Original 1. Auflage 1974 - von A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupāda
- Bhagavad-gītā - Wie Sie Ist -
EINLEITUNG
om ajñāna-timirāndhasya jñānāñjana-śalākayā
cakṣur unmīlitam yena tasmai śrī-gurave namaḥ
śrī-caitanya-mano ’bhīṣṭam sthāpitam yena bhū-tale
svayaṁ rūpaḥ kadā mahyaṁ dadāti sva-padāntikam
Ich wurde in dunkelster Unwissenheit geboren, doch mein geistiger Meister öffnete mir die Augen mit der Fackel der Erkenntnis. Ich bringe ihm meine respektvollen Ehrerbietungen dar.
Wann wird Śrīla Rūpa Gosvāmī Prabhupāda, der in der materiellen Welt den Auftrag gab, den Wunsch Śrī Caitanyas zu erfüllen, mir unter seinen Lotusfüßen Zuflucht gewähren?
vande ’ham śrī-guroḥ śrī-yuta-pada-kamalaṁ śrī-gurūn vaiṣṇavāṁś ca
śrī-rūpaṁ sāgrajātaṁ saha-gaṇa-raghunāthānvitaṁ taṁ sa-jīvam
sādvaitaṁ sāvadhūtam parījana-sahitaṁ kṛṣṇa-caitanya-devaṁ
śrī-rādhā-kṛṣṇa-pādān saha-gaṇa-lalitā-śrī-viśākhānvitāṁś ca
Ich bringe meine respektvollen Ehrerbietungen den Lotusfüßen meines geistigen Meisters und den Lotusfüßen aller Vaiṣṇavas dar. Ich bringe meine respektvollen Ehrerbietungen den Lotusfüßen Śrīla Rūpa Gosvāmīs dar und mit ihm seinem älteren Bruder Sanātana Gosvāmī, wie auch Raghunātha Dāsa und Raghunātha Bhaṭṭa, Gopāla Bhaṭṭa und Śrīla Jīva Gosvāmī. Ich bringe meine respektvollen Ehrerbietungen Śrī Kṛṣṇa Caitanya und Śrī Nityānanda sowie Advaita Ācārya, Gadādhara, Śrīvāsa und anderen Beigesellten dar. Ich bringe meine respektvollen Ehrerbietungen Śrīmatī Rādhārāṇi und Śrī Kṛṣṇa und ihren vertrauten Gefährtinnen Śrī Lalitā und Visākhā dar.
he kṛṣṇa karunā-sindho dīna-bandho jagat-pate
gopeśa gopikā-kānta rādhā-kānta namo ’stu te
O mein lieber Kṛṣṇa, Du bist der Freund der Notleidenden und die Quelle der Schöpfung. Du bist der Herr der gopīs und der Geliebte Rādhārāṇīs. Ich bringe Dir meine respektvollen Ehrerbietungen dar.
tapta-kāñcana-gaurāṅgī rādhe vṛndāvaneśvari
vṛṣabhānu-sute devī praṇamāmi hari-priye
Ich bringe meine respektvollen Ehrerbietungen Rādhārāṇī dar, der Königin von Vṛndāvana, deren Gestalt wie geschmolzenes Gold erstrahlt. Du bist die Tochter König Vṛṣabhānus, und Du bist Śrī Kṛṣṇa sehr lieb.
vāñchā-kalpatarubhyaś ca kṛpā-sindhubhya eva ca
patitānāṁ pāvanebhyo vaiṣṇavebhyo namo namaḥ
Ich bringe meine respektvollen Ehrerbietungen allen Vaiṣṇava-Geweihten des Herrn dar, die wie Wunschbäume die Wünsche eines jeden erfüllen können und die voller Mitleid mit den gefallenen Seelen sind.
śrī kṛṣṇa caitanya prabhu nityānanda
śrī advaita gadādhara śrīvāsādi-gaura-bhakta-vṛnda
Ich bringe meine respektvollen Ehrerbietungen Śrī Kṛṣṇa Caitanya, Prabhu Nityānanda, Śrī Advaita, Gadādhara und Śrīvāsa dar und allen, die sich in der Nachfolge derer befinden, die in Hingabe dienen.
hare kṛṣṇa, hare kṛṣṇa, kṛṣṇa kṛṣṇa, hare hare
hare rāma, hare rāma, rāma rāma, hare hare
Die Bhagavad-gītā ist auch als Gītopaniṣad bekannt. Sie ist die Essenz des vedischen Wissens und eine der wichtigsten Upanīṣaden der vedischen Literatur. Es gibt bereits viele Kommentare zur Bhagavad-gītā, und man mag sich daher fragen, warum noch ein weiterer Kommentar notwendig sei. Der Druck der vorliegenden Ausgabe läßt sich folgendermaßen erklären: kürzlich bat mich eine Dame in Amerika, ihr eine englische Übersetzung der Bhagavad-gītā zu empfehlen. Natürlich gibt es in Amerika sehr viele englische Ausgaben der Bhagavad-gītā, doch von keiner, die ich – nicht nur in Amerika, sondern auch in Indien – gesehen habe, kann man sagen, sie sei autoritativ, denn in fast jeder hat der Verfasser in seinem Kommentar seine persönliche Meinung zum Ausdruck gebracht, ohne dabei dem Geist der Bhagavad-gītā, wie sie ist, auch nur annähernd gerecht zu werden.
Der wahre Geist der Bhagavad-gītā wird in der Bhagavad-gītā selbst deutlich. Dies mag ein Beispiel erläutern: wenn wir eine bestimmte Medizin einnehmen wollen, müssen wir den Anweisungen folgen, die auf dem Etikett gegeben werden. Wir können die Medizin nicht nach unserem Gutdünken oder nach den Ratschlägen eines Freundes einnehmen, sondern müssen den Anweisungen auf dem Etikett oder der Verordnung eines Arztes folgen. In ähnlicher Weise sollte die Bhagavad-gītā so studiert oder akzeptiert werden, wie es ihr Sprecher selbst bestimmt. Der Sprecher der Bhagavad-gītā ist Śrī Kṛṣṇa. Er wird auf jeder Seite der Bhagavad-gītā als der Höchste Persönliche Gott, als Bhagavān, erwähnt. Natürlich bezieht sich das Wort „bhagavān“ manchmal auch auf ein mächtiges Wesen oder einen mächtigen Halbgott, und zweifellos bezeichnet es hier Śrī Kṛṣṇa als große Persönlichkeit, doch wir sollten auch wissen, daß Śrī Kṛṣṇa der Höchste Persönliche Gott ist, wie es von allen großen ācāryas (geistigen Meistern) wie Śaṅkarācārya, Rāmānujācārya, Madhvācārya, Nimbārka Svāmī, Śrī Caitanya Mahāprabhu und vielen anderen Autoritäten des vedischen Wissens in Indien bestätigt wird. Der Herr Selbst offenbart Sich in der Bhagavad-gītā als der Höchste Persönliche Gott, und als solcher wird Er auch in der Brahma-saṁhitā und allen Purāṇas anerkannt – besonders im Śrīmad-Bhāgavatam, das auch als Bhāgavata Purāṇa bekannt ist (Kṛṣṇas tu bhagavān svayam). Daher sollten wir, wenn wir die Bhagavad-gītā, wie sie ist, verstehen wollen, den Anweisungen des Höchsten Persönlichen Gottes folgen:
śrī bhagavān uvāca
imaṁ vivasvate yogaṁ
proktavān aham avyayam
vivasvān manave prāha
manur ikṣvākave ’bravīt
evaṁ paramparā-prāptam
imaṁ rājarṣayo viduḥ
sa kāleneha mahatā
yogo naṣṭaḥ parantapa
sa evāyaṁ māyā te ’dya
yogaḥ purātanaḥ
bhakto ’si me sakhā ceti
rahasyaṁ hy etad uttamam
„Der Höchste Herr sagte: Ich unterwies den Sonnengott Vivasvān in der unvergänglichen Wissenschaft des yoga; Vivasvān unterwies Manu, den Vater der Menschheit darin, und Manu wiederum gab dieses Wissen an Ikṣvāku weiter.
Diese höchste Wissenschaft wurde so durch die Nachfolge der geistigen Meister weitergegeben, und die heiligen Könige empfingen sie auf diese Weise. Im Laufe der Zeit aber wurde die Nachfolge unterbrochen, und daher scheint nun die Wissenschaft, wie sie ist, verloren zu sein.
Diese uralte Wissenschaft von der Beziehung zum Höchsten wird dir heute von Mir verkündet, weil du Mein Geweihter und Freund bist; aus diesem Grunde kannst du das transzendentale Geheimnis dieser Wissenschaft verstehen.“ (Bg. 4.1–3):
Der Herr erklärt Arjuna, daß Er ihm dieses größte aller Geheimnisse enthülle, weil er Sein Geweihter und Freund sei. Das bedeutet, daß die Bhagavad-gītā vor allem für den Gottgeweihten bestimmt ist. Es gibt drei Arten von Transzendentalisten: den jñānī, den yogī und den bhakta, das heißt den Unpersönlichkeitsanhänger, den Meditierenden und den Gottgeweihten. Kṛṣṇa erklärt Arjuna hier, daß Er ihn zum ersten Schüler einer neuen paramparā (Nachfolge der geistigen Meister) mache, weil die alte unterbrochen sei. Der Herr wollte deshalb eine weitere paramparā im Sinne derjenigen gründen, die vom Sonnengott herabgekommen war, und es war Sein Wunsch, daß Seine Lehre von Arjuna von neuem verbreitet würde. Er wollte Arjuna zur maßgebenden Autorität machen. Arjuna wurde also nur in den Lehren der Bhagavad-gītā unterwiesen, weil er ein Geweihter des Herrn, ein direkter Schüler Kṛṣṇas und Sein vertrauter Freund war. Daher wird die Bhagavad-gītā am besten von einem Menschen verstanden, der ähnliche Eigenschaften wie Arjuna besitzt. Das bedeutet, daß man ein Gottgeweihter sein und eine direkte Beziehung zum Herrn haben muß. Sobald man ein Geweihter des Herrn wird, hat man auch eine direkte Beziehung zum Herrn. Dies ist ein sehr umfangreiches und schwieriges Thema, doch in Kürze läßt sich sagen, daß ein Geweihter zum Höchsten Persönlichen Gott eine der fünf hier aufgeführten Beziehungen hat:
1. Er kann eine passive Beziehung haben;
2. er kann eine aktive Beziehung haben;
3. er kann eine Beziehung als Freund haben;
4. er kann eine Beziehung als Vater oder Mutter haben;
5. er kann eine Beziehung als vertraute Geliebte haben.
Arjuna hatte zum Herrn die Beziehung eines Freundes. Natürlich besteht zwischen einer solchen Freundschaft und der Freundschaft, die man in der materiellen Welt findet, ein gewaltiger Unterschied –, denn diese Freundschaft ist transzendental und daher nicht jedem zugänglich. Jeder hat eine ihm eigene Beziehung zum Herrn, und diese Beziehung wird durch hingebungsvolles Dienen wiedererweckt; doch im jetzigen Zustand unseres Lebens haben wir nicht nur den Höchsten Herrn vergessen, sondern auch unsere ewige Beziehung zu Ihm. Jedes einzelne der Billionen und Trillionen von Lebewesen hat ewiglich eine bestimmte Beziehung zum Herrn, die svarūpa genannt wird. Durch den Vorgang des hingebungsvollen Dienens kann man diese svarūpa wiederbeleben, und diese Stufe wird svarūpa-sīddhi genannt – die Vollkommenheit der wesenseigenen Position. Arjuna war ein Gottgeweihter und durch Freundschaft mit dem Höchsten Herrn verbunden.
Man sollte beachten, in welcher Weise Arjuna die Bhagavad-gītā aufnahm. Das Zehnte Kapitel beschreibt dies:
arjuna uvāca
paraṁ brahma paraṁ dhāma
pavitraṁ paramaṁ bhavān
puruṣaṁ śāśvataṁ divyam
ādi-devam ajaṁ vibhum
āhus tvām ṛṣayaḥ sarve
devarṣīr nāradas tathā
asito devalo vyāsaḥ
svayaṁ caiva bravīṣi me
sarvam etad ṛtaṁ manye
yan māṁ vadasi keśava
na hi te bhagavan vyaktiṁ
vidur devā na dānavāḥ
„Arjuna sagte: Du bist das Höchste Brahman, das Endgültige, das Höchste Reich und der Alles-Reinigende, die Absolute Wahrheit und die Ewige Göttliche Person. Du bist der urerste Gott, transzendental und ursprünglich, und Du bist die ungeborene und alldurchdringende Schönheit. Alle großen Weisen wie Nārada, Asita, Devala und Vyāsa verkünden dies von Dir, und nun erklärst Du es mir Selbst. O Kṛṣṇa, alles, was Du zu mir gesprochen hast, akzeptiere ich als Wahrheit. Weder die Götter noch die Dämonen, o Herr, kennen Deine Persönlichkeit.“ (Bg. 10.12–14)
Nachdem Arjuna die Bhagavad-gītā vom Höchsten Persönlichen Gott vernommen hatte, akzeptierte er Kṛṣṇa als paraṁ brahma, als das Höchste Brahman. Jedes Lebewesen ist Brahman, doch das höchste Lebewesen, der Höchste Persönliche Gott, ist das Höchste Brahman. Paraṁ dhāma bedeutet, daß Er der höchste Ruheort allen Seins ist, pavritam, daß Er rein und unberührt von materieller Verunreinigung, puruṣam, daß Er der höchste Genießende, divyam, daß Er transzendental, ādi-devam, daß Er der Höchste Persönliche Gott, ajam, daß Er der Ungeborene und vibhum, daß Er der Größte, der Alldurchdringende ist.
Da Kṛṣṇa der Freund Arjunas war, könnte man nun denken, daß Arjuna Ihm all dies nur sage, um Ihm zu schmeicheln; doch um den Leser der Bhagavad-gītā von Zweifeln dieser Art zu befreien, erhärtet Arjuna diese Lobpreisungen im nächsten Vers, in dem er sagt, daß Kṛṣṇa nicht nur von ihm selbst als der Höchste Persönliche Gott akzeptiert werde, sondern auch von maßgebenden Autoritäten wie den Weisen Nārada, Asita, Devala, Vyāsadeva und anderen. Sie alle sind große Persönlichkeiten, die das vedische Wissen so verbreiten, wie es von allen ācāryas akzeptiert wird. Deshalb sagt Arjuna zu Kṛṣṇa, daß er alles, was Er sage, als ganz und gar vollkommen akzeptiere. Sarvam etat ṛtaṁ manye: „Alles, was Du sagst, akzeptiere ich als Wahrheit.“ Arjuna sagt auch, daß das Wesen des Herrn sehr schwer zu verstehen sei und daß selbst die großen Halbgötter nicht fähig seien, Ihn zu begreifen. Das bedeutet, daß der Herr nicht einmal von Persönlichkeiten erkannt werden kann, die auf einer höheren Ebene stehen als die Menschen. Wie kann also ein Mensch Kṛṣṇa verstehen, ohne Sein Geweihter zu werden?
Man sollte daher der Bhagavad-gītā in einem Geist der Hingabe begegnen. Man darf nicht glauben, man sei Kṛṣṇa ebenbürtig oder Kṛṣṇa sei eine gewöhnliche oder auch eine ganz außergewöhnliche Persönlichkeit. Nach den Aussagen der Bhagavad-gītā bzw. den Aussagen Arjunas – des Menschen, der die Bhagavad-gītā zu verstehen sucht – ist Śrī Kṛṣṇa, zumindest theoretisch, der Höchste Persönliche Gott. Wir sollten daher, zumindest theoretisch, Śrī Kṛṣṇa als den Höchsten Persönlichen Gott akzeptieren, denn nur in dieser hingebungsvollen Haltung können wir die Bhagavad-gītā verstehen. Solange man die Bhagavad-gītā nicht in einer hingebungsvollen Haltung liest, ist es sehr schwierig, die Bhagavad-gītā zu verstehen, denn sie ist ein großes Geheimnis.
Was ist die Bhagavad-gītā nun eigentlich? Es ist das Ziel der Bhagavad-gītā, die Menschheit aus der Unwissenheit des materiellen Daseins zu befreien. In gewisser Weise gleichen wir alle Arjuna, der sich in einer schwierigen Lage befand, als er in der Schlacht von Kurukṣetra kämpfen sollte. Arjuna gab sich Śrī Kṛṣṇa hin, und somit verkündete der Herr ihm die Bhagavad-gītā. Nicht nur Arjuna, sondern jeder von uns ist aufgrund des leidvollen materiellen Daseins voller Angst und Unruhe. Wir leben unsere jetzige Existenz in der Atmosphäre der Nichtexistenz; doch in Wirklichkeit sind wir nicht dazu bestimmt, von Nichtexistenz bedroht zu sein. Unsere Existenz ist ewig. Doch auf irgendeine Weise sind wir in asat geraten. Asat bedeutet „das, was nicht existiert“.
Von unzähligen leidenden Menschen gibt es nur wenige, die nach der Wahrheit suchen und daher die grundlegenden Fragen des menschlichen Lebens stellen: „Wer bin ich? Warum bin ich in diese unangenehme Lage geraten?“ usw. Solange man nicht fragt, warum man leiden muß, und solange man nicht erkennt, daß man eigentlich nicht leiden will, sondern versuchen muß, eine Lösung für alle Leiden zu finden, kann man nicht als Mensch gelten.
Menschsein beginnt, wenn diese Fragen in unserem Geist erwacht sind. Im Brahma-sūtra werden Fragen dieser Art „brahma-jijñāsā“ genannt. Jede Aktivität des Menschen muß als Fehlschlag betrachtet werden, solange er nicht nach dem Wesen des Absoluten forscht. Deshalb können diejenigen, die zu fragen beginnen, warum sie leiden, woher sie gekommen sind und wohin sie nach dem Tode gehen werden, die Bhagavad-gītā verstehen. Auch sollte der ernsthafte Schüler eine unerschütterliche Ehrfurcht vor dem Höchsten Persönlichen Gott haben. Solch ein Schüler war Arjuna.
Wenn die Menschheit das wirkliche Ziel des Lebens vergißt, kommt Śrī Kṛṣṇa aus der spirituellen Welt herab, um dieses Ziel wieder festzulegen. Doch selbst dann gibt es unter den vielen erwachenden Menschen vielleicht nur einen, der sein wirkliches Wesen zu verstehen beginnt, und für ihn wurde diese Bhagavad-gītā gesprochen. Wir alle werden vom Tiger der Unwissenheit verfolgt, doch der Herr ist den Lebewesen gegenüber sehr barmherzig, besonders den Menschen gegenüber; deshalb sprach Er die Bhagavad-gītā und machte Seinen Freund Arjuna zu Seinem Schüler.
Als ewiger Gefährte Kṛṣṇas befand sich Arjuna jenseits aller Unwissenheit. Doch auf dem Schlachtfeld von Kurukṣetra wurde Arjuna in Unwissenheit versetzt, um Śrī Kṛṣṇa Fragen über die Probleme des Lebens stellen zu können, so daß der Herr sie zum Wohl der zukünftigen Generationen erklären und so den Pfad der Selbstverwirklichung darlegen konnte. Erst wenn die Menschen nach diesen Unterweisungen handeln, können sie den Sinn des menschlichen Lebens erfüllen.
In der Bhagavad-gītā sind fünf grundlegende Wahrheiten enthalten. Als erstes wird die Wissenschaft von Gott erläutert und daraufhin die wesenseigene Position der Lebewesen (jīvas). Es gibt īśvara (den Kontrollierenden) und die jīvas (die Lebewesen), die kontrolliert werden. Wenn ein Lebewesen behauptet, es werde nicht kontrolliert, sondern sei frei, muß es als wahnsinnig angesehen werden. Das Lebewesen wird in jeder Hinsicht kontrolliert, zumindest in seinem bedingten Leben. Die Bhagavad-gītā handelt also hauptsächlich von īśvara, dem höchsten Kontrollierenden, und von den jīvas, den kontrollierten Lebewesen. Prakṛti (die materielle Natur), kāla (die Zeit, das heißt die Dauer der Existenz des gesamten Universums bzw. der Manifestation der materiellen Natur) und karma (Aktivität) werden ebenfalls erörtert. Die gesamte kosmische Manifestation wird von den verschiedensten Aktivitäten erfüllt, denn alle Lebewesen sind aktiv. Von der Bhagavad-gītā müssen wir lernen, was Gott ist, was die Lebewesen sind, was die materielle Natur ist, wie sie durch die Zeit kontrolliert wird, und wie die Aktivitäten der Lebewesen beschaffen sind.
Aus diesen fünf grundlegenden Punkten der Bhagavad-gītā wird ersichtlich, daß der Höchste Gott bzw. Kṛṣṇa, Brahman, der höchste Kontrollierende oder Paramātmā – wie immer man Ihn auch nennen mag – der Größte von allen ist. Die Lebewesen sind der Qualität nach mit dem höchsten Kontrollierenden eins. Wie in den später folgenden Kapiteln der Bhagavad-gītā erklärt wird, kontrolliert der Herr zum Beispiel die universalen Geschehnisse, die materielle Natur und die Zeit. Die materielle Natur ist nicht unabhängig, sondern handelt nach den Anweisungen des Höchsten Herrn. Wie Śrī Kṛṣṇa sagt: „Prakṛti ist unter Meiner Führung aktiv.“ Wenn wir herrliche Dinge in der kosmischen Natur beobachten, sollten wir wissen, daß hinter dieser kosmischen Manifestation ein Kontrollierender steht. Nichts könnte sich manifestieren, ohne kontrolliert zu werden. Es ist kindisch, die Existenz des Kontrollierenden zu leugnen. Ein Kind zum Beispiel mag denken, ein Auto sei etwas Wunderbares, weil es fahren kann, ohne von einem Pferd oder einem anderen Tier gezogen zu werden; doch ein vernünftiger Mensch weiß, wie das Auto angetrieben wird und daß sich hinter dieser Maschinerie ein Mensch, ein Fahrer, befindet. In ähnlicher Weise ist auch der Höchste Herr ein Lenker, nach dessen Anweisungen alles geschieht. Der Herr sagt in der Bhagavad-gītā, daß die jīvas (die Lebewesen) Seine Bestandteile seien. Auch ein Körnchen von Gold ist Gold, und ein Tropfen Wasser aus dem Ozean ist ebenfalls salzig, und dementsprechend haben auch wir, die Lebewesen, als Bestandteile des höchsten Kontrollierenden (īśvaras, Bhagavāns oder Śrī Kṛṣṇas) alle Eigenschaften des Höchsten Herrn in winzigem Ausmaß, denn wir sind nur winzige īśvaras, untergeordnete īśvaras. Wir versuchen, die Natur und, in neuester Zeit, auch den Weltraum und andere Planeten zu kontrollieren. Diese Neigung zu kontrollieren ist in uns, weil sie in Kṛṣṇa ist. Doch obwohl wir das Verlangen haben, die materielle Natur zu beherrschen, sollten wir erkennen, daß wir keineswegs der höchste Kontrollierende sind. Dies wird in der Bhagavad-gītā erklärt.
Was ist die materielle Natur? Sie wird in der Gītā als niedere prakṛti, als niedere Natur erklärt. Die Lebewesen sind von höherer prakṛti. Prakṛti, ob nun von niederer oder höherer Natur, wird immer kontrolliert. Prakṛti ist weiblich und wird vom Herrn kontrolliert, genau wie die Aktivitäten der Frau vom Ehemann kontrolliert werden. Prakṛti ist immer untergeordnet und wird vom Herrn, dem höchsten Herrscher, beherrscht. Die Lebewesen und die materielle Natur werden also beide vom Höchsten Herrn beherrscht und kontrolliert. In der Bhagavad-gītā werden die Lebewesen, obgleich sie Bestandteile des Höchsten Herrn sind, als prakṛti beschrieben. Dies wird im fünften Vers des Siebten Kapitels der Bhagavad-gītā deutlich: apareyam itas tv anyām. „Diese prakṛti ist Meine niedere Natur.“ Und weiter: prakṛtiṁ viddhi me parām jīva-bhūtām mahā-bāho yayedaṁ dhāryate jagat. „Und darüber hinaus gibt es eine andere prakṛti – jīva bhūtām – das Lebewesen.“
Prakṛti besteht aus drei Erscheinungsweisen: der Erscheinungsweise der Reinheit, der Erscheinungsweise der Leidenschaft und der Erscheinungsweise der Unwissenheit. Über diesen Erscheinungsweisen befindet sich kāla, die ewige Zeit, und durch eine Kombination dieser Erscheinungsweisen der Natur und unter der Kontrolle und Aufsicht der ewigen Zeit führt das Lebewesen Aktivitäten aus, die karma genannt werden. Diese Aktivitäten werden schon seit Beginn des materiellen Daseins ausgeführt, und daher erleiden oder genießen wir die Früchte unserer Aktivitäten seit unvordenklichen Zeiten. Nehmen wir zum Beispiel an, ich wäre ein Geschäftsmann und hätte sehr schwer gearbeitet und daher sehr viel Geld angehäuft – dann könnte ich genießen. Wenn ich dagegen all mein Geld bei Geschäften verlöre, wäre ich der Leidtragende. In ähnlicher Weise genießen oder erleiden wir bei all unseren Handlungen die Ergebnisse unseres Tuns. Das wird karma genannt.
Īśvara (der Höchste Herr), jīva (das Lebewesen), prakṛti (die Natur), kāla (die ewige Zeit) und karma (Aktivität) werden in der Bhagavad-gītā erklärt. Von diesen fünf sind der Herr, die Lebewesen, die materielle Natur und die Zeit ewig. Die Manifestation der prakṛti mag zwar zeitweilig sein, doch sie ist nicht falsch. Einige Philosophen behaupten, die Manifestation der materiellen Natur sei falsch; doch nach der Philosophie der Bhagavad-gītā, der Philosophie der Vaiṣṇavas, ist dies nicht der Fall. Die Manifestation der Welt wird nicht als falsch angesehen, sondern als wirklich – wenn auch nur als vorübergehend. Sie ist wie eine Wolke, die am Himmel vorüberzieht, oder wie das Eintreten der Regenzeit, die die Pflanzen wachsen läßt. Sobald die Regenzeit vorüber ist und die Wolke verschwindet vertrocknen die Pflanzen, die vom Regen genährt wurden. Und so entsteht auch die materielle Manifestation in gewissen Zeitabständen, besteht für eine Weile und verschwindet daraufhin wieder. Dieser Kreislauf findet ewiglich statt, und deshalb ist prakṛti ewig; sie ist nicht falsch. Der Herr nennt sie: „Meine prakṛti.“ Die materielle Natur ist die abgesonderte Energie des Höchsten Herrn, und auch die Lebewesen sind eine Energie des Höchsten; doch sie sind nicht von Ihm getrennt – sie sind ewiglich mit Ihm verbunden. Der Herr, das Lebewesen, die materielle Natur und die Zeit sind miteinander verbunden, und sie alle sind ewig; karma hingegen ist nicht ewig. Die Auswirkungen des karma können noch aus Handlungen längst vergangener Leben stammen. Wir erleiden oder genießen die Ergebnisse von Aktivitäten, die wir vor unvordenklichen Zeiten ausgeführt haben; doch wir können die Ergebnisse unseres karma (unserer Aktivität) verändern, und diese Veränderung hängt von der Vollkommenheit unseres Wissens ab. Wir gehen den unterschiedlichsten Aktivitäten nach, doch zweifellos wissen wir nicht, was wir tun sollen, um von den Aktionen und Reaktionen all dieser Aktivitäten befreit zu werden. Aus diesem Grund gibt uns die Bhagavad-gītā Anweisungen, auf welche Weise wir handeln sollen.
Īśvara ist das höchste Bewußtsein. Da die jīvas (die Lebewesen) Bestandteile des Höchsten Herrn sind, haben auch sie ein Bewußtsein. Sowohl das Lebewesen als auch die materielle Natur werden als prakṛti, als die Energie des Höchsten Herrn, erklärt, aber eine von beiden, die jīva, hat ein Bewußtsein. Die andere prakṛti hingegen hat kein Bewußtsein – darin besteht der Unterschied. Da das Lebewesen ein Bewußtsein hat, das dem des Herrn ähnlich ist, bezeichnet man die jīva-prakṛti als die höhere Energie. Das Bewußtsein des Herrn jedoch ist das höchste, und daher sollte man niemals behaupten, das Bewußtsein der jīva, des Lebewesens, befinde sich auf der gleichen Ebene. Die Lebewesen können auf keiner Stufe ihrer spirituellen Verwirklichung das höchste Bewußtsein erreichen, und eine Lehre, die das Gegenteil behauptet, ist eine Irrlehre. Die jīva hat zwar ein Bewußtsein, aber weder ein vollkommenes noch ein vollständiges.
Der Unterschied zwischen jīva und īśvara wird Gegenstand des Dreizehnten Kapitels der Bhagavad-gītā sein. Der Herr und auch das Lebewesen sind kṣetrajnaḥ, das heißt, sie haben ein Bewußtsein; doch das Lebewesen ist sich nur seines jeweiligen Körpers bewußt, während Sich der Herr aller Körper bewußt ist. Weil Er im Herzen jedes Lebewesens weilt, ist Er Sich über die psychische Verfassung jeder einzelnen jīva bewußt. Wir sollten diese Tatsache nicht vergessen. Es wird auch erklärt, daß der Paramātmā, der Höchste Persönliche Gott, in jedem Herzen als īśvara, als der Kontrollierende, weilt und daß Er dem Lebewesen Anweisungen gibt, wie es seine Begehren befriedigen kann; denn das Lebewesen vergißt, was es tun sollte. Zuerst entschließt es sich, auf eine bestimmte Art und Weise zu handeln und wird daraufhin in die Aktionen und Reaktionen dieser Handlung verstrickt. Nachdem es den einen Körper aufgegeben hat, geht es in einen anderen Körper ein, ähnlich wie man alte Kleider ablegt und neue anlegt. Die Seele erleidet, während sie auf diese Weise von einem Körper zum anderen wandert, die Aktionen und Reaktionen ihrer vergangenen Aktivitäten. Diese Aktivitäten können geändert werden, wenn sich das Lebewesen in der Erscheinungsweise der Reinheit befindet, das heißt, wenn sein Geist geklärt ist und es versteht, welche Aktivitäten es ausführen sollte. Wenn es in diesem Sinne handelt, können alle Aktionen und Reaktionen auf vergangene Aktivitäten umgewandelt werden. Karma ist also nicht ewig. Deshalb stellten wir auch zuvor fest, daß īśvara, jīva, prakṛti und kāla ewig sind, wohingegen karma zeitweilig ist.
Der Sich über alles bewußte īśvara ähnelt dem Lebewesen insofern, als sowohl das Bewußtsein des Herrn wie auch das des Lebewesens transzendental ist. Bewußtsein wird nicht durch eine Verbindung materieller Elemente erzeugt – diese Vorstellung ist falsch. Die Theorie, daß sich Bewußtsein unter bestimmten Umständen aus materiellen Verbindungen entwickelt, wird von der Bhagavad-gītā nicht akzeptiert. Bewußtsein wird pervertiert reflektiert, wenn es von Materie bedeckt ist, so wie auch Licht, das sich in farbigem Glas bricht, von bestimmter Farbe zu sein scheint. Das Bewußtsein des Herrn hingegen wird niemals von Materie berührt. Śrī Kṛṣṇa sagt: mayādhyakṣeṇa prakṛtiḥ. „Die materielle Natur ist unter Meiner Führung aktiv.“ Wenn der Herr in die materielle Welt herabsteigt, wird Sein Bewußtsein von der Materie nicht berührt. Würde Er davon beeinflußt werden, wäre Er unfähig, über die Transzendenz zu sprechen, wie Er es in der Bhagavad-gītā tut. Man kann nichts über die transzendentale Welt aussagen, solange man nicht vom materiell verunreinigten Bewußtsein völlig frei ist. Der Herr wird also nicht von der Materie verunreinigt. Unser Bewußtsein jedoch ist gegenwärtig von der Materie verunreinigt. Die Bhagavad-gītā lehrt, daß wir dieses materiell befleckte Bewußtsein reinigen müssen. Wenn unser Bewußtsein gereinigt ist, werden unsere Handlungen mit dem Willen īśvaras in Einklang stehen, und wir werden glücklich werden. Es ist keinesfalls richtig, daß wir mit allen Aktivitäten aufhören sollen. Unsere Aktivitäten müssen vielmehr gereinigt werden, und solche gereinigten Aktivitäten werden bhakti genannt. Aktivitäten, die in bhakti verrichtet werden, scheinen zwar gewöhnliche Aktivitäten zu sein, doch sie sind nicht verunreinigt. Einem unwissenden Menschen mag es zwar so vorkommen, als handele und arbeite ein Gottgeweihter genau wie ein gewöhnlicher Mensch, doch solch ein Mensch mit geringem Wissen weiß nicht, daß die Aktivitäten des Gottgeweihten oder die des Herrn nicht durch unreines Bewußtsein oder Materie befleckt sind. Sie sind transzendental, das heißt, sie befinden sich jenseits der drei Erscheinungsweisen der materiellen Natur. Wir sollten jedoch wissen, daß unser Bewußtsein im augenblicklichen Zustand verunreinigt ist.
Wenn wir materiell verschmutzt sind, werden wir bedingt genannt. Falsches Bewußtsein entsteht, wenn man glaubt, ein Produkt der materiellen Natur zu sein. Diese Auffassung wird falsches Ich genannt. Wer sich mit seinen Gedanken auf der Ebene des Körpers befindet, kann seine wirkliche Situation nicht verstehen. Die Bhagavad-gītā wurde gesprochen, um die Menschen von der körperlichen Auffassung des Lebens zu befreien, und so übernahm Arjuna die Rolle des Schülers, um diese Unterweisungen vom Herrn empfangen zu können. Man muß von der körperlichen Auffassung des Lebens frei werden; das ist der erste Schritt des Transzendentalisten. Wer frei werden will, muß als erstes lernen, daß der materielle Körper nicht seine wahre Identität ist. Mukti oder Befreiung bedeutet, vom materiellen Bewußtsein frei zu sein. Auch im Śrīmad-Bhāgavatam wird die Definition von Befreiung gegeben. Mukti bedeutet Befreiung vom verunreinigten Bewußtsein der materiellen Welt und Verankertsein im reinen Bewußtsein. Alle Unterweisungen der Bhagavad-gītā haben das Ziel, dieses reine Bewußtsein zu erwecken, und daher fragt Kṛṣṇa am Ende Seiner Unterweisungen, ob Arjunas Bewußtsein nun gereinigt sei. Gereinigtes Bewußtsein bedeutet, in Übereinstimmung mit den Anweisungen des Höchsten Herrn zu handeln. Da wir Bestandteile des Herrn sind, haben auch wir Bewußtsein; doch wir neigen dazu, von den niederen Erscheinungsweisen beeinflußt zu werden. Der Herr jedoch wird, weil Er der Höchste ist, niemals von ihnen beeinflußt; das ist der Unterschied zwischen dem Höchsten Herrn und den bedingten Seelen.
Was versteht man unter diesem Bewußtsein? In diesem Bewußtsein denkt man, „Ich bin“. Und was bin ich? Im unreinen Bewußtsein bedeutet „Ich bin“: „Ich bin Herr über alles, was ich überblicken kann; ich bin der Genießer.“ Die Welt dreht sich, weil jedes Lebewesen sich selbst für den Herrn und Schöpfer der materiellen Welt hält. Im materiellen Bewußtsein herrschen zwei Vorstellungen. Die eine lautet, „Ich bin der Schöpfer“, und die andere, „Ich bin der Genießer“. Doch in Wirklichkeit ist der Höchste Herr sowohl der Schöpfer als auch der Genießende, und als Bestandteile des Höchsten Herrn sind die Lebewesen weder Schöpfer noch Genießer, sondern Mitwirkende. Sie sind erschaffen und werden genossen. Jedes Teil einer Maschine, zum Beispiel, arbeitet mit dem Gesamtmechanismus zusammen, und in ähnlicher Weise harmonisiert jedes Teil des Körpers mit dem gesamten Körper. Die Hände, Füße, Augen, Beine usw. sind Teile des Körpers, doch sie sind nicht die eigentlichen Genießer – der eigentliche Genießer ist der Magen. Die Beine bewegen sich, die Hände führen ihm Nahrung zu, die Zähne kauen usw., und so sind alle Teile des Körpers damit beschäftigt, den Magen zufriedenzustellen. Da der Magen der wichtigste Faktor für den körperlichen Aufbau ist, wird ihm alle Nahrung gegeben. Man nährt den Baum, indem man die Wurzel bewässert, und man nährt den Körper, indem man den Magen füllt. Wenn der Körper gesund bleiben soll, müssen die Teile des Körpers zusammenwirken, um den Magen mit Nahrung zu versorgen. In ähnlicher Weise ist der Höchste Herr der Genießende und Schöpfer, und wir, als untergeordnete Lebewesen, müssen zusammenwirken, um Ihn zufriedenzustellen. Diese Zusammenarbeit wird uns wirklich helfen – wie auch die Nahrung, die dem Magen gegeben wird, allen anderen Teilen des Körpers zugute kommt. Würden die Finger der Hand die Nahrung selbst aufnehmen wollen, anstatt sie dem Magen zuzuführen, würden sie bei ihrer Bemühung enttäuscht werden. Der Höchste Herr ist der Ursprung der gesamten Schöpfung und der Mittelpunkt aller Freude, und die Lebewesen sind dazu bestimmt zusammenzuwirken, um sich in der Zusammenarbeit zu erfreuen. Die Beziehung zum Höchsten Herrn gleicht der Beziehung des Dieners zum Meister. Wenn der Meister völlig zufriedengestellt ist, ist auch der Diener zufrieden. Daher sollte der Höchste Herr zufriedengestellt werden – auch wenn die Lebewesen die Neigung haben, selbst zum Schöpfer zu werden und die materielle Welt zu genießen. Diese Neigungen sind in den Lebewesen, weil auch der Höchste Herr, der die manifestierte kosmische Welt erschaffen hat, all diese Neigungen besitzt.
In der Bhagavad-gītā wird erklärt, daß sich das vollkommene Ganze aus dem höchsten Kontrollierenden, den kontrollierten Lebewesen, der kosmischen Manifestation, der ewigen Zeit und dem karma bzw. den Aktivitäten zusammensetzt. All dies zusammen bildet das vollkommene Ganze, und das vollkommene Ganze wird die Höchste Absolute Wahrheit genannt. Das vollkommene Ganze, die Höchste Absolute Wahrheit ist der Höchste Persönliche Gott, Śrī Kṛṣṇa. Alle Manifestationen haben ihren Ursprung in Seinen verschiedenen Energien. Er ist das vollkommene Ganze.
In der Gītā wird ebenfalls erklärt, daß auch das unpersönliche Brahman dem Vollkommenen untergeordnet ist. Eindeutiger noch wird das Brahman im Brahma-sūtra durch den Vergleich mit den Sonnenstrahlen erläutert. Das unpersönliche Brahman besteht aus den leuchtenden Strahlen des Höchsten Persönlichen Gottes. Die Erkenntnis des unpersönlichen Brahman und auch die Erkenntnis des Paramātmā ist nur eine unvollkommene Erkenntnis des Absoluten Ganzen. Wie wir aus dem Zwölften Kapitel ersehen können, befindet sich der Höchste Persönliche Gott, Puruṣottama, über der unpersönlichen Brahman-Erkenntnis und der Erkenntnis des Paramātmā. Der Höchste Persönliche Gott wird sac-cid-ānanda-vigraha genannt. Die Brahma-saṁhitā beginnt mit folgendem Vers:
īśvaraḥ paramaḥ kṛṣṇaḥ sac-cid-ānanda-vigrahaḥ
anādir ādir govindaḥ sarva-kāraṇa-kāraṇam.
„Kṛṣṇa ist die Ursache aller Ursachen. Er ist die urerste Ursache und Er ist die reine Gestalt ewigen Seins, ewigen Wissens und ewiger Glückseligkeit.“ (Bs. 5.1.)
Unpersönliche Brahman-Erkenntnis ist die Erkenntnis Seines sat (Ewigkeits-) Aspektes. Paramātmā-Erkenntnis ist die Erkenntnis des cit (ewigen Wissens-) Aspektes. Doch die Verwirklichung des Persönlichen Gottes, Kṛṣṇa, ist die Erkenntnis aller transzendentalen Aspekte: sat, cit und ānanda (Sein, Wissen und Glückseligkeit) in vollkommener vigraha (Gestalt).
Weniger intelligente Menschen glauben, die Höchste Wahrheit sei unpersönlich; doch Er ist eine transzendentale Person, und dies wird in allen vedischen Schriften bestätigt. Nityo nityānām cetanaś cetanānām. Wie wir alle individuelle Lebewesen sind und eine uns eigene Persönlichkeit besitzen, so ist auch die Höchste Absolute Wahrheit letztlich eine Person, und die Erkenntnis des Persönlichen Gottes bedeutet die Erkenntnis aller transzendentalen Aspekte. Das vollkommene Ganze ist nicht formlos. Wäre Er formlos oder weniger als irgend etwas in Seiner Schöpfung, könnte Er nicht das vollkommene Ganze sein. Das vollkommene Ganze muß alles beinhalten, was innerhalb und außerhalb unserer Erfahrung liegt, denn sonst wäre es nicht vollkommen. Das vollkommene Ganze, der Persönliche Gott, besitzt unermeßliche Energien.
Wie Kṛṣṇa durch verschiedene Energien wirkt, wird ebenfalls in der Bhagavad-gītā erklärt. Die Erscheinungswelt bzw. die materielle Welt, in der wir uns jetzt befinden, ist nach der sāṅkhya-Philosophie ebenfalls in sich selbst vollkommen, weil die vierundzwanzig Elemente, aus denen das materielle Universum vorübergehend manifestiert wird, völlig darauf abgestimmt sind, alle Mittel hervorzubringen, die zur Erhaltung und Versorgung des Universums notwendig sind. Nichts ist überflüssig, noch mangelt es an irgendwelchen Dingen. Diese Manifestation hat ihre eigene Zeit, die durch die Energie des höchsten Ganzen festgelegt ist, und wenn diese Zeit abgelaufen ist, werden die zeitweiligen Manifestationen durch die vollkommene Einrichtung des Vollkommenen aufgelöst. Den winzigen vollkommenen Teilen, den Lebewesen, sind vollkommene Möglichkeiten gegeben, den Vollkommenen zu erkennen, und alle Arten von Unvollkommenheit werden nur erfahren, weil das Wissen vom Vollkommenen unvollkommen ist. Die Bhagavad-gītā beinhaltet also das gesamte Wissen der vedischen Weisheit.
Das vedische Wissen ist unfehlbar und wird daher von den Hindus als vollkommen akzeptiert. Zum Beispiel ist der Dung der Kuh der Kot eines Tieres, und nach der smṛti (der vedischen Unterweisung) muß man, wenn man den Kot eines Tieres berührt hat, ein Bad nehmen, um sich zu reinigen. In den vedischen Schriften wird nun aber gesagt, daß der Dung der Kuh eine reinigende Wirkung hat. Man mag denken, dies sei ein Widerspruch, doch diese Aussage wird als Wahrheit akzeptiert, weil es eine vedische Unterweisung ist. Wenn man die Veden auf diese Art und Weise akzeptiert, wird man keinen Fehler begehen. In jüngster Zeit hat sogar die moderne Wissenschaft herausgefunden, daß im Dung der Kuh alle antiseptischen Eigenschaften enthalten sind. Das vedische Wissen ist also vollkommen, denn es ist über alle Zweifel und Fehler erhaben. Die Bhagavad-gītā ist die Essenz des gesamten vedischen Wissens.
Vedisches Wissen hat nichts mit Forschung zu tun. Unsere Forschungsarbeit ist immer unvollkommen, weil wir die Dinge nur mit unseren unvollkommenen Sinnen untersuchen. Wie in der Bhagavad-gītā gesagt wird, müssen wir das vollkommene Wissen akzeptieren, das uns durch die guru paramparā (die Nachfolge der geistigen Meister) überliefert wird. Wir müssen Wissen aus der richtigen Quelle, das heißt von der Nachfolge der geistigen Meister empfangen, die mit dem höchsten geistigen Meister, dem Herrn Selbst, beginnt. Arjuna, der von Kṛṣṇa unterwiesen wird, akzeptiert alles, was der Herr sagt, ohne Ihm zu widersprechen. Man darf nicht den Fehler begehen, einen Teil der Bhagavad-gītā zu akzeptieren und einen anderen abzulehnen. Wir müssen die Bhagavad-gītā vielmehr akzeptieren, wie sie ist, ohne sie nach unserem Gutdünken auszulegen oder etwas auszulassen. Die Gītā muß als die Essenz des vedischen Wissens angesehen werden. Das vedische Wissen wird aus transzendentalen Quellen empfangen, und die ersten Worte wurden vom Herrn Selbst gesprochen. Die Worte, die von Gott gesprochen werden, unterscheiden sich von denen, die von einem Menschen der irdischen Welt geäußert werden, denn dieser ist vier Unvollkommenheiten unterworfen: (1) er begeht mit Sicherheit Fehler; (2) er hat unvermeidlich falsche Vorstellungen; (3) er hat die Neigung, andere zu betrügen, und (4) er ist durch unvollkommene Sinne beschränkt. Aufgrund dieser vier Unvollkommenheiten kann man kein allumfassendes Wissen vermitteln.
Das vedische Wissen wird jedoch nicht von solch unvollkommenen Lebewesen überliefert. Es wurde dem Herzen Brahmās, des zuerst erschaffenen Lebewesens, offenbart, und Brahmā gab dieses Wissen an seine Söhne und Schüler so weiter, wie er es ursprünglich vom Herrn empfangen hatte. Der Herr ist pūrṇam, in jeder Beziehung vollkommen, und daher ist Er niemals den Gesetzen der materiellen Natur unterworfen. Man sollte deshalb intelligent genug sein zu erkennen, daß der Herr der einzige Besitzer aller Dinge im Universum und der ursprüngliche Schöpfer – und somit auch der Schöpfer Brahmās – ist. Weil Brahmā als pitāmahaḥ (Großvater) bezeichnet wird, wird der Herr im Elften Kapitel als prapitāmahaḥ angesprochen, denn Er ist der Schöpfer des Großvaters. Niemand sollte also behaupten, irgendetwas zu besitzen. Man darf nur die Dinge annehmen, die einem zur Erhaltung des Körpers von Gott zur Verfügung gestellt werden.
Es gibt viele Beispiele dafür, wie wir die Dinge verwenden sollen, die uns vom Herrn gegeben worden sind, und auch das wird in der Bhagavad-gītā erklärt. Arjuna wollte an der Schlacht von Kurukṣetra nicht teilnehmen. Er sagte zu Kṛṣṇa, es werde ihm nicht möglich sein, sich des Königreichs zu erfreuen, nachdem er seine Verwandten getötet habe. Diese Entscheidung beruhte auf der körperlichen Auffassung des Lebens, denn er hielt den Körper für das Selbst und glaubte daher, seine Brüder, Neffen, Schwäger und Großväter usw. seien sehr eng mit ihm verbunden. Auf diese Weise glaubte er, seine körperlichen Verlangen befriedigen zu können. Der Herr verkündete die Bhagavad-gītā, um diese Auffassung zu ändern, und am Ende der Unterweisungen entschloß sich Arjuna, unter der Führung des Herrn zu kämpfen. Er sagte: kariṣye vacanam tava. „Ich werde ganz nach Deinen Worten handeln.“ (Bg. 18.73)
Die Menschen sind nicht dazu bestimmt, sich in dieser Welt wie die Schweine abzuquälen. Sie müssen intelligent genug sein, die Bedeutung des menschlichen Lebens zu erkennen, und sich weigern, wie gewöhnliche Tiere zu handeln. Ein Mensch sollte das Ziel seines Lebens erkennen; diese Anweisung wird in allen vedischen Schriften gegeben – die Essenz finden wir in der Bhagavad-gītā. Die vedischen Schriften sind für Menschen und nicht für Tiere bestimmt. Tiere können andere Tiere töten und sündigen dabei nicht, doch wenn ein Mensch ein Tier zur Befriedigung seines unkontrollierten Gaumens tötet, bricht er die Gesetze der Natur und muß sich dafür verantworten. In der Bhagavad-gītā wird erklärt, daß es drei Arten von Aktivitäten gibt, die in Entsprechung zu den verschiedenen Erscheinungsweisen der materiellen Natur ausgeführt werden: Aktivitäten in Reinheit, in Leidenschaft und in Unwissenheit. In ähnlicher Weise gibt es auch drei Arten von Nahrungsmitteln: Nahrungsmittel in Reinheit, in Leidenschaft und in Unwissenheit. All dies wird eingehend erklärt, und wenn wir den Unterweisungen der Bhagavad-gītā folgen, wird unser Leben rein werden, so daß wir letztlich das Ziel erreichen werden, das sich jenseits der materiellen Welt befindet.
Dieses Ziel wird der sanātana-Himmel genannt, die ewige, spirituelle Welt. In der materiellen Welt ist alles zeitweilig: Etwas manifestiert sich, bleibt einige Zeit bestehen, pflanzt sich fort, schwindet allmählich dahin und vergeht schließlich. Das ist das Gesetz der materiellen Welt, und wir können es zum Beispiel an unserem Körper, einer Frucht oder irgend etwas anderem beobachten. Doch jenseits dieser zeitweiligen Welt gibt es eine andere Welt, von der wir Berichte und Beschreibungen haben. Diese Welt ist von anderer Natur: sie ist sanātana (ewig). Im Elften Kapitel werden die jīvas und der Herr ebenfalls als sanātana beschrieben. Wir haben eine vertraute Beziehung zum Herrn, und da wir alle qualitativ eins sind – das sanātana-dhāma (das ewige Reich), die sanātana-Höchste Person und die sanātana-Lebewesen – besteht der Sinn der Bhagavad-gītā darin, unsere sanātana-Aktivitäten, unser sanātana-dharma, wiederzubeleben – die ewigen Aktivitäten des Lebewesens. Wir sind vorübergehend mit verschiedenen Aktivitäten beschäftigt, doch sie alle können gereinigt werden, wenn wir alle zeitweiligen Aktivitäten aufgeben und nach den Unterweisungen des Höchsten Herrn handeln. Dann beginnt unser wirkliches, unser reines Leben.
Sowohl der Höchste Herr als auch Sein transzendentales Reich sind sanātana, und auch die Lebewesen sind unvergänglich. Die Vollkommenheit des menschlichen Lebens besteht darin, mit dem Höchsten Herrn in Seinem sanātana-Reich zusammenzusein. Der Herr ist den Lebewesen gegenüber sehr gütig, weil sie Seine Kinder sind. Śrī Kṛṣṇa erklärt in der Bhagavad-gītā: „Sarva yoniṣu . . . aham bīja-pradaḥ pitā.“ „Ich bin der Vater aller Lebewesen.“ Dem unterschiedlichen karma entsprechend, gibt es viele verschiedene Arten von Lebewesen, doch hier erklärt der Herr, daß Er der Vater aller ist. Daher steigt der Herr in die materielle Welt herab, um all diese gefallenen, bedingten Seelen zum sanātana-Reich zurückzurufen, so daß die sanātana-Lebewesen ihre sanātana-Position im ewigen Zusammensein mit dem Herrn wiedererlangen können. Der Herr kommt entweder Selbst in verschiedenen Inkarnationen oder sendet Seine vertrauten Diener als Söhne, oder Er schickt Seine Gefährten als ācāryas.
Sanātana-dharma ist deshalb keine sektiererische Religion. Es ist die ewige Aufgabe der ewigen Lebewesen in ihrer Beziehung zum ewigen Höchsten Herrn. Sanātana-dharma bezieht sich, wie schon gesagt wurde, auf die ewige Aktivität des Lebewesens. Rāmānujācārya hat das Wort sanātana erklärt als „das, was weder Anfang noch Ende hat“. Wenn wir also von sanātana-dharma sprechen, müssen wir aufgrund der Autorität Śrī Ramanujacaryas akzeptieren, daß es weder Anfang noch Ende hat.
Das Wort „Religion“ und der Begriff „sanātana-dharma“ sind nicht miteinander identisch. Religion vermittelt die Idee des Glaubens, und ein Glaube kann sich ändern. Ein Mensch mag sich zu einem bestimmten Glauben bekennen, doch er kann diesen Glauben wechseln und einen anderen Glauben annehmen – sanātana-dharma hingegen bezieht sich auf die Aktivität, die niemals gewechselt werden kann. Man kann zum Beispiel nicht die Flüssigkeit vom Wasser oder die Wärme vom Feuer trennen. In ähnlicher Weise kann auch die ewige Funktion des ewigen Lebewesens nicht vom Lebewesen getrennt werden. Sanātana-dharma ist also auf ewig mit dem Lebewesen verbunden. Wenn wir daher von sanātana-dharma sprechen, müssen wir aufgrund der Autorität Śrī Rāmānujācārjas akzeptieren, daß es weder Anfang noch Ende hat. Das, was weder Ende noch Anfang hat, kann auf keinen Fall sektiererisch sein, denn es kann durch keine Begrenzungen eingeschränkt werden. Dennoch werden diejenigen, die einem sektiererischen Glauben angehören, dieses sanātana-dharma fälschlich für sektiererisch halten; wenn wir es jedoch etwas eingehender betrachten und mit den Augen der modernen Wissenschaft sehen, werden wir erkennen können, daß sanātana-dharma die Aufgabe aller Menschen in der Welt ist – ja, sogar aller Lebewesen im Universum.
Ein Glaube, der nicht sanātana ist, kann in den Annalen der Menschheitsgeschichte seinen Anfang haben; doch sanātana-dharma hat keinen Anfang, da es mit den Lebewesen auf ewig verbunden ist. Die autoritativen śāstras (Schriften) erklären, daß es für das Lebewesen weder Geburt noch Tod gibt, und auch in der Gītā wird gesagt, daß das Lebewesen niemals geboren wird und niemals stirbt. Es ist ewig und unzerstörbar und lebt selbst nach der Zerstörung seines zeitweiligen materiellen Körpers weiter. Um uns einen Begriff von sanātana-dharma machen zu können, müssen wir versuchen, die Bedeutung des Wortes „Religion“ von seiner Sanskrit-Wurzel her zu verstehen. Dharma bezieht sich auf das, was untrennbar mit einem bestimmten Objekt verbunden ist. Wir können verstehen, daß Wärme und Licht immer mit Feuer verbunden sind; ohne Wärme und Licht verliert das Wort „Feuer“ seine Bedeutung. In ähnlicher Weise müssen wir den wesentlichen Teil des Lebewesens ausfindig machen, den Teil, der es ständig begleitet. Dieser ihn ständig begleitende Faktor ist seine ewige Eigenschaft, und diese ewige Eigenschaft ist seine ewige Religion.
Als Sanātana Gosvāmī Śrī Caitanya Mahāprabhu bat, ihm die svarūpa des Lebewesen zu erklären, antwortete der Herr, die svarūpa, das heißt die wesenseigene Position des Lebewesens, bestehe darin, dem Höchsten Persönlichen Gott zu dienen. Wenn wir diese Erklärung Śrī Caitanyas genauer untersuchen, können wir leicht verstehen, daß jedes Lebewesen ständig damit beschäftigt ist, einem anderen Lebewesen zu dienen. Ein Lebewesen dient anderen Lebewesen auf zwei Arten, und auf diese Weise genießt es sein Leben. Die niederen Tiere dienen den Menschen, ähnlich wie Diener ihrem Meister dienen. A dient dem Meister B, B dient dem Meister C, C dient dem Meister D usw. Ein Freund dient seinem Freund, die Mutter dient ihrem Sohn, die Frau dient ihrem Mann, der Mann dient seiner Frau usw. Wenn wir diese Betrachtungsweise weiter fortsetzen, erkennen wir bald, daß niemand in der Gesellschaft lebender Wesen vom Dienen ausgenommen ist. Der Politiker präsentiert sein Programm der Öffentlichkeit, um sie zu überzeugen, daß er die Fähigkeit hat zu dienen. Die Wähler geben somit dem Politiker ihre wertvollen Stimmen, weil sie glauben, daß er der Gesellschaft gut dienen werde. Der Kaufmann dient dem Kunden, der Arbeiter dient dem Kapitalisten, der Kapitalist dient der Familie, und die Familie dient dem Staat usw. Wir sehen also, daß es kein Lebewesen gibt, das nicht einem anderen Lebewesen dient, und daher können wir ohne weiteres sagen, daß Dienen ständig mit dem Lebewesen verbunden ist – es ist seine ewige Religion.
Aber dennoch bekennt sich der Mensch zu einer bestimmten Glaubensrichtung, die der besonderen Zeit und den Umständen angepaßt ist, und behauptet somit, Hindu, Moslem, Christ, Buddhist oder Mitglied irgendeiner anderen Sekte zu sein. Solche Bezeichnungen sind jedoch nicht sanātana-dharma. Ein Hindu kann seinen Glauben wechseln und ein Moslem werden, und ein Moslem kann seinen Glauben ändern und ein Hindu werden, oder ein Christ kann seinen Glauben ändern usw. Doch unter allen Umständen beeinträchtigt der Wechsel des Glaubens nicht die ewige Beschäftigung, anderen zu dienen. Der Hindu, Moslem oder Christ dient unter allen Umständen immer irgend jemandem. Wenn man sich also zu einer bestimmten Sekte bekennt, bekennt man sich nicht zu seinem sanātana-dharma. Sanātana-dharma bedeutet zu dienen.
In Wirklichkeit sind wir mit dem Höchsten Herrn durch Dienen verbunden. Der Höchste Herr ist der höchste Genießende, und wir Lebewesen sind Seine Diener. Wir sind zu Seiner Freude geschaffen, und wenn wir an dieser ewigen Freude des Höchsten Persönlichen Gottes teilhaben, werden wir glücklich sein. Auf andere Weise können wir nicht glücklich werden. Genau wie ein Teil des Körpers nicht glücklich sein kann, ohne dem Magen zu dienen, ist es für uns nicht möglich, unabhängig vom Höchsten glücklich zu sein. Für das Lebewesen ist es unmöglich, glücklich zu sein, ohne sich im transzendentalen, liebevollen Dienst des Herrn zu beschäftigen.
Die verschiedenen Halbgötter zu verehren oder ihnen Opfer darzubringen, wird in der Bhagavad-gītā nicht gutgeheißen:
kāmais tais tair hṛta-jñānāḥ
prapadyante ’nya-devatāḥ
tam tam niyamam āsthāya
prakṛtyā niyatāḥ svayā
„Diejenigen, deren Geist durch materielle Begierden verwirrt ist, geben sich Halbgöttern hin und folgen entsprechend ihrer Natur den besonderen Regeln und Regulierungen der Verehrung.“ (Bg. 7.20)
Hier wird eindeutig gesagt, daß diejenigen, die von Lust getrieben werden, die Halbgötter, und nicht den Höchsten Herrn Śrī Kṛṣṇa, verehren. Wenn wir Kṛṣṇa sagen, so ist dies nicht irgendein sektiererischer Name. Kṛṣṇa bedeutet die höchste Freude, und es wird in den Schriften bestätigt, daß der Höchste Herr der Urgrund, die Quelle aller Freude ist. Wir alle sehnen uns nach Freude. Ānanda-mayo ’bhyāsāt (Vs. 1.1.12). Die Lebewesen haben, genau wie der Herr, ein Bewußtsein und streben nach Glück. Der Herr ist ewiglich voller Glückseligkeit, und wenn die Lebewesen mit dem Herrn zusammenkommen, Ihm dienen und mit Ihm zusammen leben, werden sie ebenfalls glücklich.
Der Herr steigt in diese vergängliche Welt herab, um Seine transzendentalen Spiele, die von ewigem Glück erfüllt sind, in Vṛndāvana zu offenbaren. Diese Spiele Kṛṣṇas mit Seinen Freunden, den Hirtenknaben, mit Seinen geliebten Freundinnen, mit den Kühen und den Bewohnern von Vṛndāvana waren voller Glückseligkeit. Alle Bewohner von Vṛndāvana waren fortwährend in Gedanken an Kṛṣṇa versunken. Śrī Kṛṣṇa brachte sogar Seinen Vater Nanda Mahārāja dazu, von der Verehrung des Halbgottes Indra abzulassen, weil Er darauf hinweisen wollte, daß die Menschen die Halbgötter nicht zu verehren brauchen. Allein die Verehrung des Höchsten Herrn ist wichtig, denn das endgültige Ziel des menschlichen Lebens ist es, in Sein ewiges Reich zurückzukehren.
In der Bhagavad-gītā wird das Reich Śrī Kṛṣṇas wie folgt beschrieben:
na tad bhāsayate sūryo
na śaśānko na pāvakaḥ
yad gatvā na nivartante
tad dhāma paramam mama
„Mein Reich wird weder von der Sonne noch vom Mond, noch von Elektrizität erleuchtet. Jeder, der dorthin geht, kehrt niemals wieder in die materielle Welt zurück.“ (Bg. 15.6)
Dieser Vers gibt eine Beschreibung des ewigen Himmels. Unsere Auffassung von einem Himmel ist materiell, und wenn wir das Wort Himmel hören, denken wir gleichzeitig auch an Sonne, Mond, Sterne usw., doch in diesem Vers sagt der Herr, daß im ewigen Himmel weder Sonne noch Mond, noch irgendeine Art von Feuer notwendig sind, da der spirituelle Himmel vom brahmajyoti erleuchtet wird, von den Strahlen, die vom Höchsten Herrn ausgehen. Andere Planeten zu erreichen bereitet uns große Schwierigkeiten, doch es ist nicht schwierig, das Reich des Höchsten Herrn zu verstehen. Dieses Reich wird Goloka genannt. Es wird in der Brahma-saṁhitā in herrlichen Worten beschrieben: Goloka eva nivasaty akhilātma-bhūtaḥ. Śrī Kṛṣṇa weilt ewiglich in Seinem Reich Goloka, aber dennoch kann man sich Ihm von dieser Welt aus nähern. Zu diesem Zweck erscheint der Herr und offenbart Seine wirkliche Gestalt, sac-cid-ānanda vigraha. Da Er diese Gestalt offenbart, brauchen wir nicht über Sein Aussehen zu spekulieren. Um derartige Spekulationen zu verhindern, erscheint Er selbst und offenbart Sich wie Er ist, als Śyāmasundara. Unglücklicherweise verspotten Ihn die weniger intelligenten Menschen, da Er wie ein gewöhnlicher Mensch erscheint und Sich wie ein solcher verhält. Doch daraus sollten wir nicht schließen, daß der Herr einer der unsren ist. Durch Seine Kräfte offenbart Er Sich uns in Seiner wirklichen Gestalt und entfaltet Seine Spiele, die den Spielen in Seinem transzendentalen Reich gleichen.
In den leuchtenden Strahlen des spirituellen Himmels schweben unzählige Planeten. Das brahmajyoti geht vom höchsten Reich, Kṛṣṇaloka, aus, und in diesen Strahlen schweben die ānandamaya-cinmaya Planeten, die nicht materiell sind. Der Herr sagt, yad gatvā na nivartante tad dhāma paramam mama. „Jeder, der die spirituelle Welt erreicht, braucht nicht wieder in die materielle Welt zurückzukehren.“ Überall in der materiellen Welt finden wir die gleichen Lebensbedingungen vor – Geburt, Alter, Krankheit und Tod – selbst wenn wir den höchsten Planeten (Brahmaloka) erreichen, vom Mond ganz zu schweigen. Kein Planet im materiellen Universum ist von diesen vier Prinzipien des materiellen Daseins ausgenommen. Daher sagt der Herr in der Bhagavad-gītā:
ābrahma-bhuvanāl lokāḥ
punar āvartino ’rjuna
mām upetya tu kaunteya
punar janma na vidyate
„Alle Planeten in der materiellen Welt – vom höchsten bis hinunter zum niedrigsten – sind Orte des Leids, an denen sich Geburt und Tod wiederholen. Wer aber in Mein Reich gelangt, o Sohn Kuntīs, wird niemals wieder geboren.“ (Bg. 8.16)
Die Lebewesen reisen nicht mit mechanischen Hilfsmitteln von einem Planeten zum anderen, sondern durch einen spirituellen Vorgang. Auch wird gesagt:
yānti deva-vratā devān
pitṝn yānti pitṛ-vratāḥ
bhūtāni yānti bhūtejyā
yānti niad-yājino ’pi mām
„Wer die Halbgötter verehrt, wird unter den Halbgöttern geboren; wer die Geister und Gespenster verehrt, wird unter solchen Wesen geboren; wer die Ahnen verehrt, geht zu den Ahnen, und wer Mich verehrt, wird mit Mir leben.“ (Bg. 9.25)
Es sind keine mechanischen Hilfsmittel notwendig, wenn wir interplanetarisch reisen wollen, denn die Gītā unterweist uns: yānti deva-vratā devān. Der Mond, die Sonne und andere höhere Planeten werden svargaloka genannt. Es gibt höhere, mittlere und niedere Planetensysteme. Die Erde gehört zum mittleren Planetensystem. Die Bhagavad-gītā informiert uns, wie man mit Hilfe einer sehr einfachen Methode zu höheren Planetensystemen (devaloka) gelangen kann: yānti deva-vratā devān. Man braucht nur den bestimmten Halbgott eines bestimmten Planeten zu verehren und kann auf diese Weise zum Mond, zur Sonne oder zu anderen höheren Planetensystemen gelangen.
Die Bhagavad-gītā empfiehlt uns jedoch nicht, zu einem Planeten in der materiellen Welt zu gehen, denn selbst wenn wir mit Hilfe irgendwelcher mechanischen Vorrichtungen, und indem wir vielleicht vierzigtausend Jahre durch das Weltall reisen (welcher Mensch könnte schon solange leben?), Brahmaloka, den höchsten Planeten, erreichen, werden wir immer noch die materiellen Leiden Geburt, Alter, Krankheit und Tod vorfinden. Aber jeder, der auf den höchsten Planeten, Kṛṣṇaloka, oder auf irgendeinen anderen Planeten im spirituellen Himmel gelangt, wird diesen materiellen Leiden nicht mehr begegnen. Unter all diesen Planeten in der transzendentalen Welt gibt es einen höchsten Planeten, der Goloka Vṛndāvana genannt wird; dies ist der ursprüngliche Planet im Reich des ursprünglichen Persönlichen Gottes, Śrī Kṛṣṇa. All dieses Wissen erfahren wir aus der Bhagavad-gītā, und sie zeigt uns auch, wie wir die materielle Welt verlassen und ein wahrhaft glückseliges Leben in der spirituellen Welt beginnen können.
Im Fünfzehnten Kapitel der Bhagavad-gītā wird das tatsächliche Bild der materiellen Welt gegeben. Es heißt dort:
śrī bhagavān uvāca
ūrdhva-mūlam adhaḥ-śākham
aśvattham prāhur avyayam
chandāmsi yasya parṇāni
yas tam veda sa veda-vit
„Der Höchste Herr sagte: Es gibt einen Banyanbaum, dessen Wurzeln nach oben und dessen Zweige nach unten zeigen, und die vedischen Hymnen sind seine Blätter. Wer diesen Baum kennt, kennt die Veden.“ (Bg. 15.1)
Hier wird die materielle Welt als Baum beschrieben, dessen Wurzeln nach oben und dessen Zweige nach unten gekehrt sind. Selbst in unserem Erfahrungsbereich gibt es einen Baum, dessen Wurzeln nach oben zeigen: wenn man am Ufer eines Flusses oder Sees steht, kann man sehen, daß die Bäume im Wasser umgekehrt gespiegelt werden. Die Zweige zeigen nach unten und die Wurzeln nach oben. In ähnlicher Weise ist die materielle Welt eine Reflexion der spirituellen Welt. Die materielle Welt ist nichts als ein Schatten der Wirklichkeit. Im Schatten gibt es keine Wirklichkeit oder Substanz, doch an der Existenz des Schattens können wir erkennen, daß es Substanz und Wirklichkeit gibt. In der Wüste gibt es kein Wasser, aber eine Fata Morgana weist darauf hin, daß so etwas wie Wasser existiert. In der materiellen Welt gibt es kein Wasser, dort gibt es kein Glück; das wirkliche Wasser tatsächlichen Glücks ist nur in der spirituellen Welt zu finden.
Der Herr sagt, daß wir die transzendentale Welt auf folgende Weise erreichen können:
nirmāna-mohā jita-sanga-doṣā
adhyātma-nityā vinivṛtta-kāmāḥ
dvandvair vimuktāḥ sukha-duḥkha-samjñair
gacchanty amūḍhāḥ padam avyayam tat
„Wer frei von Illusion, falschem Prestige und falschem Umgang ist, wer das Ewige versteht, die materielle Lust hinter sich gelassen hat und von der Dualität von Glück und Leid befreit ist, und wer weiß, wie man sich der Höchsten Person hingibt, erreicht das ewige Königreich.“ (Bg. 15.5)
In dieses padam avayayam (das ewige Königreich) kann nur jemand eingehen, der nirmāna moha ist. Was bedeutet das? Wir streben nach Bezeichnungen: der eine möchte berühmt, der andere sehr intelligent und wieder ein anderer Präsident oder ein reicher Mann oder König oder irgend etwas anderes werden. Solange wir an solchen Bezeichnungen haften, sind wir dem Körper verhaftet, denn Bezeichnungen beziehen sich auf den Körper. Doch wir sind nicht der Körper – diese Erkenntnis ist die erste Stufe der spirituellen Verwirklichung. Wir sind zwar mit den drei Erscheinungsweisen der materiellen Natur verbunden, doch wir müssen uns durch hingebungsvolles Dienen für den Herrn von ihnen lösen. Wenn wir nicht am liebevollen Dienst für den Herrn haften, können wir uns nicht von den Erscheinungsweisen der materiellen Natur lösen. Bezeichnungen und Anhaftungen haben ihren Ursprung in unserer Lust und unserer Begierde – in unserem Verlangen, die materielle Natur zu beherrschen. Solange wir diese Neigung, die materielle Natur zu beherrschen, nicht aufgeben, gibt es keine Möglichkeit, in das Königreich des Höchsten, das sanātana-dhāma, zurückzukehren. In dieses ewige Königreich, das niemals zerstört wird, können nur diejenigen eintreten, die nicht von den Verlockungen falscher materieller Genüsse verwirrt werden, sondern im Dienst des Höchsten Herrn verankert sind. In solchem Bewußtsein kann man sehr leicht in das höchste Reich gelangen. In einem anderen Vers der Gītā wird gesagt:
avyakto ’kṣara ity uktas
tam āhuḥ paramām gatim
yam prāpya na nivartante
tad dhāma paramam mama
„Dieses höchste Reich wird unmanifestiert und unfehlbar genannt und ist das höchste Ziel. Geht jemand dorthin, kehrt er nie wieder zurück. Das ist Mein höchstes Reich.“ (Bg. 8.21)
Avyakta bedeutet unmanifestiert. Nicht einmal in der materiellen Welt ist uns alles sichtbar. Unsere Sinne sind so unvollkommen, daß wir nicht einmal alle Sterne innerhalb dieses einen materiellen Universums sehen können. Die vedischen Schriften informieren uns über die verschiedensten Planeten, und es liegt an uns, dieses Wissen zu akzeptieren. Alle wichtigen Planeten werden in den vedischen Schriften, vor allem im Śrīmad-Bhāgavatam, beschrieben, und die spirituelle Welt, die sich jenseits des materiellen Universums befindet, wird als avyakta, als unmanifestiert, bezeichnet. Unser einziges Verlangen und Begehren sollte es sein, in dieses höchste Königreich einzugehen, denn wenn man es erreicht, braucht man nicht wieder in die materielle Welt zurückzukehren.
Als nächstes mag man sich die Frage stellen, auf welche Weise dieses Reich des Höchsten Herrn erreicht werden kann. Die Antwort darauf wird im Achten Kapitel gegeben. Dort heißt es:
anta-kāle ca mām eva
smaran muktvā kalevaram
yaḥ prayāti sa mad-bhāvaṁ
yātī nāsty atra saṁśayaḥ
„Jeder, der am Ende des Lebens seinen Körper verläßt und sich an Mich erinnert, erlangt augenblicklich Meine Natur – darüber besteht kein Zweifel.“ (Bg. 8.5)
Jeder, der zur Stunde des Todes an Kṛṣṇa denkt, geht zu Kṛṣṇa. Man muß sich an die Gestalt Kṛṣṇas erinnern, denn wenn man seinen Körper verläßt und an Seine Gestalt denkt, geht man in das spirituelle Königreich ein. Mad-bhāvam bezieht sich auf die Natur des Höchsten Wesens. Das Höchste Wesen ist sac-cid-ānanda-vigraha – ewig, voller Wissen und voller Glückseligkeit. Unser gegenwärtiger Körper ist jedoch nicht sac-cid-ānanda. Er ist nicht sat, sondern asat – er ist nicht ewig, sondern vergänglich, und er ist nicht cit, voller Wissen, sondern voller Unwissenheit. Wir besitzen kein Wissen vom spirituellen Königreich – wir besitzen nicht einmal vollkommenes Wissen von der materiellen Welt, in der uns so viele Dinge unbekannt sind. Auch ist der Körper nirānanda – statt voller Glückseligkeit, ist eṛ voller Leid. Alle Leiden, die wir in der materiellen Welt erfahren, haben ihre Ursache im Körper; doch wer den Körper verläßt und dabei an den Höchsten Persönlichen Gott denkt, erlangt, wie uns Śrī Kṛṣṇa im fünften Vers des Achten Kapitels versichert, augenblicklich einen sac-cid-ānanda Körper.
Auf welche Weise man seinen Körper verläßt und einen neuen erhält, ist ebenfalls festgelegt: ein Mensch stirbt, nachdem entschieden worden ist, welche Art des Körpers er im nächsten Leben bekommen wird. Höhere Autoritäten – nicht das Lebewesen selbst – fällen diese Entscheidung. Die Aktivitäten, die wir in unserem Leben ausführen, entscheiden, ob wir aufsteigen oder hinabsinken. Das gegenwärtige Leben ist eine Vorbereitung auf das nächste Leben. Wenn wir uns in diesem Leben darauf vorbereiten, zum Königreich Gottes erhoben zu werden, werden wir sicherlich, nachdem wir unseren materiellen Körper verlassen haben, einen transzendentalen Körper erhalten, der dem des Herrn gleicht.
Wie bereits zuvor erklärt wurde, gibt es verschiedene Arten von Transzendentalisten (den brahmavādi, den paramātmāvādi und den Gottgeweihten), und wie ebenfalls erwähnt wurde, schweben im brahmajyoti (im spirituellen Himmel) unzählige spirituelle Planeten. Die Zahl dieser Planeten ist weitaus größer als die aller Planeten der materiellen Welt. Unsere materielle Welt macht ungefähr nur ein Viertel der gesamten Schöpfung aus. In diesem materiellen Teil gibt es Millionen und Billionen von Universen mit Trillionen von Planeten, Sonnen, Sternen und Monden, aber dennoch bildet die ganze materielle Schöpfung nur ein Bruchteil der gesamten Schöpfung. Der größte Teil der Schöpfung befindet sich in der transzendentalen Welt. Wer danach begehrt, mit dem Höchsten Brahman zu verschmelzen, geht sofort in das brahmajyoti des Höchsten Herrn ein und erreicht somit den spirituellen Himmel. Der Gottgeweihte jedoch, der sich des persönlichen Zusammenseins mit dem Herrn erfreuen möchte, wird zu den unzähligen Vaikuṇtha-Planeten gelangen, wo der Höchste Herr mit Seinen Geweihten durch Seine vollständigen Erweiterungen als vierarmiger Nārāyaṇa zusammen ist, der unter verschiedenen Namen wie Pradyumna, Aniruddha, Govinda usw. bekannt ist. Die Transzendentalisten denken also am Ende ihres Lebens entweder an das brahmajyoti, den Paramātmā oder den Höchsten Persönlichen Gott, Śrī Kṛṣṇa und gehen somit in den spirituellen Himmel ein, doch nur der Gottgeweihte bzw. derjenige, der eine persönliche Beziehung zum Herrn hat, kann zu den Vaikuṇṭha-Planeten gelangen. Kṛṣṇa sagt weiterhin, daß „darüber kein Zweifel besteht“. Darauf muß man fest vertrauen. Wir sollten nicht etwas ablehnen, nur weil es nicht mit unseren eigenen Vorstellungen übereinstimmt; unsere Haltung sollte wie die Arjunas sein: „Ich glaube alles, was Du gesagt hast.“ Wenn der Herr daher sagt, daß jeder, der zur Stunde des Todes an Ihn als Brahman oder Paramātmā oder als den Persönlichen Gott denkt, in den spirituellen Himmel eingeht, so kann es darüber keinen Zweifel geben. In welcher Weise wir zur Stunde des Todes an das Höchste Wesen denken sollen, wird in der Gītā ebenfalls erklärt:
yam yam vāpi smaran bhāvam
tyajaty ante kalevaram
tam tam evaiti kaunteya
sadā tad-bhāva-bhāvitaḥ
„In welchem Zustand man auch immer den gegenwärtigen Körper verläßt – diese Lebensform wird man im nächsten Leben mit Sicherheit erreichen.“ (Bg. 8.6)
Die materielle Natur wird von einer der Energien des Höchsten Herrn manifestiert. Im Viṣṇu Purāṇa werden alle Energien des Höchsten Herrn als Viṣṇu-śaktiḥ parā proktā usw. beschrieben. Der Höchste Herr verfügt über unzählige verschiedene Energien, die jenseits unseres Vorstellungsvermögens liegen, doch die großen Weisen und die befreiten Seelen haben diese Energien studiert und sie dreifach unterteilt. Alle Energien gehen von Viṣṇu-śakti aus; man kann sagen, daß sie verschiedene Kräfte Viṣṇus sind. Viṣṇu-śakti ist parā (transzendental), und wie bereits erklärt worden ist, gehören auch die Lebewesen zu dieser höheren Energie. Die anderen, das heißt die materiellen Energien, befinden sich in der Erscheinungsweise der Unwissenheit. Zur Stunde des Todes können wir entweder in der niederen Energie der materiellen Welt bleiben oder zur höheren Energie der spirituellen Welt gehen.
In unserem Leben sind wir gewohnt, entweder an die materielle oder an die spirituelle Energie zu denken. Es gibt viele Schriften, die unsere Gedanken mit materieller Energie füllen – Zeitungen, Romane usw. – doch wir sollten unser Denken, das gegenwärtig in diese Literatur versunken ist, auf die vedischen Schriften lenken. Die großen Weisen haben daher viele vedische Schriften, wie zum Beispiel die Purāṇas usw., verfaßt. Die Purāṇas entspringen nicht der Phantasie irgendwelcher Menschen, sondern sind historische Aufzeichnungen. Im Caitanya-caritāmṛta finden wir folgenden Vers:
māyā mugdha jiver nāhi svataḥ kṛṣṇa-jñān
jivera kṛpāya kailā kṛṣṇa veda-purāṇa
„Die vergeßlichen Lebewesen, die bedingten Seelen, haben ihre Beziehung zum Höchsten Herrn vergessen und sind mit ihren Gedanken völlig in materielle Aktivitäten vertieft. Nur um ihr Bewußtsein auf die transzendentale Welt zu lenken, hat Kṛṣṇa zahllose vedische Schriften offenbart.“ (Cc. Madhya 20.122)
Als erstes unterteilte der Herr die Veden in vier Teile, daraufhin erklärte Er sie in den Purāṇas, und für die weniger intelligenten Menschen schrieb Er das Mahābhārata. Im Mahābhārata ist die Bhagavad-gītā enthalten. Dann wurden alle vedischen Schriften im Vedānta-sūtra zusammengefaßt, und zur weiteren Unterweisung verfaßte Er einen Kommentar zum Vedānta-sūtra – das Srīmad-Bhāgavatam. Wir müssen unseren Geist ständig damit beschäftigen, diese vedischen Schriften zu lesen. In ähnlicher Weise wie die Materialisten ihren Geist damit beschäftigen, Zeitungen, Magazine und viele andere materialistische Schriften zu lesen, müssen wir uns den Schriften widmen, die uns von Vyāsadeva gegeben wurden; auf diese Weise wird es uns möglich sein, zur Stunde des Todes an den Höchsten Herrn zu denken. Dies ist der einzige Weg, den der Herr empfiehlt, und Er garantiert uns das Ergebnis, indem Er versichert: „Darüber besteht kein Zweifel.“
tasmāt sarveṣu kāleṣu
mām anusmara yudhya ca
mayy arpita-mano buddhir
mām evaiṣyasy asamśayaḥ
„Daher, Arjuna, solltest du stets an Mich denken und gleichzeitig weiterhin deine vorgeschriebenen Pflichten erfüllen und kämpfen. Wenn du deinen Geist und deine Aktivitäten immer auf Mich richtest und alles in Mir beschäftigst, wirst du Mich ohne Zweifel erreichen.“ (Bg. 8.7)
Er rät Arjuna nicht, sich lediglich an Ihn zu erinnern und seine Pflicht aufzugeben, denn der Herr empfiehlt niemals etwas, was nicht praktizierbar ist. Man muß in der materiellen Welt arbeiten, um den Körper zu erhalten. Die menschliche Gesellschaft wird in Entsprechung zu den verschiedenen Arbeitsweisen in vier soziale Klassen unterteilt: brāhmaṇa, kṣatrīya, vaiśya und śūdra. Die brāhmaṇas, die zur intelligenten Gruppe der Menschen zählen, arbeiten in einer bestimmten Weise, die kṣatriyas, die Verwalter, arbeiten in anderer Weise, und auch den Kaufleuten, den Bauern und den Arbeitern sind bestimmte Pflichten gegeben. In der menschlichen Gesellschaft muß man arbeiten, um seine Existenz zu erhalten, ganz gleich, ob man nun Arbeiter, Kaufmann, Soldat, Beamter oder Bauer ist oder als Gelehrter, Wissenschaftler oder Theologe der höchsten Klasse angehört. Deshalb erklärt der Herr Arjuna, daß er seine Pflicht nicht aufzugeben brauche, sondern sich bei all seinen Beschäftigungen ständig an Ihn erinnern solle. Wenn er sich nicht darin üben würde, an Ihn zu denken, während er um seine Existenz kämpfe, werde es ihm nicht möglich sein, sich zur Stunde des Todes an Ihn zu erinnern. Śrī Kṛṣṇa Caitanya gibt uns den gleichen Rat. Er sagt, daß man sich darin üben solle, sich an Kṛṣṇa zu erinnern, indem man ständig Seine Namen chantet* [* chanten (engl. to chant) – sprechen, singen]. Die Namen des Herrn und der Herr Selbst sind nicht voneinander verschieden. Śrī Kṛṣṇas Unterweisung an Arjuna, „denke immer an Mich“, unterscheidet sich also nicht von der Anweisung Śrī Kṛṣṇa Caitanyas, „chante ständig die Namen Śrī Kṛṣṇas.“ Es besteht kein Unterschied zwischen diesen Lehren, denn Kṛṣṇa und Kṛṣṇas Name sind nicht voneinander verschieden. Auf der absoluten Ebene gibt es keinen Unterschied zwischen dem Gesprochenen und dem Sprecher. Deshalb müssen wir uns darin üben, uns ständig vierundzwanzig Stunden am Tag an Kṛṣṇa zu erinnern, indem wir Seinen Namen chanten und unsere Aktivitäten in solcher Weise ausführen, daß wir uns immer an Ihn erinnern können.
Wie dies möglich ist, wird an einem Beispiel deutlich, das uns die ācāryas geben: wenn sich eine verheiratete Frau zu einem anderen Mann hingezogen fühlt oder ein verheirateter Mann eine andere Frau liebt, ist diese Anziehung meistens sehr stark. In einem solchen Zustand denkt man ständig an den Geliebten. Die Frau, die mit ihren Gedanken ständig bei ihrem Geliebten weilt, denkt immer daran, mit ihm zusammenzukommen – selbst wenn sie mit der Erfüllung ihrer Haushaltspflichten beschäftigt ist. Somit erfüllt sie ihre Haushaltspflichten sogar noch sorgfältiger, damit ihr Ehemann keinen Verdacht schöpft. In ähnlicher Weise sollten wir uns ständig an den Höchsten Geliebten, Śrī Kṛṣṇa, erinnern, doch zur gleichen Zeit unseren materiellen Pflichten gewissenhaft nachkommen. Dazu ist eine starke Liebe notwendig. Wenn wir den Höchsten Herrn in Hingabe lieben, können wir unsere Pflichten erfüllen und uns zur gleichen Zeit an Ihn erinnern. Aber wir müssen diese Liebe entwickeln. Arjuna zum Beispiel dachte fortwährend an Kṛṣṇa; er war der ständige Begleiter Kṛṣṇas und gleichzeitig auch ein Krieger. Kṛṣṇa gab ihm nicht den Rat, das Kämpfen aufzugeben und in den Wald zu gehen, um zu meditieren. Als Śrī Kṛṣṇa Arjuna das yoga-System erklärte, sagte Arjuna, daß es für ihn nicht möglich sei, dieses System zu praktizieren:
arjuna uvāca
yo ’yaṁ yogas tvayā proktaḥ
sāmyena madhusūdana
etasyāham na paśyāmi
cañcalatvāt sthitiṁ sthirām
„Arjuna sagte: O Madhusūdana, das System des yoga, das Du erklärt hast, erscheint mir undurchführbar und unerträglich, denn der Geist ist ruhelos und unstet.“ (Bg. 6.33)
Doch der Herr sagte:
yoginām api sarveṣām
mad-gatenāntarātmanā
śraddhāvān bhajate yo mām
sa me yuktatamo mataḥ
„Von allen yogīs ist der, der ständig mit großem Vertrauen in Gedanken an Mich versunken ist und Mich im transzendentalen, liebevollen Dienst verehrt, am engsten mit Mir in yoga verbunden, und er ist der höchste von allen.“ (Bg. 6.47)
Wer also ständig an den Höchsten Herrn denkt, ist der vollkommenste yogī, der größte jñāni und gleichzeitig auch der größte Gottgeweihte. Kṛṣṇa sagte weiter in Seiner Unterweisung, daß Arjuna als kṣatriya das Kämpfen nicht aufgeben solle; doch wenn Arjuna kämpfe und dabei an Ihn denke, sei er auch zur Stunde des Todes fähig, sich an Ihn zu erinnern. Er müsse sich lediglich Seinem transzendentalen, liebevollen Dienst hingeben.
In Wirklichkeit handeln wir nicht mit unserem Körper, sondern mit unserem Geist und unserer Intelligenz. Wenn also die Intelligenz und der Geist ständig in Gedanken an den Höchsten Herrn beschäftigt sind, ist es auch natürlich, daß die Sinne in Seinem Dienst stehen. Oberflächlich betrachtet bleiben die Aktivitäten der Sinne die gleichen, doch das Bewußtsein hat sich gewandelt. Die Bhagavad-gītā lehrt, wie man den Geist und die Intelligenz in Gedanken an den Herrn versenken kann. Eine solche Versenkung wird einen Menschen befähigen, das Königreich Gottes zu erreichen. Wenn der Geist im Dienste Kṛṣṇas tätig ist, sind ganz automatisch auch die Sinne in Seinem Dienst beschäftigt. Das ist das Geheimnis der Bhagavad-gītā: die vollkommene Versenkung in Gedanken an Kṛṣṇa. Der moderne Mensch hat die größten Anstrengungen unternommen, den Mond zu erreichen, doch er hat sich in keiner Weise darum bemüht, spirituellen Fortschritt zu machen. Wenn man nur noch ca. fünfzig Jahre zu leben hat, sollte man diese kurze Zeit nutzen und sich darin üben, ständig an den Höchsten Persönlichen Gott zu denken. Dieser Vorgang der Hingabe besteht aus:
śravaṇaṁ kīrtanaṁ viṣṇoh smaraṇaṁ pāda-sevanam
arcanaṁ vandanaṁ dāsyaṁ sakhyam ātma-nivedanam
Diese neun Vorgänge – von denen śravaṇam, das Hören der Bhagavad-gītā von einer selbstverwirklichten Seele, der einfachste ist – lenken die Gedanken auf das Höchste Wesen. Dies führt zu niścala (sich an den Höchsten Herrn erinnern) und wird uns befähigen, nach Verlassen unseres Körpers einen spirituellen Körper anzunehmen, der für das Zusammensein mit dem Höchsten Herrn geeignet ist.
Der Herr sagt weiter:
abhyāsa-yoga-yuktena
cetasā nānya-gāminā
paramaṁ puruṣaṁ divyaṁ
yāti pārthānucintayan
„O Pārtha, wer sich in diesem Erinnern übt und ohne abzuirren ständig an den Höchsten Gott denkt, erreicht mit Sicherheit den Planeten des Göttlichen, der Höchsten Persönlichkeit.“ (Bg. 8.8)
Es ist nicht sehr schwierig, diesen Vorgang zu praktizieren, doch man muß ihn unter der kundigen Führung eines Menschen erlernen, der mit diesen Dingen vertraut ist. Der Geist wandert ständig hin und her, doch wir müssen uns darin üben, ihn auf die Gestalt des Höchsten Herrn Śrī Kṛṣṇa oder auf den Klang Seines Namens zu konzentrieren. Der Geist ist von Natur aus ruhelos, und unaufhörlich wird er hin- und hergerissen, doch er kann in der Klangschwingung des heiligen Namens Ruhe finden. Man muß daher über den paramaṁ puruṣaṁ, die Höchste Person, meditieren, und auf diese Weise wird man Ihn erreichen. Die Wege und Mittel zur letztlichen Verwirklichung, zum endgültigen Ziel, werden in der Bhagavad-gītā beschrieben, und die Tore dieses Wissens stehen jedem offen. Niemand ist davon ausgeschlossen. Jeder Mensch kann sich dem Herrn nähern, indem er an Ihn denkt; denn über Ihn zu hören und an Ihn zu denken ist für jeden möglich.
Der Herr sagt weiter:
māṁ hi pārtha vyapāśritya
ye ’pi syuḥ pāpa-yonayaḥ
striyo vaiśyās tathā śūdrās
te ’pi yānti parāṁ gatiṁ
kiṁ punar brāhmaṇāḥ puṇyā
bhaktā rājarṣayas tathā
anityam asukhaṁ lokam
imaṁ prāpya bhajasva mām
„O Sohn Pṛthās, jeder, der bei Mir Zuflucht sucht, sei es eine Frau, ein Händler oder jemand von niedriger Herkunft, kann das höchste Ziel erreichen. Wieviel vortrefflicher sind also die brāhmaṇas, die Rechtschaffenen, die Gottgeweihten und die heiligen Könige! In dieser elenden Welt sind sie im hingebungsvollen Dienst des Herrn gefestigt.“ (Bg. 9.32–33)
Selbst Menschen, die sich auf einer niedrigen Stufe des Lebens befinden (ein Händler, eine Frau oder ein Arbeiter), können den Höchsten erlangen. Man benötigt also keine hochentwickelte Intelligenz. Jeder, der das Prinzip des bhakti-yoga annimmt und den Höchsten Herrn als das summum bonum des Lebens, als das höchste und endgültige Ziel, akzeptiert, kann den Herrn in der transzendentalen Welt erreichen. Wenn man den Prinzipien folgt, die in der Bhagavad-gītā niedergelegt sind, kann man sein Leben zur Vollkommenheit bringen und eine endgültige Lösung für alle Probleme des Lebens herbeiführen, die aus dem vergänglichen Wesen des materiellen Daseins entstehen. Dies ist die Essenz der gesamten Bhagavad-gītā. Zusammenfassend kann man sagen, daß die Bhagavad-gītā eine transzendentale Schrift ist, die man sehr sorgfältig lesen sollte, denn sie ist imstande, uns von aller Furcht zu befreien.
nehābhikrama-nāśo ’sti
pratyavāyo na vidyate
svalpam apy asya dharmasya
trāyate mahato bhayāt
„Bei diesem Bemühen gibt es keinen Verlust und keine Verringerung, und schon ein wenig Fortschritt auf diesem Pfad kann einen Menschen vor der größten Gefahr bewahren.“ (Bg. 2.40)
Wenn man die Bhagavad-gītā aufrichtig und ernsthaft studiert, wird allen Reaktionen auf vergangene Sünden die Wirkung genommen. Im letzten Teil der Bhagavad-gītā versichert Śrī Kṛṣṇa:
sarva-dharmān parityajya
mām ekaṁ śaraṇaṁ vraja
ahaṁ tvāṁ sarva-pāpebhyo
mokṣayiṣyāmi mā śucaḥ
„Gib alle Arten von Religion auf und gib dich einfach Mir hin. Ich werde dich von allen sündhaften Reaktionen befreien. Daher brauchst du nichts zu fürchten.“ (Bg. 18.66)
Somit übernimmt der Herr alle Verantwortung für diejenigen, die sich Ihm hingeben, und hebt alle Reaktionen auf vergangene Sünden auf. Man reinigt sich täglich, indem man sich mit Wasser wäscht, doch wer nur einmal ein Bad im heiligen Gangeswasser der Bhagavad-gītā nimmt, wäscht allen Schmutz des materiellen Lebens fort. Da die Bhagavad-gītā vom Höchsten Persönlichen Gott Selbst gesprochen wird, ist es nicht notwendig, irgendeine andere vedische Schrift zu lesen. Es genügt bereits, die Bhagavad-gītā aufmerksam und regelmäßig zu hören und zu lesen. In der heutigen Zeit sind die Menschen so sehr von weltlichen Aktivitäten in Anspruch genommen, daß es Ihnen nicht möglich ist, alle vedischen Schriften zu lesen; doch das ist auch nicht notwendig. Dieses eine Buch, Bhagavad-gītā, genügt, denn es ist die Essenz aller vedischen Schriften und wurde vom Höchsten Persönlichen Gott gesprochen. Wenn schon jemand, der das Wasser des Ganges trinkt, mit Sicherheit erlöst wird; was soll man dann erst von denen sagen, die den Nektar der Bhagavad-gītā trinken? Die Gītā ist der Nektar des Mahābhārata, das von Viṣṇu Selbst gesprochen wurde, und Śrī Kṛṣṇa ist der ursprüngliche Viṣṇu – sie ist Nektar, der von den Lippen des Höchsten Persönlichen Gottes fließt. Man sagt, daß der Ganges den Lotusfüßen des Herrn entspringe; selbstverständlich besteht zwischen dem Mund und den Füßen des Höchsten Herrn kein Unterschied, doch für uns ist die Bhagavad-gītā sogar noch wichtiger als der Ganges. Die Bhagavad-gītā ist wie eine Kuh, die von Śrī Kṛṣṇa, dem Hirtenknaben, gemolken wird. Die Milch ist die Essenz der Veden, und Arjuna gleicht dem Kalb. Die intelligenten Menschen, die großen Weisen und reinen Gottgeweihten, sind dazu bestimmt, die nektargleiche Milch der Bhagavad-gītā zu trinken.
In der heutigen Zeit sind die Menschen sehr bestrebt, eine Schrift, einen Gott, eine Religion und eine Beschäftigung zu haben. Möge es also eine Schrift für die gesamte Welt geben – Bhagavad-gītā. Und möge es nur einen Gott für die ganze Welt geben – Śrī Kṛṣṇa. Und nur ein mantra – Hare Kṛṣṇa, Hare Kṛṣṇa, Kṛṣṇa Kṛṣṇa, Hare Hare / Hare Rāma, Hare Rāma, Rāma Rāma, Hare Hare. Und möge es nur eine Beschäftigung geben – dem Höchsten Persönlichen Gott zu dienen.
DIE NACHFOLGE DER GEISTIGEN MEISTER
Evam paramparā-prāptām imam rājarṣayo viduḥ (Bhagavad-gītā 4.2) Diese Bhagavad-gītā Wie Sie Ist wird durch die hier aufgeführte Nachfolge der geistigen Meister empfangen:
1) Kṛṣṇa, 2) Brahmā, 3) Nārada, 4) Vyāsa, 5) Madhva, 6) Padmanābha, 7) Nṛhari, 8) Mādhava, 9) Akṣobhya, 10) Jayatīrtha, 11) Jñānasindhu, 12) Dayānidhi, 13) Vidhyānidhi, 14) Rājendra, 15) Jayadharma, 16) Puruṣottama, 17) Brahmaṇyatīrtha, 18) Vyāsatīrtha, 19) Lakṣmīpati, 20) Mādhavendra Purī, 21) Īśvara Purī (Nityānanda, Advaita), 22) Śrī Caitanya, 23) Rūpa (Svarūpa, Sanātana), 24) Raghunātha, Jīva, 25) Kṛṣṇadāsa, 26) Narottama, 27) Viśvanātha, 28) (Baladeva) Jagannātha, 29) Bhaktivinoda, 30) Gaurakiśora, 31) Bhaktisiddhānta Sarasvatī, 32) Seine Göttliche Gnade A. C. Bhaktivedanta Swami Prabhupāda.
Bhagavad-gītā (1. Auflage 1974): [PDF] (60 MB, Bilder, Sanskrit, Lesezeichen)
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