein; selbst wenn ich im tiefsten Wald lebe, wird mich Kṛṣṇa begleiten und mir jeden Schutz gewähren“. Diese Überzeugung wird abhayam (Furchtlosigkeit) genannt und ist für einen Menschen auf der Lebensstufe der Entsagung unbedingt notwendig.
Als nächstes muß der sannyāsī seine Existenz reinigen (sattva-saṁśuddiḥ). Es gibt viele Regeln und Regulierungen, die auf der Lebensstufe der Entsagung eingehalten werden müssen; doch vor allem ist es einem sannyāsī streng verboten, ein intimes Verhältnis mit einer Frau zu unterhalten. Es ist ihm sogar verboten, mit einer Frau an einem abgelegenen Ort zu sprechen. Śrī Kṛṣṇa Caitanya war ein vorbildlicher sannyāsī; als Er Sich in Purī aufhielt, war es Seinen weiblichen Geweihten nicht einmal gestattet, sich Ihm zu nähern, um Ihm ihren Respekt zu erweisen. Es wurde ihnen geraten, sich aus einer angemessenen Entfernung zu verbeugen. Dies ist kein Zeichen von Frauenfeindlichkeit, sondern eine strenge Richtlinie, die dem sannyāsī gegeben wird und ihm verbietet, engen Kontakt mit Frauen zu haben. Um die Existenz zu reinigen, muß man den Regeln und Regulierungen einer bestimmten Lebensstufe folgen. Einem sannyāsī sind Beziehungen zu Frauen und der Besitz von Reichtümern als Mittel zur Sinnesbefriedigung streng verboten. Śrī Kṛṣṇa Caitanya Selbst war der ideale sannyāsī, und wir können aus Seinem Leben lernen, daß Er in Bezug auf Frauen sehr streng war. Obwohl Er als die großmütigste Inkarnation Gottes gilt, da Er die am tiefsten gefallenen bedingten Seelen annahm, befolgte Er dennoch, was das Zusammensein mit Frauen anging, strikt die Regeln und Regulierungen der sannyāsa-Stufe des Lebens. Als einer Seiner persönlichen Gefährten, Choṭa Haridāsa, der zusammen mit einigen anderen Gottgeweihten eine sehr vertraute Beziehung zu Śrī Kṛṣṇa Caitanya hatte, aus irgendeinem Grunde lustvoll nach einer jungen Frau schaute, war Śrī Caitanya so strikt, daß Er ihn sogleich aus der Gemeinschaft Seiner persönlichen Gefährten ausschloß. Śrī Caitanya sagte: „Es ist auf das Schärfste zu verurteilen, wenn ein sannyāsī, oder jemand, der danach strebt, den Klauen der materiellen Natur zu entkommen und zurück nach Hause zu gehen, zurück zu Gott, nach materiellem Besitz oder Frauen Ausschau hält, um seine Sinne zu befriedigen. Er braucht sie nicht einmal zu genießen – allein die Tatsache, daß er mit dieser Absicht auf sie blickt, ist so verwerflich, daß er besser Selbstmord begangen hätte, als daß sich solche unzulässigen Begierden in ihm regten.“ Dies also sind die Vorgänge der Reinigung.
Der nächste Punkt (jñāna-yoga vyavasthitīḥ) behandelt die Entwicklung von Wissen. Das Leben eines sannyāsī ist dazu bestimmt, Wissen an Haushälter und andere zu verteilen, die ihr wirkliches Leben, nämlich spirituellen Fortschritt zu machen, vergessen haben. Es wird von einem sannyāsī erwartet, daß er von Tür zu Tür zieht, um seinen Lebensunterhalt zu erbetteln; aber das bedeutet nicht, daß er ein Bettler ist. Demut ist ebenfalls eine der Qualifikationen eines in der Transzendenz verankerten Menschen, und aus reiner Demut zieht der sannyāsī von Tür zu Tür – weniger um des Bettelns willen, als um die Haushälter zu besuchen und sie zum Kṛṣṇa-Bewußtsein zu erwecken. Dies ist die Pflicht eines sannyāsī. Wenn er tatsächlich fortgeschritten ist und es ihm von seinem geistigen Meister so befohlen wurde, sollte er Kṛṣṇa-Bewußtsein mit Logik und Vernunft predigen; wenn er jedoch nicht so weit fortgeschritten ist, sollte er nicht die Lebensstufe der Entsagung annehmen. Aber selbst wenn er die Lebensstufe der Entsagung angenommen hat, ohne über ausreichendes Wissen zu verfügen, sollte er sich völlig darin beschäftigen, von einem echten geistigen Meister zu hören, um auf diese Weise Wissen zu entwickeln. Ein sannyāsī, das heißt jemand, der sich auf der Lebensstufe der Entsagung befindet, muß in abhayam (Furchtlosigkeit), sattva-saṁśuddhīḥ (Reinheit) und jñāna-yoga (Wissen) verankert sein.
Dānam (Wohltätigkeit bzw. das Geben von Spenden) ist für die Haushälter bestimmt. Die Haushälter sollten ihren Lebensunterhalt auf ehrliche Weise verdienen und 50% ihres Einkommens abgeben, um die Verbreitung des Kṛṣṇa-Bewußtseins überall auf der Welt zu unterstützen. Daher sollte ein Haushälter solchen Gesellschaften Spenden zukommen lassen, die in dieser Weise tätig sind. Wohltätigkeiten sollten den richtigen Empfänger erreichen. Wie später noch erklärt wird, gibt es verschiedene Arten von Wohltätigkeit: Wohltätigkeit in den Erscheinungsweisen der Reinheit, Leidenschaft und Unwissenheit. Wohltätigkeit in der Erscheinungsweise der Reinheit wird in den Schriften empfohlen, doch von Wohltätigkeit in den Erscheinungsweisen der Leidenschaft und Unwissenheit wird abgeraten, da sie nichts als Geldverschwendung ist. Spenden sollten nur gegeben werden, um mitzuhelfen, Kṛṣṇa-Bewußtsein überall auf der Welt zu verbreiten. Das ist Nächstenliebe in der Erscheinungsweise der Reinheit.
Damaḥ (Selbstbeherrschtheit) ist nicht nur für die anderen Lebensstufen der religiösen Gesellschaft bestimmt, sondern ganz besonders für den Haushälter. Obwohl er verheiratet ist, sollte ein Haushälter seine Sinne nicht unnötigerweise für Sexualität gebrauchen. Es gibt selbst im Geschlechtsleben für die Haushälter Einschränkungen; und sie sollten nur miteinander verkehren, um Kinder zu zeugen. Wenn man keine Kinder wünscht, sollte man mit seiner Frau auch keine Sexualität genießen. Die moderne Gesellschaft genießt Sexualität mit Hilfe empfängnisverhütender Mittel oder noch abscheulicherer Methoden, um der Verantwortung aus dem Wege zu gehen, die das Zeugen von Kindern mit sich bringt. Dies ist keine transzendentale Eigenschaft, sondern zeugt von einer dämonischen Mentalität. Wenn jemand, selbst wenn es sich dabei um einen Haushälter handelt, Fortschritt im spirituellen Leben machen will, muß er seinen Geschlechtstrieb kontrollieren und sollte kein Kind zeugen, ohne Kṛṣṇa damit dienen zu wollen. Wenn ein Haushälter fähig ist, Kinder zu zeugen, die Kṛṣṇa-bewußt werden, kann er Hunderte von Kinder zeugen, doch ohne diese Fähigkeit – und nur um seine Sinne zu befriedigen – sollte man keinen Geschlechtsverkehr haben.
Auch sollten die Haushälter yajñas (Opfer) darbringen, denn für Opfer sind große Geldbeträge erforderlich, die diejenigen, die sich auf den anderen Stufen des Lebens befinden, nämlich brahmacarya, vānaprastha und sannyāsa, nicht aufbringen können, da sie kein Geld verdienen, sondern sich durch Betteln am Leben halten. Die Darbringung von verschiedenen Opfern ist also ausschließlich für die Haushälter bestimmt. Wie in den vedischen Schriften vorgeschrieben wird, sollten sie agni-hotra-Opferungen durchführen, doch solche Opferungen sind in der heutigen Zeit sehr kostspielig, und daher ist es keinem Haushälter möglich, sie durchzuführen. Das für dieses Zeitalter empfohlene Opfer wird saṅkīrtana-yajña genannt, das Chanten von Hare Kṛṣṇa, Hare Kṛṣṇa, Kṛṣṇa Kṛṣṇa, Hare Hare / Hare Rāma, Hare Rāma, Rāma Rāma, Hare Hare. Es ist das beste und am wenigsten aufwendige Opfer – jeder kann daran teilnehmen und seinen Nutzen daraus ziehen. Wohltätigkeit, Sinneskontrolle und die Darbringung von Opfern sind also für die Haushälter bestimmt.
Svādhyāyaḥ (das Studium der Veden), tapas (Buße) und ārjavam (Freundlichkeit bzw. Einfachheit) sind für das brahmacarya, das Studentenleben, bestimmt. Brahmacārīs sollten keine Verbindung mit Frauen haben, sie sollten ein Leben in sexueller Enthaltsamkeit führen und den Geist mit dem Studium der vedischen Schriften beschäftigen, um auf diese Weise spirituelles Wissen zu entwickeln. Dies wird svādhyāyaḥ genannt.
Tapas (Buße) ist besonders für das Leben in der Zurückgezogenheit bestimmt; man sollte nicht das ganze Leben hindurch Haushälter bleiben, sondern sich stets daran erinnern, daß es vier Stufen des Lebens gibt: brahmacarya, gṛhastha, vānaprastha und sannyāsa. Nach dem Leben als gṛhastha (als Haushälter) sollte man sich zurückziehen. Wenn man hundert Jahre lebt, sollte man fünfundzwanzig Jahre als Student verbringen, fünfundzwanzig Jahre im Haushälterleben, fünfundzwanzig Jahre im zurückgezogenen Leben und fünfundzwanzig Jahre auf der Lebensstufe der Entsagung. Dies sind die Regulierungen der religiösen Ordnung in der vedischen Kultur. Ein Mensch, der sich vom Haushälterleben zurückgezogen hat, muß sich Bußen des Geistes, des Körpers und der Zunge auferlegen. Das wird tapasyā genannt. Die gesamte varṇāśrama-dharma-Gesellschaft ist für tapasyā bestimmt. Ohne tapasyā kann kein Mensch Befreiung erlangen. Die Theorie, Buße im Leben sei nicht notwendig, sondern man könne fortfahren zu spekulieren und brauche sich um nichts zu sorgen, wird weder in den vedischen Schriften noch in der Bhagavad-gītā unterstützt. Solche Theorien werden von fadenscheinigen Spiritualisten fabriziert, die versuchen, viele Anhänger zu gewinnen. Sie befürchten, die Menschen würden von Einschränkungen, Regeln und Regulierungen abgeschreckt werden, und da sie unter dem Deckmantel der Religion und der Show wegen Anhänger gewinnen wollen, schränken sie weder das Leben ihrer Studenten noch ihr eigenes ein. Diese Methode wird von den Veden jedoch nicht gutgeheißen.
Was ārjavam (Einfachheit) betrifft, so sollte nicht nur eine bestimmte Lebensstufe, sondern jedes Mitglied der Gesellschaft diesem Prinzip folgen – ganz gleich ob es im brahmacarya-āśrama, gṛhastha-āśrama, vānaprastha-āśrama oder sannyāsa-āśrama lebt.
Ahiṁsā bedeutet, das fortschreitende Leben eines Lebewesens nicht aufzuhalten. Daß der spirituelle Funke nicht getötet wird, wenn man den Körper tötet, bedeutet nicht, daß man um der Sinnesbefriedigung willen Tiere töten darf. Heutzutage sind die Menschen danach verrückt, Tiere zu essen, obwohl ihnen ausreichende Mengen an Getreide, Früchten und Milch zur Verfügung stehen. Es besteht keine Notwendigkeit, Tiere zu schlachten. Diese Anweisung gilt für jeden. Wenn es jedoch keine andere Möglichkeit gibt, kann man ein Tier töten; doch dann sollte es als Opfer dargebracht werden. Sei es wie es will – wenn es genügend Nahrungsmittel gibt, sollten Menschen, die Fortschritte in der spirituellen Verwirklichung machen wollen, den Tieren keine Gewalt antun. Wirkliche ahiṁsā bedeutet, das fortschreitende Leben eines Lebewesens nicht aufzuhalten, denn auch die Tiere machen Fortschritte im Evolutionsvorgang, indem sie von einer Art des tierischen Lebens zur nächsten wandern. Wenn ein Tier getötet wird, wird sein Fortschritt aufgehalten. Ein Tier muß für eine bestimmte Anzahl von Tagen oder Jahren in einem bestimmten Körper bleiben, doch wenn es vorzeitig getötet wird, muß es noch einmal in die gleiche Lebensform zurückkehren und dort die noch ausstehenden Tage verbringen, bevor es zur nächsten Art des Lebens erhoben werden kann. Ein Tier sollte also nicht daran gehindert werden, im Evolutionsvorgang aufzusteigen, nur weil man seinen Gaumen befriedigen will. Das wird ahiṁsā genannt.
Satyam (Wahrhaftigkeit) bedeutet, die Wahrheit nicht aus persönlichen Motiven zu verzerren. Es gibt in den vedischen Schriften einige schwierige Texte, deren Bedeutung und Sinn von einem echten geistigen Meister gelernt werden sollten. Das ist der Weg, die Veden zu verstehen. Śruti bedeutet, von einer Autorität zu hören. Man sollte daher keine Interpretation aus persönlichen Motiven vornehmen. Es gibt viele Kommentare zur Bhagavad-gītā, die den ursprünglichen Text falsch auslegen, doch man sollte die wahre Bedeutung eines Wortes präsentieren, und dies sollte von einem echten geistigen Meister gelernt werden.
Akrodhaḥ (Freisein von Zorn) bedeutet, immer tolerant zu sein – auch wenn man provoziert wird –, denn wenn man zornig ist, wird der gesamte Körper vergiftet. Zorn ist ein Produkt der Erscheinungsweise der Leidenschaft und der Lust; wer in der Transzendenz verankert ist, sollte also niemals Zorn in sich aufkommen lassen.
Apaiśunam bedeutet, nicht unnötigerweise bei anderen Fehler zu finden oder sie zu tadeln. Einen Dieb einen Dieb zu nennen, hat natürlich nichts mit Fehlerfinden zu tun, doch wenn jemand, der im spirituellen Leben Fortschritt machen will, einen ehrlichen Menschen als Dieb bezeichnet, begeht er ein großes Vergehen.
Hrīḥ bedeutet, sehr bescheiden zu sein und keine abscheulichen Handlungen zu begehen.
Acāpalam (Entschlossenheit) bedeutet, bei seinen Versuchen nicht erregt oder frustriert zu werden. Ein Versuch mag zwar fehlerhaft sein, doch man sollte darüber nicht den Mut verlieren, sondern mit Geduld und Entschlossenheit weitermachen.
Das Wort tejaḥ, das hier gebraucht wird, bezieht sich auf die kṣatriyas. Die kṣatriyas sollten immer sehr stark sein, damit sie fähig sind, die Schwachen zu beschützen. Sie sollten sich nicht als gewaltlos ausgeben. Wenn es notwendig ist, müssen sie Gewalt anwenden.
Śaucam (Sauberkeit) bezieht sich nicht nur auf den Körper und den Geist, sondern auch auf geschäftliche Angelegenheiten. Dies gilt besonders für die Kaufleute, die nicht auf dem Schwarzmarkt handeln sollten.
Nātimānitā (keine Ehre erwarten) bezieht sich auf die śūdras (die Arbeiterklasse), die nach den Unterweisungen der Veden als die niedrigste der vier Klassen gelten. Sie sollten sich nicht mit unnötigem Prestige oder unnötiger Ehre aufblasen und in ihrem Stand bleiben. Es ist die Pflicht der śūdras, den höheren Klassen Respekt zu erweisen, damit die soziale Ordnung aufrechterhalten bleibt.
All diese sechzehn erwähnten Qualifikationen sind transzendentale Eigenschaften. Sie sollten in Entsprechung zu den verschiedenen Einteilungen der sozialen Ordnung entwickelt werden, denn wenn alle Klassen diese Eigenschaften durch Übung entwickeln, ist es trotz schlechter materieller Bedingungen möglich, allmählich bis zur höchsten Ebene der transzendentalen Verwirklichung aufzusteigen.
VERS 4
दम्भो दर्पोऽभिमानश्च क्रोधः पारुष्यमेव च ।
अज्ञानं चाभिजातस्य पार्थ सम्पदमासुरीम् ॥४॥
dambho darpo ’bhimānaś ca
krodhaḥ pāruṣyam eva ca
ajñānaṁ cābhijātasya
pārtha sampadam āsurīm
dambhaḥ – Stolz; darpaḥ – Arroganz; abhīmānaḥ – Blasiertheit; ca – und; krodaḥ – Zorn; pāruṣyam – Grobheit; eva – gewiß; ca – und; ajñānam – Unwissenheit; ca – und; abhījātasya – jemand, der geboren ist; pārtha – O Sohn Pṛthās; sampadam – Natur; āsurīm – dämonisch.
ÜBERSETZUNG
O Sohn Pṛthas, Arroganz, Stolz, Zorn, Blasiertheit, Grobheit und Unwissenheit sind die Eigenschaften der Menschen, die von dämonischer Natur sind.
ERKLÄRUNG
In diesem Vers wird die königliche Straße zur Hölle beschrieben. Die Dämonen wollen mit Religion und Fortschritt in der spirituellen Wissenschaft prahlen, obwohl sie die vorgeschriebenen Prinzipien nicht befolgen. Sie sind immer arrogant, oder genauer, darauf stolz, daß sie über eine sogenannte Bildung verfügen oder sehr viel Reichtum besitzen. Sie wollen von anderen verehrt werden und verlangen Respekt, obwohl ihnen kein Respekt gebührt. Sie ärgern sich über unwesentliche Dinge, werden leicht grob und sind unfreundlich. Sie wissen nicht, was getan und was nicht getan werden sollte. Sie handeln stets launenhaft und nach ihren eigenen Wünschen und erkennen keine Autorität an. Diese dämonischen Eigenschaften werden von ihnen schon mit dem Beginn des Körpers in den Schößen ihrer Mütter angenommen, und während sie heranwachsen, treten all diese unheilvollen Eigenschaften deutlich hervor.
VERS 5
दैवी सम्पद्विमोक्षाय निबन्धायासुरी मता ।
मा शुचः सम्पदं दैवीमभिजातोऽसि पाण्डव ॥५॥
daivī sampad vimokṣāya
nibandhāyāsurī matā
mā śucaḥ sampadaṁ daivīm
abhijāto ’si pāṇḍava
daivī – transzendentale; sampat – Natur; vimokṣāya – zur Befreiung bestimmt; nibandhāya – zur Bindung; āsurī – dämonische Eigenschaften; matā – es wird angesehen; mā – tue nicht; śucaḥ – Sorge; sampadam – Natur; daivīm – transzendental; abhijātaḥ – geboren; asi – du bist; pāṇḍava – O Sohn Pāṇdus.
ÜBERSETZUNG
Die transzendentalen Eigenschaften führen zur Befreiung, wohingegen die dämonischen Eigenschaften an die materielle Welt binden. O Sohn Pāṇdus, sorge dich nicht, denn du bist mit göttlichen Eigenschaften geboren.
ERKLÄRUNG
Śrī Kṛṣṇa ermutigte Arjuna, indem Er ihm mitteilte, daß er nicht mit dämonischen Eigenschaften geboren sei. Seine Teilnahme am Kampf war nicht dämonisch, denn er wägte Für und Wider sorgfältig ab. Er erwog, ob achtbare Persönlichkeiten wie Bhīṣma und Droṇa getötet werden sollten oder nicht; er handelte also nicht unter dem Einfluß von Zorn, falschem Prestige oder Grobheit. Er war daher nicht von dämonischer Natur. Wenn ein kṣatriya (ein Krieger) seine Feinde mit Pfeilen tötet, gilt dies als transzendental, und wenn er sich dieser Pflicht entzieht, wird sein Verhalten als dämonisch angesehen. Daher gab es für Arjuna keinen Grund zur Klage. Jeder, der die regulierenden Prinzipien befolgt, die für seine jeweilige Klasse gelten, ist in der Transzendenz verankert.
VERS 6
द्वौ भूतसर्गौ लोकेऽस्मिन्दैव आसुर एव च ।
दैवो विस्तरशः प्रोक्त आसुरं पार्थ मे शृणु ॥६॥
dvau bhūta-sargau loke ’smin
daiva āsura eva ca
daivo vistaraśaḥ prokta
āsuraṁ pārtha me śṛṇu
dvau – zwei; bhūta-sargau – erschaffene Lebewesen; loke – in dieser Welt; asmin – dies; daivaḥ – göttlich; āsuraḥ – dämonisch; eva – gewiß; ca – und; daivaḥ – göttlich; vistaraśaḥ – sehr ausführlich; proktaḥ – gesagt; āsuram – dämonisch; pārtha – O Sohn Pṛthās; me – von mir; śṛṇu – höre nur.
ÜBERSETZUNG
O Sohn Pṛthās, in dieser Welt gibt es zwei Arten von Lebewesen. Die einen werden göttlich genannt und die anderen dämonisch. Ich habe dir bereits sehr ausführlich die göttlichen Eigenschaften erklärt. Höre nun von Mir über die dämonischen.
ERKLÄRUNG
Nachdem Śrī Kṛṣṇa Arjuna versicherte, daß dieser mit göttlichen Eigenschaften geboren sei, beschreibt Er nun die Eigenschaften der Dämonen. Die bedingten Lebewesen werden in zwei Gruppen eingeteilt. Diejenigen, die mit göttlichen Eigenschaften geboren sind, führen ein reguliertes Leben; das bedeutet, daß sie sich nach den Anweisungen der Schriften und Autoritäten richten. Man sollte den Pflichten nachkommen, die in den autoritativen Schriften niedergelegt sind; diese Haltung wird göttlich genannt. Wer den regulierenden Prinzipien nicht folgt, wie sie in den Schriften niedergelegt sind, sondern nach seinen Launen handelt, wird dämonisch genannt. Es gibt kein anderes Kriterium als den Gehorsam gegenüber den regulierenden Prinzipien der Schriften. Es wird in den vedischen Schriften erwähnt, daß sowohl die Halbgötter als auch die Dämonen vom Prajāpati geboren wurden; der einzige Unterschied zwischen ihnen besteht darin, daß die einen den vedischen Anweisungen gehorchen, wohingegen die anderen dies nicht tun.
VERS 7
प्रवृत्तिञ्च निवृत्तिञ्च जना न विदुरासुराः ।
न शौचं नापि चाचारो न सत्यं तेषु विद्यते ॥७॥
pravṛttiṁ ca nivṛttiṁ ca
janā na vidur āsurāḥ
na śaucaṁ nāpi cācāro
na satyaṁ teṣu vidyate
pravṛttim – richtige Handlung; ca – auch; nivṛttim – falsche Handlung; ca – und; janāḥ – Menschen; na – niemals; viduḥ – wisse; āsurāḥ – von dämonischer Natur; na – niemals; śaucam – Sauberkeit; na – auch nicht; api – auch; ca – und; ācāraḥ – Benehmen; na – niemals; satyam – Wahrheit; teṣu – in ihnen; vidyate – gibt es.
ÜBERSETZUNG
Die Dämonen wissen nicht, was getan werden muß und was nicht getan werden darf. In ihnen ist weder Sauberkeit noch richtiges Verhalten, noch Wahrheit zu finden.
ERKLÄRUNG
In jeder zivilisierten menschlichen Gesellschaft gibt es eine Reihe von Regeln und Regulierungen, die in den Schriften niedergelegt sind und schon seit Beginn der Schöpfung befolgt werden. Besonders die Āryans, diejenigen, die die vedische Zivilisation annehmen und als die fortgeschrittensten und zivilisiertesten Menschen gelten, folgen diesen Vorschriften. Diejenigen, die die Unterweisungen der Schriften nicht befolgen, werden als Dämonen angesehen. Deshalb wird hier gesagt, daß die Dämonen weder die Regeln der Schriften kennen noch die Neigung verspüren, ihnen zu folgen. Die meisten von ihnen kennen diese Anweisungen nicht einmal, und selbst wenn einige von diesen Regeln wissen, haben sie dennoch kein Interesse, sie zu beachten. Sie haben kein Vertrauen und sind auch nicht gewillt, im Sinne der vedischen Unterweisungen zu handeln. Die Dämonen sind weder äußerlich noch innerlich sauber. Man sollte immer darauf achten, seinen Körper sauber zu halten, indem man badet, die Zähne putzt, die Kleidung wechselt usw. Um innerlich sauber zu sein, sollte man sich ständig an die heiligen Namen Gottes erinnern und Hare Kṛṣṇa, Hare Kṛṣṇa, Kṛṣṇa Kṛṣṇa, Hare Hare / Hare Rāma, Hare Rāma, Rāma Rāma, Hare Hare chanten. Die Dämonen halten nicht viel von all diesen Regeln für innere und äußere Sauberkeit und befolgen sie daher auch nicht.
Es gibt viele Verhaltensregeln und Anweisungen, die das Leben der Menschen lenken. Die Manu-saṁhītā zum Beispiel, das Gesetzbuch der Menschheit, ist eine Schrift, der die Hindus sogar noch heute folgen. Erbrechte und andere Gesetze sind diesem Buch entnommen. In der Manu-saṁhītā wird eindeutig erklärt, daß man den Frauen keine Freiheit gewähren sollte. Das bedeutet nicht, daß man sie wie Sklaven halten soll; doch man sollte sie wie Kinder behandeln. Kindern gewährt man keine Freiheit, aber das bedeutet nicht, daß man sie wie Sklaven hält. Die Dämonen vernachlässigen diese Anweisung und sind der Ansicht, man solle den Frauen ebensoviel Freiheit gewähren wie den Männern. Dieses Verhalten hat die sozialen Zustände der Welt jedoch nicht verbessert. Eigentlich sollte die Frau in jedem Stadium ihres Lebens beschützt werden. In der Kindheit sollte sie von ihrem Vater beschützt werden, in der Jugend von ihrem Ehemann und im Alter von ihren erwachsenen Söhnen. Dies ist nach der Manu-saṁhītā das richtige soziale Verhalten. Die moderne Erziehung hat künstlich eine blasierte Auffassung vom Leben der Frau entworfen, und deshalb ist heutzutage die Heirat in der menschlichen Gesellschaft mehr oder weniger ein Phantasiegebilde. Auch die moralische Verfassung der Frau ist in der heutigen Zeit nicht sehr gut. Die Dämonen akzeptieren keine Anweisung, die für die Gesellschaft vorteilhaft ist, und weil sie den Erfahrungen der großen Weisen und den Regeln und Regulierungen, die von ihnen niedergelegt worden sind, keine Beachtung schenken, sind die sozialen Verhältnisse der Dämonen recht erbärmlich.
VERS 8
असत्यमप्रतिष्ठं ते जगदाहुरनीश्वरम् ।
अपरस्परसम्भूतं किमन्यत्कामहेतुकम् ॥८॥
asatyam apratiṣṭhaṁ te
jagad āhur anīśvaram
aparaspara-sambhūtaṁ
kim anyat kāma-haitukam
asatyam – unwirklich; apratiṣṭham – ohne Ursprung; te – sie; jagat – die kosmische Manifestation; āhuḥ – es wird gesagt; anīśvaram – ohne Kontrollierenden; aparaspara – durch gegenseitige Lust; sambhūtam – verursacht; kim anyat – es gibt keine andere Ursache; kāma-haitukam – sie besteht einzig und allein aufgrund von Lust.
ÜBERSETZUNG
Sie sagen, die Welt sei unwirklich, sie habe keinen Ursprung, und es gebe keinen Gott, der sie kontrolliere. Sie sei durch sexuelles Verlangen erzeugt worden und habe keine andere Ursache als Lust.
ERKLÄRUNG
Die Dämonen gelangen zu dem Schluß, daß die Welt ein Trugbild ist. Sie sagen, es gebe keine Ursache, keine Wirkung, keine Kontrolle und keinen Sinn: alles sei unwirklich. Die kosmische Manifestation sei durch zufällige materielle Aktionen und Reaktionen entstanden. Sie glauben nicht, daß die Welt von Gott für einen bestimmten Zweck geschaffen wurde. Sie haben ihre eigene Theorie, nach der die Welt von selbst entstanden ist und es keinen Grund gibt zu glauben, daß sich ein Gott hinter ihr befindet. Für sie gibt es keinen Unterschied zwischen spiritueller Natur und Materie, und sie akzeptieren nicht das Höchste Spirituelle Wesen. Sie sagen, alles sei nur Materie und der gesamte Kosmos eine Masse Unwissenheit. Nach ihrer Auffassung ist alles leer, und alle Manifestationen die existieren, beruhen nur auf unserer Unwissenheit bei der Wahrnehmung. Sie halten es für erwiesen, daß jegliche Manifestation von Vielfalt eine Entfaltung von Unwissenheit ist und vergleichen das Leben mit einem Traum, in dem wir so viele Dinge erschaffen, die in Wirklichkeit nicht existieren. Wenn wir jedoch aufwachten, würden wir erkennen, daß alles nur ein Traum gewesen sei. Aber obwohl die Dämonen sagen, das Leben sei nur ein Traum, sind sie sehr begierig, diesen Traum zu genießen. Und anstatt Wissen zu erlangen, werden sie immer mehr in ihr Traumland verstrickt. Ihrer Ansicht nach ist ein Kind lediglich die Folge eines Geschlechtsverkehrs zwischen Mann und Frau, und so ziehen sie den Schluß, daß die Welt ohne eine Seele geboren wurde. Sie glauben, es sei nur eine Kombination von Materie, die das Lebewesen erzeugt habe; von der Existenz einer Seele könne keine Rede sein. Ähnlich, wie viele Geschöpfe ohne Ursache aus dem Schweiß und aus einem toten Körper entständen, so sei auch die gesamte lebendige Welt aus den materiellen Kombinationen der kosmischen Manifestation entstanden. Daher sei die materielle Natur die Ursache dieser Manifestation und es gebe keine andere Ursache. Sie glauben nicht den Worten Kṛṣṇas in der Bhagavad-gītā:
mayādhyakṣeṇa prakṛtiḥ sūyate sa-carācaram
„Unter Meiner Führung bewegt sich die gesamte materielle Welt.“
Mit anderen Worten, unter den Dämonen gibt es kein vollkommenes Wissen von der Erschaffung der Welt; jeder hat seine eigene Theorie. Nach ihrer Meinung ist eine Interpretation der Schriften so gut wie die andere, denn sie glauben nicht, daß es festgelegt und vorgeschrieben ist, in welcher Weise die Unterweisungen der Schriften zu verstehen sind.
VERS 9
एतां दृष्टिमवष्टभ्य नष्टात्मानोऽल्पबुद्धयः ।
प्रभवन्त्युग्रकर्माणः क्षयाय जगतोऽहिताः ॥९॥
etāṁ dṛṣṭim avaṣṭabhya
naṣṭātmāno ’lpa-buddhayaḥ
prabhavanty ugra-karmāṇaḥ
kṣayāya jagato ’hitāḥ
etām – so; dṛṣṭim – Sicht; avaṣṭabhya – akzeptierend; naṣṭa – verloren; ātmānaḥ – Selbst; alpa-buddhayaḥ – weniger intelligent; prabhavanti – blühen; ugra-karmāṇaḥ – in schmerzvollen Aktivitäten; kṣayāya – um zu zerstören; jagataḥ – der Welt; ahitāḥ – nicht segensreich.
ÜBERSETZUNG
Weil sie sich nach solchen Schlußfolgerungen richten, gehen die Dämonen, die sich selbst ausgeliefert sind und über keine Intelligenz verfügen, abscheulichen, unheilvollen Aktivitäten nach, die dazu bestimmt sind, die Welt zu zerstören.
ERKLÄRUNG
Die Dämonen sind mit Aktivitäten beschäftigt, die die Welt dem Untergang entgegenführen. Der Herr sagt hier, daß sie weniger intelligent seien. Die Materialisten, die keine Vorstellung von Gott haben, glauben zwar Fortschritt zu machen, doch nach den Lehren der Bhagavad-gītā sind sie unintelligent und ohne jede Vernunft. Sie versuchen, die materielle Welt bis auf das äußerste zu genießen und erfinden daher immer wieder etwas Neues zur Befriedigung ihrer Sinne. Solche materialistischen Erfindungen gelten als Fortschritt der menschlichen Gesellschaft, doch als Folge solcher Erfindungen werden die Menschen immer gewalttätiger und grausamer – grausam gegenüber Tieren und anderen Menschen. Sie haben keine Ahnung, wie sie sich anderen gegenüber verhalten sollen. Unter den dämonischen Menschen ist das Töten von Tieren sehr beliebt. Solche Menschen müssen als Feinde der Welt angesehen werden, weil sie früher oder später etwas erfinden oder schaffen werden, was allen die Vernichtung bringen wird. Indirekt sagt dieser Vers die Erfindung der Nuklearwaffen voraus, auf die heutzutage die ganze Welt so stolz ist. Jeden Augenblick kann ein Krieg ausbrechen, in dem diese atomaren Waffen verheerenden Schaden anrichten können. Solche Dinge werden einzig und allein zur Zerstörung der Welt geschaffen, und darauf wird hier hingewiesen. Derartige Waffen werden erfunden, wenn die menschliche Gesellschaft gottlos ist; sie sind nicht für den Frieden und Wohlstand der Welt bestimmt.
VERS 10
काममाश्रित्य दुष्पूरं दम्भमानमदान्विताः ।
मोहाद्गृहीत्वाऽसद्ग्राहान्प्रवर्त्तन्तेऽशुचिव्रताः ॥१०॥
kāmam āśritya duṣpūraṁ
dambha-māna-madānvitāḥ
mohād gṛhītvāsad-grāhān
pravartante ’śuci-vratāḥ
kāmam – Lust; āśritya – Zuflucht nehmen bei; duṣpūram – unersättlich; dambha – Stolz; māna – falsches Prestige; mada-anvitāḥ – in Selbstgefälligkeit vertieft sein; mohāt – von Illusion; gṛhītvā – nehmen; asat – unbeständig; grāhān – Dinge; pravartante – blühen; aśuci – unsauber; vratāḥ – verschworen.
ÜBERSETZUNG
Die Dämonen, die bei unersättlicher Lust, Stolz und falschem Prestige Zuflucht suchen und sich daher in Illusion befinden, sind unsauberer Arbeit verschworen und fühlen sich zum Unbeständigen hingezogen.
ERKLÄRUNG
Hier wird die Mentalität der dämonischen Menschen beschrieben. Die Lust der Dämonen kann niemals gesättigt werden, und so steigern sich ihre unersättlichen Verlangen nach materiellem Genuß immer mehr. Obwohl sie ständig voller Ängste sind, weil sie unbeständige Dinge akzeptieren, versuchen sie in ihrer Illusion dennoch immer wieder, ihre Sinne zu befriedigen. Sie verfügen über kein Wissen und können nicht erkennen, daß sie sich auf dem falschen Weg befinden. Da solche dämonischen Menschen unbeständige Dinge akzeptieren, schaffen sie sich ihren eigenen Gott und ihre eigenen Hymnen. Als Folge davon fühlen sie sich immer mehr zu zwei Dingen hingezogen: zu sexuellem Genuß und zur Anhäufung von materiellem Reichtum. Das Wort aśuci-vratāḥ (unsauberes Gelübde) ist in diesem Zusammenhang von großer Bedeutung. Solche dämonischen Menschen fühlen sich ausschließlich zu Wein, Frauen, Glücksspiel und Fleischessen hingezogen; dies sind ihre aśuci (ihre unsauberen Gewohnheiten). Von Stolz und falschem Prestige getrieben, schaffen sie sich religiöse Prinzipien, die jedoch von den vedischen Unterweisungen nicht gebilligt werden. Obwohl solche Menschen verabscheuungswürdig sind, werden sie dennoch, durch künstliche Mittel, von der Welt mit falscher Ehre bedacht, und obwohl sie zur Hölle hinabgleiten, halten sie sich für sehr fortgeschritten.
VERS 11–12
चिन्तामपरिमेयाञ्च प्रलयान्तामुपाश्रिताः ।
कामोपभोगपरमा एतावदिति निश्चिताः ॥११॥
आशापाशशतैर्बद्धाः कामक्रोधपरायणाः ।
ईहन्ते कामभोगार्थमन्यायेनार्थसञ्चयान् ॥१२॥
cintām aparimeyāṁ ca
pralayāntām upāśritāḥ
kāmopabhoga-paramā
etāvad iti niścitāḥ
āśā-pāśa-śatair baddhāḥ
kāma-krodha-parāyaṇāḥ
īhante kāma-bhogārtham
anyāyenārtha-sañcayān
cintām – Ängste und Sorgen; aparimeyām – unermeßlich; ca – und; pralaya-antām – bis zum Zeitpunkt des Todes; upāśritāḥ – bei ihnen Zuflucht genommen haben; kāma-upabhoga – Sinnesbefriedigung; paramāḥ – das höchste Ziel des Lebens; etāvat – so; iti – auf diese Art und Weise; niścitāḥ – herausfinden; āśā-pāśa – Verstrickung in das Netzwerk der Hoffnung; śataiḥ – von Hunderten; baddhāḥ – gebunden sein; kāma – Lust; krodha – Zorn; parāyaṇāḥ – immer in dieser Mentalität verankert sein; īhante – Verlangen; kāma – Lust; bhoga – Sinnesgenuß; artham – zu diesem Zweck; anyāyena – illegal; artha – Reichtum; sañcayān – anhäufen.
ÜBERSETZUNG
Sie glauben, die Sinne bis ans Ende des Lebens zu befriedigen sei die größte Notwendigkeit der menschlichen Zivilisation. Daher haben ihre Ängste kein Ende. Durch Hunderttausende von Verlangen und durch Lust und Zorn gebunden, sichern sie sich mit illegalen Mitteln Geld, um ihre Sinne befriedigen zu können.
ERKLÄRUNG
Die Dämonen glauben, der Genuß der Sinne sei das endgültige Ziel des Lebens, und diese Auffassung vertreten sie bis zum Tode. Sie glauben nicht an ein Leben nach dem Tode, und daher glauben sie auch nicht, daß man entsprechend seinem karma (den Aktivitäten, die man in der materiellen Welt ausführt) verschiedene Körper annimmt. Ihre Pläne finden kein Ende, und sie schmieden ständig neue Pläne, die jedoch niemals verwirklicht werden. Wir haben einen Menschen mit einer solch dämonischen Mentalität erlebt, der noch im Augenblick des Todes den Arzt bat, sein Leben um weitere vier Jahre zu verlängern, weil seine Pläne noch nicht realisiert waren. Solche verblendeten Menschen wissen nicht, daß auch der beste Arzt ihr Leben nicht einmal um eine Sekunde verlängern kann. Wenn die Zeit abgelaufen ist, werden die Wünsche eines Menschen nicht berücksichtigt. Die Gesetze der Natur erlauben es ihm nicht, auch nur eine Sekunde länger zu genießen als ihm bestimmt ist.
Der dämonische Mensch, der kein Vertrauen zu Gott oder zur Überseele in seinem Innern hat, begeht alle Arten von Sünden, nur um seine Sinne zu befriedigen. Er weiß nichts von dem Zeugen, der in seinem Herzen weilt. Die Überseele beobachtet die Aktivitäten der individuellen Seele. In den vedischen Schriften, den Upaniṣaden, wird erklärt, daß die Überseele und die jīva-Seele wie zwei Vögel sind, die auf dem Baum des Körpers sitzen. Die individuelle Seele handelt, und genießt oder erleidet die Früchte der Zweige, während die Überseele der Zeuge ihrer Handlungen ist. Wer jedoch von dämonischer Natur ist, kennt die vedischen Schriften nicht und hat auch nicht das geringste Vertrauen; deshalb denkt er, er könne alles tun, was seine Sinne befriedige, ungeachtet der Folgen die daraus entständen.
VERS 13–15
इदमद्य मया लब्धमिदं प्राप्स्ये मनोरथम् ।
इदमस्तीदमपि मे भविष्यति पुनर्धनम् ॥१३॥
असौ मया हतः शत्रुर्हनिष्ये चापरानपि ।
ईश्वरोऽहमहं भोगी सिद्धोऽहं बलवान्सुखी ॥१४॥
आढ्योऽभिजनवानस्मि कोऽन्योऽस्ति सदृशो मया ।
यक्ष्ये दास्यामि मोदिष्य इत्यज्ञानविमोहिताः ॥१५॥
idam adya mayā labdham
imaṁ prāpsye manoratham
idam astīdam api me
bhaviṣyati punar dhanam
asau mayā hataḥ śatrur
haniṣye cāparān api
īśvaro ’ham ahaṁ bhogī
siddho ’haṁ balavān sukhī
āḍhyo ’bhijanavān asmi
ko ’nyo ’sti sadṛśo mayā
yakṣye dāsyāmi modiṣya
ity ajñāna-vimohitāḥ
idam – dies; adya – heute; mayā – von mir; labdham – gewonnen; imam – dies; prāpsye – ich werde gewinnen; manoratham – nach meinen Wünschen; idam – dies; asti – es gibt; idam – dies; api – auch; me – mein; bhaviṣyati – wird sich in Zukunft vergrößern; punaḥ – wieder; dhanam – Reichtum; asau – das; mayā – von mir; hataḥ – ist getötet worden; śatruḥ – Feind; haniṣye – ich werde töten; ca – auch; aparān – andere; api – gewiß; īśvaraḥ – der Herr; aham – ich bin; aham – ich bin; bhogī – der Genießer; siddhaḥ – vollkommen; aham – ich bin; balavān – mächtig; sukhī – glücklich; āḍhyaḥ – reich; abhijanavān – umgeben von aristokratischen Verwandten; asmi – ich bin; kaḥ – wer sonst; anyaḥ – anders; asti – gibt es; sadṛśaḥ – wie; mayā – mich; yakṣye – ich werde opfern; dāsyāmi – ich werde mildtätig sein; modiṣye – ich werde genießen; iti – so; ajñāna – Unwissenheit; vimohitāḥ – getäuscht von.
ÜBERSETZUNG
Der dämonische Mensch denkt: „So viel Reichtum besitze ich heute, und nach meinen Plänen werde ich noch viel mehr erlangen. So viel gehört mir jetzt, doch es wird in Zukunft mehr und mehr werden. Dieser Mensch war mein Feind, und deshalb habe ich ihn umgebracht, und meinen anderen Feind werde ich ebenfalls töten. Ich bin der Herr über alles, und ich bin der Genießer; ich bin vollkommen, ich bin mächtig, und ich bin glücklich. Ich bin der Reichste, und ich bin von aristokratischen Verwandten umgeben. Niemand ist so glücklich und mächtig wie ich. Ich werde einige Opfer darbringen und Spenden geben, und so werde ich genießen.“ Auf diese Weise werden solche Menschen von Unwissenheit getäuscht.
VERS 16
अनेकचित्तविभ्रान्ता मोहजालसमावृताः ।
प्रसक्ताः कामभोगेषु पतन्ति नरकेऽशुचौ ॥१६॥
aneka-citta-vibhrāntā
moha-jāla-samāvṛtāḥ
prasaktāḥ kāma-bhogeṣu
patanti narake ’śucau
aneka – zahlreich; citta-vibhrāntāḥ – von Sorgen verunsichert; moha – von Illusionen; jāla – von einem Netzwerk; samāvṛtāḥ – umgeben; prasaktāḥ – angehaftet; kāma – Lust; bhogeṣu – Sinnesbefriedigung; patanti – gleitet ab; narake – in die Hölle; aśucau – unsauber.
ÜBERSETZUNG
Von vielfachen Ängsten verwirrt und in einem Netzwerk von Illusionen gefangen, wird er zu sehr vom Sinnesgenuß angezogen und fällt daher in die Hölle hinab.
ERKLÄRUNG
Der dämonische Mensch kennt in seinem Verlangen, Geld anzuhäufen, keine Grenzen. Dieses Verlangen ist grenzenlos. Er denkt nur daran, wie groß der Betrag ist, den er gerade besitzt, und entwirft Pläne, wie er seinen Reichtum noch mehr vergrößern kann. Aus diesem Grunde zögert er nicht, jede beliebige Sünde zu begehen, und macht sogar auf dem Schwarzmarkt Geschäfte, um seine Sinne auf illegale Weise zu befriedigen. Er ist von den Besitztümern bezaubert, die er bereits sein eigen nennt, wie zum Beispiel Land, Haus und Bankkonto, und schmiedet ständig Pläne, wie er seinen Besitz vergrößern kann. Ein Dämon vertraut auf seine eigene Stärke, denn er weiß nicht, daß er alles, was er gewinnt, aufgrund vergangener guter Taten erhält. Ihm wird zwar die Gelegenheit gegeben, solche Dinge anzuhäufen, aber er hat keine Vorstellung von den Ursachen, die in der Vergangenheit liegen. Er denkt, daß er zu all seinem Reichtum durch eigene Bemühungen gekommen sei. Ein dämonischer Mensch glaubt an die Macht seiner eigenen Arbeit, und nicht an das Gesetz des karma. Nach dem Gesetz des karma wird ein Mensch als Folge seiner guten Aktivitäten in der Vergangenheit in eine hohe Familie geboren oder mit Reichtum, Bildung oder körperliche Schönheit gesegnet. Der Dämon denkt, all diese Dinge seien Zufall und hätten ihre Ursache in seinen persönlichen Fähigkeiten. Er sieht keine ordnende Hand hinter der Vielfalt der Menschen, der Schönheit, der Erziehung usw. Jeder, der mit einem solchen dämonischen Menschen konkurriert, ist dessen Feind. Es gibt viele Dämonen, und jeder ist der Feind des anderen. Diese Feindschaft wächst ständig – erst zwischen Personen, dann zwischen Familien, daraufhin zwischen Gesellschaften und schließlich zwischen Nationen. Deshalb gibt es überall auf der Welt fortwährend Feindschaft, Streit und Krieg.
Jeder dämonische Mensch denkt, er könne auf Kosten der anderen leben. Im allgemeinen hält der dämonische Mensch sich selbst für den höchsten Gott, und ein dämonischer Prediger wird seinen Anhängern verkünden: „Warum sucht ihr Gott woanders? Ihr selbst seid Gott! Tut, was euch gefällt! Glaubt nicht an Gott! Werft Gott fort! Gott ist tot!“ So lauten die Predigten der Dämonen. Obwohl der dämonische Mensch sieht, daß andere ebenso wohlhabend und einflußreich sind wie er selbst – oder ihn sogar übertreffen – glaubt er dennoch, niemand sei reicher und habe mehr Einfluß als er. Er glaubt nicht, daß er durch die Darbringung von yajñas (Opfern) zu höheren Planeten erhoben werden kann. Die Dämonen denken, sie könnten sich ihre eigenen yajñas schaffen und eine Maschine bauen, mit deren Hilfe sie fähig seien, jeden beliebigen höheren Planeten zu erreichen. Das beste Beispiel für einen solchen Dämonen ist Rāvana. Er hatte den Plan, eine Treppe zu bauen, mit deren Hilfe es jedem möglich gewesen wäre, die höheren Planetensysteme zu erreichen, ohne Opfer darzubringen, wie sie in den Veden vorgeschrieben werden. Auch im heutigen Zeitalter versuchen dämonische Menschen die höheren Planetensysteme durch mechanische Vorrichtungen zu erreichen. Solche Versuche sind Beispiele ihrer Verwirrung. Als Folge davon gleiten sie, ohne es zu wissen, in die Hölle hinab. In diesem Zusammenhang ist das Sanskritwort moha-jāla sehr wichtig. Jāla bedeutet Netz – wie Fische, die in einem Netz gefangen sind, gibt es für solche Menschen kein Entrinnen.
VERS 17
आत्मसम्भाविताः स्तब्धा धनमानमदान्विताः ।
यजन्ते नामयज्ञैस्ते दम्भेनाविधिपूर्वकम् ॥१७॥
ātma-sambhāvitāḥ stabdhā
dhana-māna-madānvitāḥ
yajante nāma-yajñais te
dambhenāvidhi-pūrvakam
ātma-sambhāvitāḥ – selbstgefällig; stabdhāḥ – unverschämt; dhana-māna – Reichtum und falsches Prestige; mada-anvitāḥ – in Stolz vertieft; yajante – verrichten Opfer; nāma – nur dem Namen nach; yajñaiḥ – mit einem solchen Opfer; te – sie; dambhena – aus Stolz; avidhi-pūrvakam – ohne irgendwelche Regeln und Regulierungen zu beachten.
ÜBERSETZUNG
Selbstgefällig und immer unverschämt, von Reichtum und falschem Prestige getäuscht, bringen sie manchmal sogenannte Opfer dar, ohne dabei irgendwelche Regeln und Regulierungen zu beachten.
ERKLÄRUNG
Die Dämonen vollziehen manchmal sogenannte religiöse Rituale oder Opferungsriten, wobei sie sich selbst für das Ein und Alles halten und sich um keine Autorität oder Schrift kümmern. Und da sie keine Autorität anerkennen, sind sie sehr unverschämt. Eine solche Mentalität ist die Folge der Illusion, die entsteht, wenn man Reichtum anhäuft und durch falsches Prestige stolz wird. Manchmal übernehmen solche Dämonen die Rolle von Predigern, führen die Menschen in die Irre und werden sogar als religiöse Reformer und Inkarnationen Gottes bekannt. Sie geben vor, Opfer darzubringen, verehren die Halbgötter oder fabrizieren ihren eigenen Gott. Gewöhnliche Menschen verkünden, solche Heuchler seien Gott und verehren sie, und die Dummen glauben, sie seien in den Prinzipien der Religion bzw. des spirituellen Wissens weit fortgeschritten. Sie ziehen sich das Gewand derer an, die sich auf der Lebensstufe der Entsagung befinden, und treiben in diesem Gewand ihren Unsinn. Für jemanden, der dieser Welt tatsächlich entsagt hat, gibt es viele Einschränkungen, doch die Dämonen kümmern sich um solche Einschränkungen nicht; sie glauben, jeder könne seinen eigenen Weg gehen, und es gebe nicht so etwas wie einen vorgeschriebenen Pfad, dem man folgen müsse. Das Wort avidhi-pūrvakam, das auf die Vernachlässigung der Regeln und Regulierungen hinweist, wird hier ganz besonders betont. All diese Dinge haben ihre Ursache in Unwissenheit und Illusion.
VERS 18
अहङ्कारं बलं दर्पं कामं क्रोधञ्च संश्रिताः ।
मामात्मपरदेहेषु प्रद्विषन्तोऽभ्यसूयकाः ॥१८॥
ahaṅkāraṁ balaṁ darpaṁ
kāmaṁ krodhaṁ ca saṁśritāḥ
mām ātma-para-deheṣu
pradviṣanto ’bhyasūyakāḥ
ahaṅkāram – falsches Ich; balam – Stärke; darpam – Stolz; kāmam – Lust; krodham – Zorn; ca – auch; saṁśritāḥ – Zuflucht genommen bei; mām – Mich; ātma – im eigenen; para-deheṣu – in anderen Körpern; pradviṣantaḥ – lästert; abhyasūyakāḥ – neidisch.
ÜBERSETZUNG
Verwirrt von falschem Ich, Stärke, Stolz, Lust und Zorn, wird der Dämon auf den Höchsten Persönlichen Gott neidisch, der in seinem eigenen Körper und in den Körpern der anderen gegenwärtig ist, und lästert die wirkliche Religion.
ERKLÄRUNG
Weil ein dämonischer Mensch bei jeder Gelegenheit gegen Gottes Erhabenheit protestiert, will er den Schriften keinen Glauben schenken. Er beneidet sowohl die Schriften als auch den Höchsten Persönlichen Gott. Der Grund für diese Haltung ist sein sogenanntes Prestige, sein angesammelter Reichtum und seine Kraft. Er weiß nicht, daß das gegenwärtige Leben die Vorbereitung auf das nächste ist. Weil er davon keine Kenntnis hat, beneidet er im Grunde sich selbst und andere. Er tut seinem eigenen Körper und den Körpern anderer Gewalt an. Er kümmert sich nicht um die höchste Kontrolle des Persönlichen Gottes, denn er verfügt über kein Wissen. Weil er die Schriften und den Höchsten Persönlichen Gott beneidet, stellt er gegen die Existenz Gottes falsche Argumente auf und weist die Autorität der Schriften zurück. Er hält sich in jeder Handlung für unabhängig und mächtig.
Er denkt, weil niemand ihm an Stärke, Macht oder Reichtum gleichkomme, könne er nach seinem Gutdünken handeln, und niemand könne ihn dabei aufhalten. Wenn er einen Feind hat, der die Befriedigung seiner Sinne behindern könnte, schmiedet er Pläne, ihn aus dem Weg zu schaffen.
VERS 19
तानहं द्विषतः क्रूरान्संसारेषु नराधमान् ।
क्षिपाम्यजस्रमशुभानासुरीष्वेव योनिषु ॥१९॥
tān ahaṁ dviṣataḥ krūrān
saṁsāreṣu narādhamān
kṣipāmy ajasram aśubhān
āsurīṣv eva yoniṣu
tān – diejenigen; aham – Ich; dviṣataḥ – neidisch; krūrān – boshaft; saṁsāreṣu – in den Ozean der materiellen Existenz; narādhamān – die Niedrigsten der Menschheit; kṣipāmi – setzen; ajasram – unzählig; aśubhān – unheilvoll; āsurīṣu – dämonisch; eva – gewiß; yoniṣu – in die Mutterschöße.
ÜBERSETZUNG
Die Neidischen und Boshaften, die die Niedrigsten unter den Menschen sind, werden von Mir in den Ozean der materiellen Existenz in die dämonischen Arten des Lebens geworfen.
ERKLÄRUNG
In diesem Vers wird unmißverständlich darauf hingewiesen, daß es das Vorrecht des höchsten Willens ist, eine bestimmte individuelle Seele in einen bestimmten Körper zu setzen. Der dämonische Mensch mag zwar nicht damit einverstanden sein, die Erhabenheit des Herrn anzuerkennen, und es ist auch eine Tatsache, daß er nach seinen eigenen Launen handeln darf, aber dennoch wird seine nächste Geburt von der Entscheidung des Höchsten Persönlichen Gottes abhängen, und nicht von ihm selbst. Im Śrīmad-Bhāgavatam wird im Dritten Canto erklärt, daß die individuelle Seele nach dem Tod in den Schoß einer Mutter gesetzt wird, wo sie unter der Aufsicht der höheren Gewalt einen bestimmten Körper erhält. Deshalb finden wir in der materiellen Existenz so viele Arten des Lebens, wie Insekten, Säugetiere, Menschen usw. Sie alle werden von der höheren Gewalt hervorgebracht, sie entstehen nicht zufällig. Es wird hier eindeutig gesagt, daß die dämonischen Menschen immer wieder in die Schöße der Dämonen gesetzt werden, und so bleiben sie weiterhin neidisch und die Niedrigsten der Menschheit. Solche dämonischen Arten des Lebens sind immer voller Lust, gewalttätig, haßerfüllt und unsauber. Sie sind wie wilde Tiere im Dschungel.
VERS 20
आसुरीं योनिमापन्ना मूढा जन्मनिजन्मनि ।
मामप्राप्यैव कौन्तेय ततो यान्त्यधमां गतिम् ॥२०॥
āsurīṁ yonim āpannā
mūḍhā janmani janmani
mām aprāpyaiva kaunteya
tato yānty adhamāṁ gatim
āsurīm – dämonisch; yonim – Arten; āpannāḥ – gewinnend; mūḍhāḥ – der Tor; janmani janmani – Geburt auf Geburt; mām – zu Mir; aprāpya – ohne zu erreichen; eva – gewiß; kaunteya – O Sohn Kuntīs; tataḥ – danach; yānti – geht; adhamām – verdammt; gatim – Bestimmung.
ÜBERSETZUNG
Weil solche Menschen immer wieder unter den Arten des dämonischen Lebens geboren werden, können sie sich Mir niemals nähern. Allmählich sinken sie in die abscheulichsten Formen des Daseins hinab.
ERKLÄRUNG
Es ist bekannt, daß Gott ganz und gar barmherzig ist, doch aus diesem Vers kann man ersehen, daß Gott niemals den Dämonen gegenüber barmherzig ist. Es wird hier unmißverständlich erklärt, daß die dämonischen Menschen Leben auf Leben in die Schöße ähnlicher Dämonen gesetzt werden. Weil sie nicht die Barmherzigkeit des Höchsten Herrn erlangen, sinken sie immer tiefer hinab, bis sie zuletzt Körper wie die der Katzen, Hunde und Schweine erhalten. Es wird eindeutig gesagt, daß solche Dämonen so gut wie keine Möglichkeit haben, auf irgendeiner Stufe ihres späteren Lebens die Barmherzigkeit Gottes zu erlangen. Auch in den Veden wird gesagt, daß solche Menschen allmählich soweit hinabsinken, bis sie zu Hunden und Schweinen werden. Man mag nun den Einwand erheben, Gott könne nicht als ganz und gar barmherzig bezeichnet werden, wenn Er nicht auch den Dämonen gegenüber barmherzig sei. Als Antwort auf diese Frage heißt es im Vedānta-sūtra, daß der Herr niemandem gegenüber Haß empfindet. Wenn Er die asuras (die Dämonen) auf die niedrigste Stufe des Lebens setzt, so ist dies lediglich ein anderer Aspekt Seiner Barmherzigkeit. Manchmal werden die asuras vom Höchsten Herrn auch getötet, doch dieses „getötet werden“ ist ebenfalls gut für sie, denn aus den vedischen Schriften können wir erfahren, daß jeder befreit wird, der vom Höchsten Herrn getötet wird. In der Geschichte gibt es Beispiele vieler asuras, wie Rāvaṇa, Kaṁsa und Hiraṇyakaśipu, für die der Herr in verschiedenen Inkarnationen erschien, nur um sie zu töten. Den asuras wird also die Barmherzigkeit Gottes zuteil, wenn sie das Glück haben, von Ihm getötet zu werden.
VERS 21
त्रिविधं नरकस्येदं द्वारं नाशनमात्मनः ।
कामः क्रोधस्तथा लोभस्तस्मादेतत्त्रयं त्यजेत् ॥२१॥
tri-vidhaṁ narakasyedaṁ
dvāraṁ nāśanam ātmanaḥ
kāmaḥ krodhas tathā lobhas
tasmād etat trayaṁ tyajet
tri-vidham – drei Arten von; narakasya – höllisch; idam – dies; dvāram – Tor; nāśanam – zerstörerisch; ātmanaḥ – des Selbst; kāmaḥ – Lust; krodhaḥ – Zorn; tathā – wie auch; lobhaḥ – Gier; tasmāt – deshalb; etat – diese; trayam – drei; tyajet – muß aufgeben.
ÜBERSETZUNG
Drei Tore führen zur Hölle – Lust, Zorn und Gier. Jeder vernünftige Mensch sollte sich von ihnen abwenden, denn sie führen zur Erniedrigung der Seele.
ERKLÄRUNG
Hier wird der Beginn des dämonischen Lebens beschrieben. Zuerst versucht man, seine Lust zu befriedigen, und wenn dies nicht gelingt, entstehen Zorn und Gier. Ein vernünftiger Mensch, der nicht in die dämonischen Arten des Lebens hinabgleiten will, muß versuchen, diese drei Feinde zu besiegen, die das Selbst soweit töten können, daß es nicht länger möglich sein wird, aus der materiellen Verstrickung frei zu werden.
VERS 22
एतैर्विमुक्तः कौन्तेय तमोद्वारैस्त्रभिर्नरः ।
आचरत्यात्मनः श्रेयस्ततो याति परां गतिम् ॥२२॥
etair vimuktaḥ kaunteya
tamo-dvārais tribhir naraḥ
ācaraty ātmanaḥ śreyas
tato yāti parāṁ gatim
etaiḥ – von diesen; vimuktaḥ – befreit sein; kaunteya – O Sohn Kuntīs; tamaḥ-dvāraiḥ – die Tore der Unwissenheit; tribhiḥ – drei Arten von; naraḥ – ein Mensch; ācarati – führt aus; ātmanaḥ – Selbst; śreyaḥ – Segnung; tataḥ – danach; yāti – geht; parām – erhaben; gatim – Bestimmung.
ÜBERSETZUNG
O Sohn Kuntīs, ein Mensch, der diesen drei Toren zur Hölle entgangen ist, führt Handlungen aus, die ihn zur Selbstverwirklichung erheben, und erreicht somit allmählich das höchste Ziel.
ERKLÄRUNG
Man sollte sich vor Lust, Zorn und Gier, den drei Feinden des menschlichen Lebens, sehr hüten. Je mehr ein Mensch von Lust, Zorn und Gier frei wird, desto mehr wird auch seine Existenz rein. Dann erst kann er den Regeln und Regulierungen folgen, die in den vedischen Schriften vorgeschrieben sind. Wenn man die regulierenden Prinzipien des menschlichen Lebens einhält, erhebt man sich allmählich auf die Ebene der spirituellen Verwirklichung, und wenn man das Glück hat, durch eine solche Schulung die Ebene des Kṛṣṇa-Bewußtseins zu erreichen, ist der Erfolg sicher. Um den Menschen zu befähigen, auf die Stufe der Reinigung zu gelangen, werden in den vedischen Schriften die Wirkungsweisen von Aktion und Reaktion beschrieben. Die ganze Methode basiert auf dem Freiwerden von Lust und Zorn. Wer sich in diesem Vorgang übt, kann zur höchsten Stufe der Selbstverwirklichung erhoben werden, die ihre Vollkommenheit im hingebungsvollen Dienen findet. Wenn sich die bedingte Seele im hingebungsvollen Dienen beschäftigt, ist es sicher, daß sie befreit wird. Nach dem vedischen System sind daher die vier Einteilungen und die vier Stufen des Lebens eingerichtet worden, die das Kastensystem und das System der spirituellen Ordnung genannt werden. Es gibt verschiedene Regeln und Regulierungen für die verschiedenen Kasten oder Einteilungen in der Gesellschaft, und wenn ein Mensch imstande ist, ihnen zu folgen, wird er von selbst auf die höchste Ebene der spirituellen Verwirklichung erhoben. Dann kann er zweifellos befreit werden.
VERS 23
यः शास्त्रविधिमुत्सृज्य वर्त्तते कामकारतः ।
न स सिद्धिमवाप्नोति न सुखं न परां गतिम् ॥२३॥
yaḥ śāstra-vidhim utsṛjya
vartate kāma-kārataḥ
na sa siddhim avāpnoti
na sukhaṁ na parāṁ gatim
yaḥ – jeder; śāstra-vidhim – die Regulierungen der Schriften; utsṛjya – mißachtet; vartate – bleibt; kāma-kārataḥ – launenhaft aus Lust handeln; na – niemals; saḥ – er; siddhim – Vollkommenheit; avāpnoti – erreicht; na – niemals; sukham – Glück; na – niemals; parām – die höchste; gatim – vervollkommnete Stufe.
ÜBERSETZUNG
Wer jedoch die Anweisungen der Schriften mißachtet und nach seinen Launen handelt, erreicht weder die Vollkommenheit noch Glück, noch das höchste Ziel.
ERKLÄRUNG
Wie schon zuvor beschrieben wurde, ist den verschiedenen Kasten und Einteilungen der menschlichen Gesellschaft die śāstra-vidhim (die Anweisung der śāstras) gegeben worden. Man erwartet, daß jeder diese Regeln und Regulierungen einhält. Wenn man sie nicht befolgt, und statt dessen Lust, Gier und Verlangen nachgibt, wird man niemals die Vollkommenheit des Lebens erreichen. Ein Mensch mag zwar all diese Dinge theoretisch verstehen, doch wenn er sie in seinem Leben nicht praktisch anwendet, muß er als der Niedrigste der Menschheit angesehen werden. Es wird erwartet, daß ein Lebewesen in der menschlichen Form des Lebens vernünftig ist und die Regulierungen beachtet, die die Schriften geben, um sein Leben auf die höchste Ebene zu erheben. Wenn man diese Unterweisungen mißachtet, entwürdigt man sich damit selbst. Doch auch wenn man den Regeln und Regulierungen und Moralprinzipien folgt, aber letztlich nicht auf die Stufe gelangt, auf der man den Höchsten Herrn verstehen kann, ist alles Wissen wertlos. Deshalb sollte man sich allmählich auf die Ebene des Kṛṣṇa-Bewußtseins und des hingebungsvollen Dienens erheben, denn nur so, und nicht anders, kann man die am höchsten vervollkommnete Stufe erreichen.
Das Wort kāma-cārataḥ ist hier sehr bedeutsam. Ein Mensch, der wissentlich die Regeln der śāstras verletzt, handelt aus Lust. Obwohl er weiß, daß etwas verboten ist, tut er es dennoch. Das wird launenhaftes Handeln genannt. Er weiß, daß er sich auf eine bestimmte Art und Weise verhalten sollte, und verhält sich dennoch anders – deshalb wird er launenhaft genannt. Solche Menschen sind dazu verurteilt, vom Herrn verdammt zu werden. Sie können nicht die Vollkommenheit erlangen, die für das menschliche Leben bestimmt ist. Das menschliche Leben ist ganz besonders dazu bestimmt, die Existenz zu reinigen, doch wer die Regeln und Regulierungen der Schriften nicht befolgt, kann sich weder reinigen noch die Ebene wahren Glücks erreichen.
VERS 24
तस्माच्छास्त्रं प्रमाणं ते कार्याकार्यव्यवस्थितौ ।
ज्ञात्वा शास्त्रविधानोक्तं कर्म कर्त्तुमिहार्हसि ॥२४॥
tasmāc chāstraṁ pramāṇaṁ te
kāryākārya-vyavasthitau
jñātvā śāstra-vidhānoktaṁ
karma kartum ihārhasi
tasmāt – deshalb; śāstram – Schriften; pramāṇam – Beweis; te – deine; kārya – Pflicht; akārya – verbotene Aktivitäten; vyavasthitau – in der Entscheidung; jñātvā – kennend; śāstra – der Schrift; vidhāna – Regulierungen; uktam – wie erklärt; karma – Arbeit; kartum – zu tun; iha arhasi – du solltest es tun.
ÜBERSETZUNG
Man sollte aus den Unterweisungen der Schriften verstehen, was Pflicht und was nicht Pflicht ist. Wenn man diese Regeln und Regulierungen kennt, sollte man so handeln, daß man allmählich erhoben wird.
ERKLÄRUNG
Wie im Fünfzehnten Kapitel gesagt wird, sind alle Regeln und Regulierungen dazu bestimmt, Kṛṣṇa zu erkennen. Wenn man Kṛṣṇa durch die Lehren der Bhagavad-gītā versteht, daraufhin im Kṛṣṇa-Bewußtsein verankert wird und sich im hingebungsvollen Dienen beschäftigt, hat man die höchste Vollkommenheit des Wissens erreicht, die die vedischen Schriften bieten. Śrī Kṛṣṇa Caitanya Mahāprābhu machte diesen Weg sehr einfach: Er bat die Menschen, einfach Hare Kṛṣṇa, Hare Kṛṣṇa, Kṛṣṇa Kṛṣṇa, Hare Hare / Hare Rāma, Hare Rāma, Rāma Rāma, Hare Hare zu chanten, sich im hingebungsvollen Dienst des Herrn zu beschäftigen und die Reste der Speisen zu sich zu nehmen, die der transzendentalen Bildgestalt des Herrn geopfert wurden. Man sollte wissen, daß jemand, der sich direkt in all diesen hingebungsvollen Aktivitäten beschäftigt, bereits alle vedischen Schriften studiert hat. Er ist zur vollkommenen Schlußfolgerung gekommen. Die gewöhnlichen Menschen jedoch, die sich nicht im Kṛṣṇa-Bewußtsein befinden oder nicht im hingebungsvollen Dienen beschäftigt sind, müssen anhand der Anweisungen der Veden entscheiden, was zu tun und was nicht zu tun ist. Man sollte diesen Anweisungen widerspruchslos folgen. Das versteht man unter wirklichem Befolgen der Prinzipien der śāstras (Schriften). Die śāstras sind frei von den vier grundlegenden Mängeln der bedingten Seele. Unvollkommene Sinne, die Neigung zu betrügen, die Unvermeidbarkeit, Fehler zu begehen, und die Unvermeidbarkeit, in Illusion versetzt zu werden – diese vier grundlegenden Unvollkommenheiten des bedingten Lebens disqualifizieren jeden Menschen, eigene Regeln und Regulierungen aufzustellen. Weil die Regeln und Regulierungen der śāstras frei von diesen Mängeln sind, werden sie, ohne verändert zu werden, von allen großen Heiligen, ācāryas und großen Seelen akzeptiert.
In Indien gibt es viele Gruppen mit einem unterschiedlichen spirituellen Verständnis. Sie werden im allgemeinen in zwei Hauptgruppen unterteilt: in die Unpersönlichkeitsanhänger und die Anhänger des Persönlichen. Beide Gruppen jedoch führen ihr Leben in Übereinstimmung mit den Prinzipien der Veden. Solange man den Prinzipien der Schriften nicht folgt, kann man sich nicht zur Stufe der Vollkommenheit erheben. Wer daher die wirkliche Bedeutung der śāstras versteht, befindet sich in einer glücklichen Lage.
Das Ablehnen der Prinzipien, durch die man den Höchsten Persönlichen Gott erkennen kann, ist die Ursache für die fortschreitende Entartung der menschlichen Gesellschaft. Dieses Ablehnen ist das größte Vergehen des menschlichen Lebens. Deshalb bereitet uns māyā, die materielle Energie des Höchsten Persönlichen Gottes, in Form der dreifachen Leiden ständig Schwierigkeiten. Diese materielle Energie setzt sich aus den drei Erscheinungsweisen der materiellen Natur zusammen. Man muß sich wenigstens zur Erscheinungsweise der Reinheit erheben, bevor es möglich ist, den Höchsten Persönlichen Gott zu verstehen. Ohne sich zur Ebene der Erscheinungsweise der Reinheit zu erheben, bleibt man in Unwissenheit und Leidenschaft, die die Ursachen des dämonischen Lebens sind. Diejenigen, die sich in den Erscheinungsweisen der Leidenschaft und Unwissenheit befinden, verspotten die Schriften, die Heiligen und das richtige Verständnis vom geistigen Meister und kümmern sich nicht um die Regulierungen der Schriften. Obwohl sie von den Herrlichkeiten des hingebungsvollen Dienens hören, fühlen sie sich nicht dazu hingezogen. Daher fabrizieren sie sich ihren eigenen Weg zur spirituellen Erhebung. Dies sind einige der Fehler der menschlichen Gesellschaft, die zum dämonischen Leben führen. Wenn ein Mensch jedoch das Glück hat, von einem echten geistigen Meister auf den Pfad der Erhebung, das heißt auf eine höhere Ebene geführt zu werden, wird sein Leben erfolgreich sein.
So enden die Erklärungen Bhaktivedantas zum Sechzehnten Kapitel der
Śrīmad-Bhagavad-gītā, genannt „Die göttlichen und die dämonischen Naturen“.
Bhagavad-gītā (1. Auflage 1974): [PDF] (60 MB, Bilder, Sanskrit, Lesezeichen)
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