Original 1. Auflage 1974 - von A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupāda

Bhagavad Gita wie sie ist   Bhagawad-gita

- Bhagavad-gītā - Wie Sie Ist -

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Viertes Kapitel
Transzendentales Wissen

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VERS 1

श्रीभगवानुवाच ।
इमं विवस्वते योगं प्रोक्तवानहमव्ययम् ।
विवस्वान्मनवे प्राह मनुरिक्ष्वाकवेऽब्रवीत् ॥१॥

śrī bhagavān uvāca
imaṁ vivasvate yogaṁ
proktavān aham avyayam
vivasvān manave prāha
manur ikṣvākave’bravīt

śrī bhagavān uvāca – der Höchste Persönliche Gott sagte; imam – dieses; vivasvate – dem Sonnengott; yogam – die Wissenschaft von der Beziehung zum Höchsten; proktavān – unterwies; aham – Ich; avyayam – unvergänglich; vivasvān – Vivasvān (der Name des Sonnengottes); manave – dem Vater der Menschheit (namens Vaivasvata); prāha – teilte mit; manuḥ – der Vater der Menschheit; ikṣvākave – König Ikṣvāku; abravīt – sagte.

ÜBERSETZUNG

Der Höchste Herr sagte: Ich offenbarte dem Sonnengott Vivasvān diese unvergängliche Wissenschaft des yoga; Vivasvān unterwies Manu, den Vater der Menschheit, darin, und Manu wiederum gab dieses Wissen an Ikṣvāku weiter.

ERKLÄRUNG

Hier finden wir die Geschichte der Bhagavad-gītā, die sich bis in ferne Zeit zurückverfolgen läßt, als sie dem königlichen Stand, das heißt den Königen aller Planeten, verkündet wurde. Diese Wissenschaft ist besonders für den Schutz der Bevölkerung bestimmt, und daher sollte der königliche Stand sie verstehen, um fähig zu sein, die Bürger zu regieren und vor der materiellen Bindung an die Lust zu bewahren. Das menschliche Leben ist dazu bestimmt, spirituelles Wissen zu entwickeln, das in ewiger Beziehung zum Höchsten Persönlichen Gott steht, und, die Oberhäupter aller Staaten und aller Planeten sind dazu verpflichtet, dieses Wissen den Bürgern durch Erziehung, Kultur und Hingabe zu vermitteln. Mit anderen Worten, die Oberhäupter aller Staaten sollten die Wissenschaft des Kṛṣṇa-Bewußtseins verbreiten, so daß die Menschen diese große Wissenschaft nutzen und einem erfolgreichen Pfad folgen können und die Gelegenheit der menschlichen Form des Lebens wahrnehmen.

Vivasvān ist der Sonnengott dieses Zeitalters. Er ist der König der Sonne, die der Ursprung aller Planeten im Sonnensystem ist. In der Brahma-saṁhitā sagt Brahmā:

yac-cakṣur eṣa savitā sakala-grahāṇāṁ
rājā samasta-sura-mūrttir aśeṣa-tejāḥ
yasyājñayā bhramati sambhṛta-kālacakro
govindam ādi-puruṣaṁ tam ahaṁ bhajāmi

„Laßt mich den Höchsten Persönlichen Gott, Govinda (Kṛṣṇa), verehren, der die ursprüngliche Person ist, und unter dessen Anweisung die Sonne, der König aller Planeten, unermeßliche Energie und Hitze annimmt. Die Sonne repräsentiert das Auge des Herrn, und nach Seiner Anweisung folgt sie ihrem Lauf.“

Die Sonne ist der König aller Planeten, und der Sonnengott (in diesem Zeitalter ist es Vivasvān) regiert den Sonnenplaneten, der alle anderen Planeten kontrolliert, indem er sie mit Wärme und Licht versorgt; der Sonnenplanet dreht sich unter der Aufsicht Kṛṣṇas. Śrī Kṛṣṇa offenbarte die Wissenschaft von der Bhagavad-gītā Seinem ersten Schüler Vivasvān. Die Gītā ist also keine spekulative Abhandlung für den unbedeutenden weltlichen Gelehrten, sondern ein grundlegendes Buch des Wissens, das uns seit unvordenklichen Zeiten überliefert wird. Im Mahābhārata (Śānti-parva 348.51–52) können wir die Geschichte der Gītā zurückverfolgen:

tretā-yugādau ca tato vivasvān manave dadau
manuś ca loka-bhṛty-arthaṁ sutāyekṣvākave dadau
ikṣvākuṇā ca kathito vyāpya lokān avasthitāḥ

Zu Beginn des Tretā-yuga wurde diese Wissenschaft von der Beziehung zum Höchsten von Vivasvān an Manu weitergegeben. Manu, der Vater der Menschheit, lehrte sie seinen Sohn Mahārāja Ikṣvāku, den König der Erde und Vorvater der Raghu-Dynastie, in der Śrī Rāmacandra erschien. In der menschlichen Gesellschaft gab es die Bhagavad-gītā also seit der Zeit Mahārāja Ikṣvākus.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind erst 5.000 Jahre von den insgesamt 432.000 Jahren des Kali-yuga vergangen. Vor diesem Zeitalter gab es das Dvāpara-yuga (864.000 Jahre) und davor das Tretā-yuga (1.296.000 Jahre). Manu sprach die Bhagavad-gītā also vor ungefähr 2.165.000 Jahren zu seinem Sohn und Schüler Mahārāja Ikṣvāku, dem König der Erde. Das Zeitalter des gegenwärtigen Manu wird auf ungefähr 305.300.000 Jahre geschätzt, von denen bisher 120.400.000 Jahre vergangen sind. Wenn man akzeptiert, daß die Gītā vor der Geburt Manus vom Herrn zu Seinem Schüler, dem Sonnengott Vivasvān, gesprochen wurde, dann wurde die Gītā vor mindestens 120.400.000 Jahren verkündet; und in der menschlichen Gesellschaft gab es sie danach für 2.000.000 Jahre. Vor 5.000 Jahren sprach der Herr die Bhagavad-gītā erneut – diesmal zu Arjuna. Das ist der grobe geschichtliche Überblick der Gītā, wie wir ihn den Aussagen der Gītā und ihres Sprechers, Śrī Kṛṣṇa, entnehmen können. Sie wurde zum Sonnengott Vivasvān gesprochen, da dieser ebenfalls ein kṣatrīya und der Vater aller kṣatriyas ist, die Nachkommen des Sonnengottes bzw. sūrya-vaṁśa kṣatrīyas sind. Da die Bhagavad-gītā vom Höchsten Persönlichen Gott gesprochen wurde, ist sie den Veden gleichwertig, und ihr Wissen wird daher apauruṣeya (übermenschlich) genannt. Und da die vedischen Unterweisungen ohne menschliche Interpretationen so akzeptiert werden, wie sie sind, muß auch die Gītā ohne weltliche Interpretation akzeptiert werden. Weltliche Streithähne mögen über die Gītā in ihrer eigenen Weise spekulieren, aber was dabei herauskommt, ist nicht die Bhagavad-gītā, wie sie ist. Die Bhagavad-gītā muß akzeptiert werden, wie sie ist – durch die Nachfolge der geistigen Meister – und hier wird gesagt, daß der Herr sie zum Sonnengott sprach, der sie an seinen Sohn Manu weitergab, und daß Manu sie seinem Sohn Ikṣvāku erklärte.

VERS 2

एवं परम्पराप्राप्तमिमं राजर्षयो विदुः ।
स कालेनेह महता योगो नष्टः परंतप ॥२॥

evaṁ paramparā-prāptam
imaṁ rājarṣayo viduḥ
sa kāleneha mahatā
yogo naṣṭaḥ parantapa

evam – so; paramparā – Nachfolge der geistigen Meister; prāptam – empfangen; imam – diese Wissenschaft; rājarṣayaḥ – die heiligen Könige; viduḥ – verstanden; saḥ – dieses Wissen; kālena – im Laufe der Zeit; iha – in dieser Welt; mahatā – von großen; yogaḥ – die Wissenschaft von seiner Beziehung zum Höchsten; naṣṭaḥ – verstreut; parantapa – O Arjuna, Bezwinger der Feinde.

ÜBERSETZUNG

Diese höchste Wissenschaft wurde durch die Nachfolge der geistigen Meister weitergegeben, und die heiligen Könige empfingen sie auf diese Weise. Im Laufe der Zeit aber wurde die Nachfolge unterbrochen, und daher scheint die Wissenschaft, wie sie ist, verloren zu sein.

ERKLÄRUNG

Hier wird eindeutig gesagt, daß die Gītā besonders für die heiligen Könige bestimmt war, da diese die Aufgabe hatten, die Bürger nach den Lehren der Bhagavad-gītā zu regieren. Die Bhagavad-gītā war mit Sicherheit niemals für dämonische Menschen bestimmt, die den Wert der Gītā zum Schaden aller anderen zerstören und nach ihrem Gutdünken alle Arten von Interpretationen erfinden würden. Als das ursprüngliche Ziel der Gītā durch die Interpretationen gewissenloser Kommentatoren verschleiert wurde, entstand die Notwendigkeit, die Nachfolge der geistigen Meister zu erneuern. Vor 5.000 Jahren entdeckte der Herr, daß die Nachfolge der geistigen Meister unterbrochen war und erklärte daher, daß das Ziel der Bhagavad-gītā verloren zu sein schien. In ähnlicher Weise gibt es auch heutzutage viele Ausgaben der Gītā (besonders im Englischen), aber fast alle stimmen nicht mit den Lehren der autorisierten Nachfolge der geistigen Meister überein. Es gibt zahllose Interpretationen der verschiedensten weltlichen Gelehrten, doch fast alle akzeptieren sie nicht den Höchsten Persönlichen Gott Kṛṣṇa, obwohl sie mit den Worten Śrī Kṛṣṇas ein gutes Geschäft machen. Diese Geisteshaltung ist dämonisch, weil Dämonen nicht an Gott glauben, sondern nur das Eigentum des Höchsten genießen wollen. Da für eine Ausgabe der Gītā, so wie sie durch das paramparā-System (Nachfolge der geistigen Meister) empfangen wird, eine dringende Notwendigkeit besteht, wird hiermit der Versuch unternommen, diesem Mangel abzuhelfen. Wenn die Bhagavad-gītā akzeptiert wird, wie sie ist, ist sie ein großer Segen für die Menschheit; wenn sie aber als Abhandlung philosophischer Spekulationen verstanden wird, verschwendet man nur seine Zeit.

VERS 3

स एवायं मया तेऽद्य योगः प्रोक्तः पुरातनः ।
भक्तोऽसि मे सखा चेति रहस्यं ह्येतदुत्तमम् ॥३॥

sa evāyaṁ mayā te’dya
yogaḥ proktaḥ purātanaḥ
bhakto’si me sakhā ceti
rahasyaṁ hy etad uttamam

saḥ – die gleiche uralte; eva – gewiß; ayam – dieses; mayā – von Mir; te – zu dir; adya – heute; yogaḥ – die Wissenschaft des yoga; proktaḥ – gesprochen; purātanaḥ – sehr alt; bhaktaḥ – Gottgeweihter; asi – du bist; me – Mein; sakhā – Freund; ca – auch; iti – daher; rahasyam – Geheimnis; hi – gewiß; etat – dieses; uttamam – transzendental.

ÜBERSETZUNG

Diese uralte Wissenschaft von der Beziehung zum Höchsten wird dir heute von Mir offenbart, weil Du Mein Geweihter und Mein Freund bist – nur deshalb kannst du das transzendentale Mysterium dieser Wissenschaft verstehen.

ERKLÄRUNG

Es gibt zwei Gruppen von Menschen: die Gottgeweihten und die Dämonen. Der Herr wählte Arjuna zum Schüler dieser großen Wissenschaft, weil Arjuna auf dem Wege war, ein Gottgeweihter zu werden; für einen Dämonen ist es jedoch nicht möglich, diese große, geheimnisvolle Wissenschaft zu verstehen. Es gibt sehr viele Ausgaben dieses großen Buches des Wissens; einige werden von Gottgeweihten kommentiert und andere von Dämonen. Die Kommentare der Gottgeweihten sind autorisiert und daher vorteilhaft, wohingegen die Kommentare der Dämonen wertlos sind. Arjuna akzeptiert Śrī Kṛṣṇa als den Höchsten Persönlichen Gott, und jeder Kommentar zur Gītā, der dem Beispiel Arjunas folgt, ist wirklicher hingebungsvoller Dienst für den Ursprung dieser bedeutenden Wissenschaft. Die dämonischen Menschen jedoch erfinden etwas über Kṛṣṇa und bringen die Öffentlichkeit und die Führer der Menschen vom Pfad der Unterweisungen Kṛṣṇas ab. Man sollte versuchen, der Nachfolge der geistigen Meister zu folgen, die von Arjuna ausgeht – auf diese Weise wird man einen großen Nutzen gewinnen.

VERS 4

अर्जुन उवाच ।
अपरं भवतो जन्म परं जन्म विवस्वतः ।
कथमेतद्विजानीयां त्वमादौ प्रोक्तवानिति ॥४॥

arjuna uvāca
aparaṁ bhavato janma
paraṁ janma vivasvataḥ
katham etad vijānīyāṁ
tvam ādau proktavān iti

arjunaḥ uvāca – Arjuna sagte; aparam – jünger; bhavataḥ – Deine; janma – Geburt; param – älter; janma – Geburt; vivasvataḥ – des Sonnengottes; katham – wie; etat – dieses; vijānīyām – soll ich verstehen; tvam – Du; ādau – am Anfang; proktavān – unterwiesen hast; iti – so.

ÜBERSETZUNG

Arjuna sagte: Der Sonnengott Vivasvān ist von Geburt her älter als Du. Wie ist es daher zu verstehen, daß Du ihn am Anfang in dieser Wissenschaft unterwiesen hast.

ERKLÄRUNG

Es besteht kein Zweifel darüber, daß Arjuna ein Geweihter des Herrn ist; und daher mag man sich fragen, wie er dann den Worten Kṛṣṇas keinen Glauben schenken konnte. Die Erklärung ist, daß Arjuna nicht für sich selbst fragte, sondern für diejenigen, die nicht an den Höchsten Persönlichen Gott glauben – die Dämonen, die Kṛṣṇa nicht als den Höchsten Persönlichen Gott anerkennen wollen. Für sie allein stellte Arjuna diese Fragen, als wüßte er nicht, daß Kṛṣṇa der Persönliche Gott ist. Wie im Zehnten Kapitel deutlich wird, wußte Arjuna sehr wohl, daß Kṛṣṇa der Höchste Persönliche Gott, der Ursprung allen Seins und das höchste Prinzip in der Transzendenz ist. Natürlich erschien Kṛṣṇa auch als der Sohn Devakīs auf dieser Erde. Wie es möglich war, daß Kṛṣṇa dennoch derselbe Höchste Persönliche Gott, die ewige, ursprüngliche Person blieb, ist für den gewöhnlichen Menschen sehr schwer zu verstehen. Um diesen Punkt also zu klären, stellte Arjuna Kṛṣṇa diese Frage, so daß der Herr als Autorität darüber sprechen konnte. Nicht nur heute, sondern seit unvordenklichen Zeiten erkennt die gesamte Welt Kṛṣṇa als die höchste Autorität an, und nur die Dämonen verleugnen Ihn. Da Kṛṣṇa die von allen anerkannte Autorität ist, stellte Arjuna Ihm diese Frage, damit Kṛṣṇa Sich Selbst beschreiben konnte, ohne den Dämonen die Möglichkeit zu geben, die Wahrheit über Ihn zu verzerren und Ihn in einer Weise zu beschreiben, die den Dämonen und ihren Anhängern angenehm wäre. Es ist für jeden in seinem eigenen Interesse notwendig, die Wissenschaft von Kṛṣṇa zu kennen. Es ist daher für alle Welten glückverheißend, wenn Kṛṣṇa Selbst über Sich spricht. Den Dämonen mögen solche Erklärungen fremd erscheinen, da sie Kṛṣṇa immer nur von ihrem eigenen Standpunkt aus betrachten, aber die Gottgeweihten begrüßen die Erklärungen Kṛṣṇas, wenn sie von Ihm Selbst gesprochen werden, mit großer Freude. Die Gottgeweihten werden solche autoritativen Aussagen Kṛṣṇas immer verehren, weil sie ständig darum bemüht sind, mehr über Ihn zu erfahren. Die Atheisten, die Kṛṣṇa für einen gewöhnlichen Menschen halten, können auf diese Weise erkennen, daß Kṛṣṇa übermenschlich ist, sac-cid-ānanda-vigraha – die ewige Gestalt voller Wissen und Glückseligkeit –, daß er transzendental ist und daß Er über dem Herrschaftsbereich der Erscheinungsweisen der materiellen Natur steht und Sich jenseits des Einflusses von Raum und Zeit befindet. Ein Gottgeweihter wie Arjuna ist sich natürlich niemals über die transzendentale Position Kṛṣṇas im unklaren. Das Arjuna dem Herrn diese Frage stellt, ist nichts anderes, als ein Versuch des Gottgeweihten, die atheistische Haltung jener Menschen herauszufordern, die Kṛṣṇa für einen gewöhnlichen Menschen halten, der den Erscheinungsweisen der materiellen Natur unterworfen ist.

VERS 5

श्रीभगवानुवाच ।
बहूनि मे व्यतीतानि जन्मानि तव चार्जुन ।
तान्यहं वेद सर्वाणि न त्वं वेत्थ परंतप ॥५॥

śrī bhagavān uvāca
bahūni me vyatītāni
janmāni tava cārjuna
tāny ahaṁ veda sarvāṇi
na tvaṁ vettha parantapa

śrī bhagavān uvāca – der Persönliche Gott sagte; bahūni – viele; me – Meiner; vyatītāni – sind vergangen; janmāni – Geburten; tava – deiner; ca – und auch; arjuna – O Arjuna; tāni – all diese; aham – Ich; veda – weiß; sarvāṇi – alle; na – nicht; tvam – du selbst; vettha – weißt; parantapa – O Bezwinger der Feinde.

ÜBERSETZUNG

Der Höchste Herr sagte: Viele Geburten haben sowohl du als auch Ich hinter uns gelassen. Ich kann Mich an sie alle erinnern, doch du kannst es nicht, o Bezwinger der Feinde.

ERKLÄRUNG

Die Brahma-saṁhitā gibt uns über sehr viele Inkarnationen des Herrn Auskunft. Es wird dort gesagt:

advaitam acyutam anādim ananta-rūpam
ādyaṁ purāṇa-puruṣaṁ nava-yauvanaṁ ca
vedeṣu durllabham adurllabham ātma-bhaktau
govindam ādi-puruṣaṁ tam ahaṁ bhajāmi.

„Ich verehre den Höchsten Persönlichen Gott, Govinda (Kṛṣṇa), der die ursprüngliche Person ist – absolut, unfehlbar, ohne Anfang und obwohl in unzählige Formen erweitert dennoch der gleiche Ursprüngliche und Älteste und immer von blühender Jugend. Diese ewigen, glückseligen, allwissenden Formen des Herrn werden gewöhnlich nur von den besten vedischen Gelehrten verstanden, doch den reinen Gottgeweihten sind sie immer sichtbar.“ (Bs. 5.33)

In der Brahma-saṁhitā heißt es weiter:

rāmādi mūrttiṣu kalā-niyamena tiṣṭhan
nānāvatāram akarod bhuvaneṣu kintu
kṛṣṇaḥ svayaṁ samabhavat paramaḥ pumān yo
govindam ādi-puruṣaṁ tam ahaṁ bhajāmi

„Ich verehre den Höchsten Persönlichen Gott, Govinda (Kṛṣṇa), der immer in verschiedenen Inkarnationen wie Rāma, Nṛsiṁha und auch vielen untergeordneten Inkarnationen erscheint, der aber der ursprüngliche Persönliche Gott ist, Kṛṣṇa, der Sich auch persönlich inkarniert.“ (Bs. 5.39)

Auch wird in den Veden gesagt, daß sich der Herr in unzähligen Formen manifestiert, obwohl Er „Einer ohne einen Zweiten“ ist. Er ist wie der vaidurya-Stein, der seine Farbe wechselt, aber dennoch der Gleiche bleibt. All diese vielfältigen Formen werden von den reinen, unverfälschten Gottgeweihten verstanden und nicht von denen, die lediglich die Veden studieren: vedeṣu durllabham adurllabham ātma-bhaktau. Gottgeweihte wie Arjuna sind ständige Gefährten des Herrn, und immer wenn Sich der Herr inkarniert, inkarnieren sich auch Seine Ihm beigesellten Geweihten, um dem Herrn in verschiedener Weise zu dienen. Arjuna ist einer dieser Gottgeweihten, und aus diesem Vers läßt sich ersehen, daß vor einigen Millionen von Jahren, als Śrī Kṛṣṇa die Bhagavad-gītā zum Sonnengott Vivasvān sprach, auch Arjuna, in einer anderen Form, gegenwärtig war. Der Unterschied zwischen dem Herrn und Arjuna besteht darin, daß der Herr Sich an diese Ereignisse erinnert, wohingegen sich Arjuna nicht daran erinnern kann. Das ist der Unterschied zwischen dem Lebewesen, dem Bestandteil, und dem Höchsten Herrn. Obwohl Arjuna hier als mächtiger Held bezeichnet wird, der seine Feinde bezwingen kann, ist er nicht imstande, sich an das zu erinnern, was sich in verschiedenen vergangenen Leben ereignet hat. Ein Lebewesen, ganz gleich wie bedeutend es nach materiellen Maßstäben auch sein mag, kann also niemals dem Höchsten Herrn gleichkommen. Jeder ständige Gefährte des Herrn ist gewiß eine befreite Seele, doch niemals kann er dem Herrn gleichkommen. In der Brahma-saṁhitā wird der Herr als unfehlbar (acyuta) beschrieben; das bedeutet, daß Er Sich Selbst niemals vergißt, auch dann nicht, wenn Er mit Materie in Berührung kommt. Deshalb können der Herr und das Lebewesen niemals in jeder Hinsicht gleich sein, selbst wenn das Lebewesen, wie Arjuna, befreit ist. Obwohl Arjuna ein Gottgeweihter ist, vergißt er manchmal das Wesen des Herrn, aber durch die göttliche Gnade Kṛṣṇas kann ein Gottgeweihter augenblicklich das unfehlbare Wesen des Höchsten verstehen, wohingegen ein Nicht-Gottgeweihter, ein Dämon, dieses transzendentale Wesen nicht verstehen kann. Folglich können diese Beschreibungen der Gītā von dämonischen Gehirnen nicht verstanden werden. Kṛṣṇa erinnert Sich an Handlungen, die Millionen von Jahren zurückliegen, doch Arjuna konnte sich nicht daran erinnern, obgleich sowohl Kṛṣṇa als auch Arjuna dem Wesen nach ewig sind. Hieraus können wir ebenfalls ersehen, daß ein Lebewesen alles vergißt, weil es seinen Körper wechselt – der Herr Sich jedoch an alles erinnert, weil sich Sein sac-cid-ānanda-Körper niemals wandelt. Er ist advaita (es besteht kein Unterschied zwischen Seinem Körper und Ihm Selbst). Alles mit Ihm Verbundene ist spirituell, während die bedingte Seele von Ihrem materiellen Körper verschieden ist. Und weil der Körper und das Selbst des Herrn identisch sind, unterscheidet sich Seine Position von der eines gewöhnlichen Lebewesens immer – auch dann, wenn Er auf die materielle Ebene herabsteigt. Wie der Herr im folgenden Vers erklärt, können die Dämonen das transzendentale Wesen des Höchsten nicht verstehen.

VERS 6

अजोऽपि सन्नव्ययात्मा भूतानामीश्वरोऽपि सन् ।
प्रकृतिं स्वामधिष्ठाय सम्भवाम्यात्ममायया ॥६॥

ajo’pi sann avyayātmā
bhūtānām īśvaro’pi san
prakṛtiṁ svām adhiṣṭhāya
sambhavāmy ātma-māyayā

ajaḥ – ungeboren; api – obwohl; san – so beschaffen sein; avyaya – ohne Verfall; ātmā – Körper; bhūtānām – all die, die geboren sind; īśvaraḥ – der Höchste Herr; api – obwohl; san – so beschaffen; prakṛtim – transzendentale Gestalt; svām – von Mir; adhiṣṭhāya – weil Ich so bin; sambhavāmi – Ich inkarniere Mich; ātma-māyayā – durch Meine innere Energie.

ÜBERSETZUNG

Obgleich Ich ungeboren bin und Mein transzendentaler Körper niemals vergeht, und obwohl Ich der Herr aller fühlenden Wesen bin, erscheine Ich dennoch in jedem Zeitalter in Meiner ursprünglichen transzendentalen Gestalt.

ERKLÄRUNG

Der Herr hat über die Besonderheit Seiner Geburt gesprochen: obwohl Er wie ein gewöhnlicher Mensch erscheinen mag, erinnert Er Sich an all Seine zahllosen vergangenen „Geburten“, während sich ein gewöhnlicher Mensch nicht einmal an das erinnern kann, was er vor ein paar Stunden getan hat. Wenn jemand gefragt wird, womit er einen Tag zuvor zur gleichen Zeit beschäftigt war, fällt es einem gewöhnlichen Menschen sehr schwer, sofort eine Antwort zu geben. Er müßte sicherlich sein Gedächtnis durchforschen, um sich zu erinnern, was er einen Tag zuvor zur gleichen Zeit getan hat. Und dennoch wagen viele Menschen zu behaupten, sie seien Gott bzw. Kṛṣṇa. Man sollte sich jedoch von solch unbedeutenden Behauptungen nicht irreführen lassen.

Als nächstes erklärt der Herr Seine prakṛti, Seine Gestalt. Prakṛti bedeutet sowohl Natur als auch svarūpa (die Gestalt des Lebewesens). Der Herr sagt, daß Er in Seinem ursprünglichen Körper erscheine. Er wechselt Seinen Körper nicht, wie das gewöhnliche Lebewesen, das von einem Körper zum anderen wandert. Die bedingte Seele mag in einem Leben eine bestimmte Form des Körpers haben, doch im nächsten Leben erhält sie einen anderen Körper. In der materiellen Welt besitzt das Lebewesen keinen bleibenden Körper, sondern wandert von einem Körper zum anderen – der Herr jedoch wechselt Seinen Körper nicht. Wann immer Er erscheint, erscheint Er durch Seine innere Energie in Seinem stets gleichen, ursprünglichen Körper. Mit anderen Worten, Kṛṣṇa erscheint in der materiellen Welt in Seiner ursprünglichen, ewigen Gestalt, mit zwei Händen, eine Flöte haltend. Er erscheint, wie Er ist, in Seinem ewigen Körper, unberührt von der materiellen Welt. Obwohl Er immer im gleichen transzendentalen Körper erscheint und der Herr des Universums ist, scheint es dennoch, als würde Er wie ein gewöhnliches Lebewesen geboren. Trotz der Tatsache, daß Śrī Kṛṣṇa vom Kind zum Knaben und vom Knaben zum Jüngling heranwächst, wird Er doch erstaunlicherweise niemals älter als ein Jüngling. Als die Schlacht von Kurukṣetra stattfand, hatte Er bereits viele Enkel, das heißt, nach materieller Berechnung hatte Er bereits ein hohes Alter erreicht. Dennoch sah Er aus wie ein Jüngling von zwanzig oder fünfundzwanzig Jahren. Wir sehen niemals ein Bild, das Kṛṣṇa als alten Mann zeigt, da Er niemals alt wird wie wir, obwohl Er in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Älteste in der gesamten Schöpfung ist. Weder Sein Körper noch Seine Intelligenz vergehen oder wandeln sich jemals. Daher ist es klar, daß Er, obwohl Er Sich in der materiellen Welt befindet, immer dieselbe ungeborene, ewige Gestalt voller Glückseligkeit und Wissen ist und daß Sein transzendentaler Körper und Seine Intelligenz niemals dem Wandel unterworfen sind. Er ähnelte in Seinem Erscheinen und Fortgehen der Sonne, die aufgeht, vor uns am Himmel wandert und dann wieder unserer Sicht entschwindet. Wenn die Sonne außer Sicht ist, denken wir, die Sonne sei untergegangen, und wenn die Sonne unseren Augen sichtbar wird, denken wir, die Sonne erscheine am Horizont. In Wirklichkeit jedoch befindet sich die Sonne immer an ihrem festgelegten Ort, aber weil unsere Sinne fehlerhaft und unvollkommen sind, stellen wir über das Erscheinen und Fortgehen der Sonne am Himmel Überlegungen an. Und da das Erscheinen und Fortgehen Kṛṣṇas von dem eines gewöhnlichen Lebewesens völlig verschieden ist, ist es offensichtlich, daß Er durch Seine innere Energie ewiges, glückseliges Wissen ist und niemals von der materiellen Natur verunreinigt wird. Auch die Veden bestätigen, daß der Höchste Persönliche Gott ungeboren ist, aber dennoch erscheint es, als würde Er in vielfältigen Manifestationen geboren. Auch die Schriften, die die Veden ergänzen, bestätigen, daß der Herr, obwohl Er scheinbar geboren wird, niemals Seinen Körper wechselt. Im Śrīmad-Bhāgavatam wird beschrieben, wie Er vor Seiner Mutter in der vierhändigen Form als Nārāyaṇa erscheint, der mit den Zeichen der sechs verschiedenen Füllen geschmückt ist. Nach dem Viśvakośa-Wörterbuch ist Sein Erscheinen in Seiner ursprünglichen ewigen Gestalt Seine grundlose Barmherzigkeit. Der Herr ist Sich all Seines vorangegangenen Erscheinens und Fortgehens bewußt. Ein gewöhnliches Lebewesen jedoch vergißt alles über seinen vergangenen Körper, sobald es einen neuen Körper erhält. Er ist der Herr aller Lebewesen, weil Er wunderbare menschliche Aktivitäten offenbart, während Er auf dieser Erde weilt. Daher ist der Herr immer die gleiche Absolute Wahrheit, und es besteht kein Unterschied zwischen Seiner Gestalt und Ihm Selbst bzw. zwischen Seinen Eigenschaften und Seinem Körper. Es mag sich nun die Frage stellen, weshalb der Herr in dieser Welt erscheint und wieder fortgeht. Dies wird im nächsten Vers erklärt.

VERS 7

यदा यदा हि धर्मस्य ग्लानिर्भवति भारत ।
अभ्युत्थानमधर्मस्य तदात्मानं सृजाम्यहम् ॥७॥

yadā yadā hi dharmasya
glānir bhavati bhārata
abhyutthānam adharmasya
tadātmānaṁ sṛjāmyaham

yadā – wann immer; yadā – wo immer; hi – gewiß; dharmasya – der Religion; glāniḥ – Abweichungen; bhavati – erkennbar wird; bhārata – O Nachkomme Bhāratas; abhyutthānam – Vorherrschaft; adharmasya – der Irreligiosität; tadā – zu dieser Zeit; ātmānam – Selbst; sṛjāmi – sichtbar; aham – Ich.

ÜBERSETZUNG

Wann immer und wo immer das religiöse Leben verfällt und Irreligiosität überhandnimmt, o Nachkomme Bharatas, zu der Zeit erscheine Ich.

ERKLÄRUNG

Das Wort sṛjāmi ist hier von Bedeutung. Sṛjāmi kann in diesem Zusammenhang nicht im Sinne von Schöpfung verstanden werden, denn nach der Aussage des vorherigen Verses wird die Gestalt, das heißt der Körper des Herrn, niemals erschaffen, da all Seine Formen ewiglich existieren. Daher bedeutet sṛjāmi, daß Sich der Herr manifestiert, wie Er ist. Obwohl der Herr nach Plan erscheint, nämlich am Ende des Dvāpara-yuga, im achtundzwanzigsten Zeitalter des achten Manu, an einem Tag Brahmās, ist Er dennoch nicht verpflichtet, solche Regeln und Regulierungen einzuhalten, denn es steht Ihm völlig frei, nach Seinem Willen zu handeln. Er erscheint daher nach Seinem Willen immer dann, wenn Irreligiosität zunimmt und wirkliche Religion verfällt. Die Prinzipien der Religion sind in den Veden festgelegt, und jede Abweichung von der richtigen Ausführung der vedischen Regeln macht einen Menschen irreligiös. Im Bhāgavatam wird erklärt, daß solche Prinzipien die Gesetze des Herrn sind. Allein der Herr kann eine Religion schaffen. Es wird ebenfalls anerkannt, daß der Herr die Veden ursprünglich Brahmā durch dessen Herz offenbarte. Deshalb sind die Prinzipien des dharma (der Religion) die direkten Anweisungen des Höchsten Persönlichen Gottes (dharmaṁ tu sākṣāt-bhagavat-praṇītam). Auf diese Prinzipien wird überall in der Bhagavad-gītā hingewiesen. Es ist das Ziel der Veden, nach den Anweisungen des Herrn solche Prinzipien festzulegen, und der Herr erklärt am Schluß der Gītā, daß das höchste Prinzip der Religion darin bestehe, sich Ihm allein hinzugeben. Die vedischen Prinzipien führen einen Menschen bis an den Punkt, an dem er bereit ist, sich dem Höchsten Herrn völlig hinzugeben. Und immer, wenn diese Prinzipien von dämonischen Menschen gestört werden, erscheint der Herr. Aus dem Bhāgavatam erfahren wir, daß Buddha eine Inkarnation Kṛṣṇas ist, die erschien, als der Materialismus überhandnahm und die Materialisten die Autorität der Veden zum Vorwand nahmen, unschuldige Tiere zu schlachten. Obwohl es in den Veden gewisse einschränkende Regeln und Regulierungen gibt, die sich auf Tieropfer beziehen, die für ganz bestimmte Zwecke durchgeführt werden, brachten die Dämonen dennoch diese Tieropfer dar, ohne sich nach den vedischen Prinzipien zu richten. Buddha erschien daher, um diesem unsinnigen Tun ein Ende zu bereiten und die vedischen Prinzipien der Gewaltlosigkeit einzuführen. Jeder einzelne avatāra (Inkarnation des Herrn) hat also eine bestimmte Aufgabe, und sie alle werden in den offenbarten Schriften beschrieben. Niemand sollte als avatāra akzeptiert werden, wenn er nicht in den Schriften erwähnt wird. Es ist nicht wahr, daß der Herr nur in Indien erscheint. Er kann überall und zu jeder Zeit erscheinen. In jeder Inkarnation offenbart Er so viel über Religion, wie es von ganz bestimmten Menschen unter ganz bestimmten Umständen verstanden werden kann. Aber die Aufgabe ist immer die gleiche: Sie besteht darin, die Menschen zum Gottesbewußtsein und zum Gehorsam gegenüber den Prinzipien der Religion zu führen. Manchmal steigt der Herr persönlich herab, und manchmal sendet Er Seinen echten Repräsentanten in der Form Seines Sohnes oder Dieners, und manchmal erscheint Er Selbst in einer verkleideten Form.

Die Prinzipien der Bhagavad-gītā wurden Arjuna und damit auch anderen hochstehenden Menschen verkündet, weil Arjuna, im Vergleich zu gewöhnlichen Menschen in anderen Teilen der Welt, sehr weit fortgeschritten war. Das zwei und zwei gleich vier ist, ist ein mathematisches Prinzip, das sowohl beim einfachen Rechnen als auch in der höheren Arithmetik gilt; dennoch gibt es höhere und niedere Mathematik. Alle Inkarnationen des Herrn lehren deshalb die gleichen Prinzipien, doch den verschiedenen Umständen entsprechend erscheinen ihre Lehren auf einer höheren oder niederen Ebene. Wie später noch erklärt wird, beginnen die höheren Prinzipien der Religion, wenn man die vier Unterteilungen und Stufen des sozialen Lebens akzeptiert. Die einzige Aufgabe einer Inkarnation besteht darin, überall Kṛṣṇa-Bewußtsein zu erwecken. Daß dieses Bewußtsein einmal sichtbar und ein anderes Mal nicht sichtbar ist, liegt allein an den jeweiligen Umständen.

VERS 8

परित्राणाय साधूनां विनाशाय च दुष्कृताम् ।
धर्मसंस्थापनार्थाय सम्भवामि युगे युगे ॥८॥

paritrāṇāya sādhūnāṁ
vināśāya ca duṣkṛtām
dharma-saṁsthāpanārthāya
sambhavāmi yuge yuge

paritrāṇāya – zur Befreiung; sādhūnām – der Gottgeweihten; vināśāya – zur Vernichtung; ca – auch; duṣkṛtām – der Schurken; dharma – Prinzipien der Religion; saṁsthāpana-arthāya – um zu erneuern; sambhavāmi – Ich erscheine; yuge – Zeitalter; yuge – nach Zeitalter.

ÜBERSETZUNG

Um die Frommen zu befreien und die Schurken zu vernichten, und um die Prinzipien der Religion wieder einzuführen, erscheine Ich in jedem Zeitalter.

ERKLÄRUNG

Nach den Lehren der Bhagavad-gītā ist ein sādhu (ein Heiliger) ein Mensch, der im Kṛṣṇa-Bewußtsein verankert ist. Ein Mensch mag irreligiös erscheinen, doch wenn er voll und ganz die Qualifikationen eines Kṛṣṇa-bewußten Menschen besitzt, muß er als sādhu angesehen werden. Duṣkṛtam bezieht sich auf jemanden, der sich nicht um Kṛṣṇa-Bewußtsein kümmert. Solche Schurken (duṣkṛtam) werden als verblendet bzw. als die Niedrigsten der Menschheit beschrieben, selbst wenn sie mit weltlicher Bildung dekoriert sein mögen, wohingegen ein Mensch, der sich völlig im Kṛṣṇa-Bewußtsein beschäftigt, aber weder gelehrt noch gebildet ist, als sādhu angesehen wird. Was die Atheisten betrifft, so ist es nicht notwendig, daß der Höchste Herr persönlich erscheint, um sie zu vernichten, wie Er es bei den Dämonen Rāvana und Kaṁsa tat. Der Herr hat viele Helfer, die durchaus die Fähigkeit haben, Dämonen zu töten. Er steigt jedoch besonders herab, um Seine reinen Geweihten zu beruhigen, die ständig von dämonischen Menschen verfolgt werden. Die Dämonen verfolgen die Gottgeweihten, selbst wenn es sich dabei um ihre nächsten Verwandten handelt. Obwohl Prahlāda Mahārāja der Sohn Hiraṇyakaśipus war, wurde er dennoch von seinem Vater verfolgt, und obwohl Devakī, Kṛṣṇas Mutter, die Schwester Kaṁsas war, wurden sie und ihr Ehemann Vasudeva verfolgt, nur weil Kṛṣṇa geboren werden sollte. Śrī Kṛṣṇa erschien also hauptsächlich, um Devakī zu befreien, und weniger, um Kaṁsa zu töten; doch tat Er beides gleichzeitig. Deshalb wird hier gesagt, daß der Herr in verschiedenen Inkarnationen erscheint, um die Gottgeweihten zu befreien und die dämonischen Schurken zu vernichten.

Kṛṣṇadāsa Kavirāja erklärt in seinem Caitanya-caritāmṛta im folgenden Vers das Wesen der Inkarnationen:

sṛṣṭi-hetu yei mūrti prapañce avatare
sei īśvara-mūrti ‚avatāra‘ nāma dhare
māyātita paravyome savāra avasthāna
viśve ‚avatāri‘ dhare ‚avatāra‘ nāma.

„Der avatāra (die Inkarnation des Höchsten Herrn) steigt aus dem Königreich Gottes herab, um sich in der materiellen Welt zu manifestieren. Und die besondere Form des Höchsten Persönlichen Gottes, die auf diese Weise herabsteigt, wird Inkarnation bzw. avatāra genannt.“

Diese Inkarnationen existieren ewiglich in der spirituellen Welt, dem Königreich Gottes. Wenn sie in die materielle Schöpfung herabsteigen, werden sie avatāras genannt. Es gibt verschiedene avatāras, wie zum Beispiel puruṣāvatāras, guṇāvatāras, līlāvatāras, śaktyāveśāvatāras, manvantarāvatāras und yugāvatāras – sie alle erscheinen in einer ganz bestimmten Reihenfolge überall im Universum. Kṛṣṇa aber ist der urerste Herr, der Ursprung aller avatāras. Śrī Kṛṣṇa, der Herr, erscheint mit der besonderen Absicht, die Ängste der reinen Gottgeweihten zu mildern, die sich sehr danach sehnen, Ihn bei Seinen ursprünglichen Spielen in Vṛndāvana zu sehen. Daher besteht der eigentliche Sinn des Kṛṣṇa-avatāras darin, Seine reinen Geweihten zu erfreuen. Der Herr sagt, daß Er Sich in jedem Zeitalter inkarniere. Dies weist darauf hin, daß Er Sich auch im Zeitalter des Kali inkarniert. Wie im Śrīmad-Bhāgavatam gesagt wird, ist Śrī Kṛṣṇa Caitanya Mahāprabhu die Inkarnation des Höchsten in diesem Zeitalter des Kali. Śrī Kṛṣṇa Caitanya führte die Verehrung Kṛṣṇas durch die saṅkīrtana-Bewegung (das gemeinsame Chanten der heiligen Namen) ein und verbreitete Kṛṣṇa-Bewußtsein in ganz Indien. Er sagte voraus, daß diese Kultur, die saṅkīrtana-Bewegung, überall in der Welt von Stadt zu Stadt und von Dorf zu Dorf verbreitet werden wird. Nur in den vertraulichen Teilen der offenbarten Schriften, wie zum Beispiel den Upaniṣaden, dem Mahābhārata, und dem Bhāgavatam, können wir auf geheime Weise erfahren – nicht direkt –, daß Śrī Kṛṣṇa Caitanya die Inkarnation Kṛṣṇas, des Höchsten Persönlichen Gottes, ist. Die Geweihten Śrī Kṛṣṇas fühlen sich zur saṅkīrtana-Bewegung Śrī Kṛṣṇa Caitanyas sehr hingezogen. Dieser avatāra des Herrn tötete die Schurken nicht, sondern befreite sie durch Seine grundlose Barmherzigkeit.

VERS 9

जन्म कर्म च मे दिव्यमेवं यो वेत्ति तत्त्वतः ।
त्यक्त्वा देहं पुनर्जन्म नैति मामेति सोऽर्जुन ॥९॥

janma karma ca me divyam
evaṁ yo vetti tattvataḥ
tyaktvā dehaṁ punar janma
naiti mām eti so’rjuna

janma – Geburt; karma – Handlung; ca – auch; me – von Mir; divyam – transzendental; evam – wie dieses; yaḥ – jeder, der; vetti – kennt; tattvataḥ – in Wirklichkeit; tyaktvā – beiseite lassen; deham – diesen Körper; punaḥ – wieder; janma – Geburt; na – niemals; eti – erlangt; mām – zu Mir; eti – erlangen; saḥ – er; arjuna – O Arjuna.

ÜBERSETZUNG

Wer das transzendentale Wesen Meines Erscheinens und Meiner Aktivitäten kennt, wird, nachdem er seinen Körper verlassen hat, nicht wieder in der materiellen Welt geboren, sondern in Mein ewiges Reich gelangen.

ERKLÄRUNG

Das Herabsteigen des Herrn aus Seinem transzendentalen Reich wurde schon im sechsten Vers erklärt. Wer das wahre Wesen Seines Erscheinens verstehen kann, ist augenblicklich von der materiellen Fessel befreit und kehrt deshalb sofort nachdem er den gegenwärtigen materiellen Körper verlassen hat in das Königreich Gottes zurück. Diese Befreiung des Lebewesens aus der Gefangenschaft der Materie ist durchaus nicht leicht zu erreichen. Die Unpersönlichkeitsanhänger und die yogīs erreichen die Befreiung nur nach vielen Schwierigkeiten und vielen, vielen Geburten. Aber selbst dann ist die Befreiung, die sie erreichen – sie verschmelzen mit dem unpersönlichen brahmajyoti des Herrn – nur unvollständig, und es besteht die Gefahr, daß sie wieder in die materielle Welt zurückkehren. Aber der Gottgeweihte geht nach Verlassen des materiellen Körpers in das Reich des Herrn ein, indem er ganz einfach das transzendentale Wesen des Körpers und der Aktivitäten des Herrn versteht; für ihn besteht nicht die Gefahr, wieder in die materielle Welt zurückzukehren. In der Brahma-saṁhitā wird gesagt, daß der Herr zahllose Formen und Inkarnationen hat: advaitam acyutam anādim anantarūpam. Obwohl es viele transzendentale Formen des Herrn gibt, sind sie alle dennoch der eine und selbe Höchste Persönliche Gott. Man muß diese Tatsache mit Überzeugung verstehen, obwohl sie den weltlichen Gelehrten und empirischen Philosophen unbegreiflich ist. In den Veden heißt es:

eko devo nitya-līlānurakto bhakta-vyāpī hṛdy antarātmā.

„Der eine Höchste Persönliche Gott ist in unendlich vielen transzendentalen Formen ewiglich damit beschäftigt, Beziehungen mit Seinen reinen Geweihten auszutauschen.“

Diese vedische Aussage wird in diesem Vers der Gītā vom Herrn persönlich bestätigt. Wer diese Wahrheit aufgrund der Autorität der Veden und des Persönlichen Gottes akzeptiert und seine Zeit nicht mit philosophischen Spekulationen verschwendet, erreicht die am höchsten vervollkommnete Stufe der Befreiung. Indem man diese Wahrheit einfach aus Vertrauen akzeptiert, kann man ohne Zweifel Befreiung erlangen. In diesem Falle läßt sich das ,,tat tvam asi“ der Veden wirklich anwenden. Jeder, der versteht, daß Śrī Kṛṣṇa der Höchste ist, oder zum Herrn sagt, „Du bist das Höchste Brahman, der Persönliche Gott“, wird mit Sicherheit augenblicklich befreit und kann daher an der transzendentalen Gemeinschaft des Herrn teilhaben. Mit anderen Worten, solch ein gläubiger Gottgeweihter erlangt Vollkommenheit. Dies wird durch folgende vedische Erklärung bestätigt:

tam eva viditvātimṛtyumeti nānyaḥ panthā vidyate ayanāya.

„Man kann die vollkommene Stufe der Befreiung von Geburt und Tod sehr leicht erreichen, wenn man den Herrn, den Höchsten Persönlichen Gott, kennt.“

Es gibt keine andere Möglichkeit, denn jeder, der nicht Śrī Kṛṣṇa als den Höchsten Persönlichen Gott akzeptiert, befindet sich mit Sicherheit in der Erscheinungsweise der Unwissenheit. Folglich wird er nicht Befreiung erlangen, wenn er nur sozusagen von außen am Honigtopf leckt, das heißt die Bhagavad-gītā mit weltlicher Gelehrtheit interpretiert. Solche empirischen Philosophen spielen vielleicht in der materiellen Welt sehr wichtige Rollen, doch das befähigt sie nicht unbedingt zur Befreiung. Solche blasierten weltlichen Gelehrten müssen auf die grundlose Barmherzigkeit des Gottgeweihten warten. Man sollte deshalb Kṛṣṇa-Bewußtsein mit Vertrauen und Wissen entwickeln und auf diese Weise die Vollkommenheit erreichen.

VERS 10

वीतरागभयक्रोधा मन्मया मामुपाश्रिताः ।
बहवो ज्ञानतपसा पूता मद्भावमागताः ॥१०॥

vīta-rāga-bhaya-krodhā
man-mayā mām upāśritāḥ
bahavo jñāna-tapasā
pūtā mad-bhāvam āgatāḥ

vīta – befreit von; rāga – Anhaftung; bhaya – Angst; krodhāḥ – Zorn; mat-mayā – völlig in Mir; mām – zu Mir; upāśritāḥ – völlig verankert sein; bahavaḥ – viele; jñāna – Wissen; tapasā – durch Buße; pūtāḥ – gereinigt sein; mat-bhāvam – transzendentale Liebe zu Mir; āgatāḥ – erlangten.

ÜBERSETZUNG

Befreit von Anhaftung, Angst und Zorn, und völlig in Mich vertieft, wurden in der Vergangenheit viele Menschen, die bei Mir Zuflucht suchten, durch Wissen über Mich gereinigt und erlangten so transzendentale Liebe zu Mir.

ERKLÄRUNG

Wie bereits oben erklärt wurde, ist es für einen Menschen, der zu sehr von der Materie beeinflußt wird, sehr schwierig, das persönliche Wesen der Höchsten Absoluten Wahrheit zu verstehen. Im allgemeinen sind Menschen, die an der körperlichen Auffassung des Lebens haften, so sehr in den Materialismus versunken, daß es für sie unmöglich ist zu verstehen, daß es einen transzendentalen Körper gibt, der unvergänglich, voller Wissen und ewiglich voller Glückseligkeit ist. Im materiellen Leben ist der Körper vergänglich, voller Unwissenheit und voller Leid. Deshalb behalten die meisten Menschen diese Vorstellung vom Körper auch dann bei, wenn sie über die persönliche Gestalt des Herrn hören. Für solche materialistischen Menschen ist die Form der gigantischen Manifestation das Höchste. Folglich halten sie den Höchsten für unpersönlich. Und weil sie zu sehr in die Materie versunken sind, erschreckt sie die Vorstellung, auch nach der Befreiung von der Materie ihre Persönlichkeit zu behalten. Wenn sie darüber informiert werden, daß spirituelles Leben ebenfalls individuell und persönlich ist, bekommen sie Angst, erneut Personen zu werden, und so ziehen sie es vor, mit der unpersönlichen Leere zu verschmelzen. Gewöhnlich vergleichen sie die Lebewesen mit Luftblasen, die sich im Ozean auflösen. Dies ist die höchste Vollkommenheit spiritueller Existenz, die ohne individuelle Persönlichkeit erreicht werden kann. Es ist jedoch ein angstvoller Lebenszustand, in dem es an vollkommenem Wissen über spirituelle Existenz mangelt. Darüber hinaus gibt es viele Menschen, die spirituelles Dasein überhaupt nicht verstehen können. Weil sie von den vielen Theorien und Widersprüchen verschiedener philosophischer Spekulationen enttäuscht worden sind, fühlen sie sich abgestoßen oder werden ärgerlich und kommen in ihrer Verblendung zu der falschen Schlußfolgerung, daß es keine höchste Ursache gibt und daß letztlich alles leer ist. Solche Menschen befinden sich in einem krankhaften Zustand des Lebens. Einige haften zu sehr an der Materie und schenken daher dem spirituellen Leben keine Aufmerksamkeit, andere wollen mit der höchsten spirituellen Ursache verschmelzen, und wieder andere zweifeln an allem, weil sie aus Hoffnungslosigkeit über jede spirituelle Spekulation ärgerlich sind. Letztere nehmen bei allen möglichen Rauschmitteln Zuflucht, und ihre Halluzinationen werden manchmal für spirituelle Visionen gehalten. Man muß sich von diesen drei Stufen der Anhaftung an die materielle Welt lösen: von Gleichgültigkeit gegenüber spirituellem Leben, von Angst vor einer spirituellen persönlichen Identität und von der Vorstellung der „Leere“, die aus Frustration entsteht. Um von diesen drei Auffassungen des materiellen Lebens befreit zu werden, muß man unter der Führung eines echten geistigen Meisters beim Herrn ganz und gar Zuflucht suchen und den regulierenden Prinzipien des hingebungsvollen Dienens folgen. Die letzte Stufe des hingebungsvollen Lebens wird prema (transzendentale Liebe zu Gott) genannt. Im Bhakti-rasāmṛta-sindhu wird die Wissenschaft vom hingebungsvollen Dienen wie folgt erklärt:

ādau śraddhā tataḥ sādhu-saṅgo ’tha bhajana-kriyā
tato ’nartha-nivṛttiḥ syāt tato niṣṭhā rucis tataḥ
athāsaktis tato bhāvas tataḥ premābhyudañcati
sādhakānām ayaṁ premṇaḥ prādurbhāve bhavet kramaḥ.

„Am Anfang muß ein gewisses Verlangen nach Selbstverwirklichung vorhanden sein. Dies wird einen Menschen auf die Stufe führen, auf der er versucht, mit spirituell fortgeschrittenen Menschen zusammenzusein. Auf der nächsten Stufe wird er von einem echten geistigen Meister eingeweiht und beginnt unter dessen Anweisungen den Vorgang des hingebungsvollen Dienens. Durch die Ausübung des hingebungsvollen Dienens unter der Führung eines geistigen Meisters, wird man von aller materiellen Anhaftung frei, erreicht Beständigkeit in der Selbstverwirklichung und entwickelt die Neigung, über den Absoluten Persönlichen Gott, Śrī Kṛṣṇa, zu hören. Diese Neigung führt einen Gottgeweihten weiter vorwärts, so daß er am Kṛṣṇa-Bewußtsein haftet, das im gereiften Zustand bhāva (die vorbereitende Stufe der transzendentalen Liebe zu Gott) genannt wird. Wirkliche Liebe zu Gott wird premā genannt, die am höchsten vervollkommnete Stufe des Lebens.“

Auf der Ebene der premā ist der reine Gottgeweihte ständig im transzendentalen liebevollen Dienst des Herrn beschäftigt. Durch den allmählichen Vorgang des hingebungsvollen Dienens also, kann man unter der Führung eines echten geistigen Meisters die höchste Stufe erreichen und somit frei werden von aller materiellen Anhaftung, von der Angst vor Seiner individuellen spirituellen Persönlichkeit und von den Frustrationen, die aus leerer Philosophie entstehen. Dann kann man letztlich in das Reich des Höchsten Herrn eingehen.

VERS 11

ये यथा मां प्रपद्यन्ते तांस्तथैव भजाम्यहम् ।
मम वर्त्मानुवर्त्तन्ते मनुष्याः पर्था सर्वशः ॥११॥

ye yathā māṁ prapadyante
tāṁs tathaiva bhajāmy aham
mama vartmānuvartante
manuṣyāḥ pārtha sarvaśaḥ

ye – sie alle; yathā – wie; mām – zu Mir; prapadyante – sich hingeben; tān – ihnen; tathā – so; eva – gewiß; bhajāmi – vergelte Ich; aham – Ich; mama – Mein; vartam – Pfad; anuvartante – folgen; manuṣyāḥ – alle Menschen; pārtha – O Sohn Pṛthās; sarvaśaḥ – in jeder Hinsicht.

ÜBERSETZUNG

Jeden belohne Ich in dem Maße, wie er sich Mir hingibt, o Sohn Pṛthās. Alle ohne Ausnahme folgen Meinem Pfad.

ERKLÄRUNG

Jeder sucht Kṛṣṇa in den verschiedenen Aspekten Seiner Manifestationen. Kṛṣṇa, der Höchste Persönliche Gott, wird teilweise in Seiner unpersönlichen brahmajyoti-Ausstrahlung verwirklicht und teilweise als die alldurchdringende Überseele, die in allem, einschließlich der Atome, gegenwärtig ist. Vollständig kann Kṛṣṇa jedoch nur von Seinen reinen Geweihten verwirklicht werden. Kṛṣṇa ist das Ziel aller Erkenntnisse, und daher ist jeder mit der Erkenntnis zufrieden, die seinem Verlangen entspricht, die Absolute Wahrheit zu verwirklichen. Auch in der transzendentalen Welt tauscht Kṛṣṇa mit Seinen Geweihten transzendentale Beziehungen aus, die je nach dem Wunsch des Gottgeweihten verschieden sind. Einer wünscht sich Kṛṣṇa als höchsten Meister, ein anderer als seinen persönlichen Freund, wieder ein anderer als seinen Sohn, und wieder ein anderer als seinen Geliebten. Kṛṣṇa belohnt alle Gottgeweihten in gleichem Maße, das heißt entsprechend der verschiedenen Intensität, mit der sie Ihn lieben. In der materiellen Welt findet zwischen dem Herrn und denen, die Ihn verehren, der gleiche Austausch von Gefühlen statt. Die reinen Gottgeweihten sind sowohl hier als auch im transzendentalen Reich mit Ihm persönlich zusammen und sind fähig, dem Herrn persönlich zu dienen; auf diese Weise erfahren sie transzendentale Glückseligkeit in Seinem liebevollen Dienst. Auch den Unpersönlichkeitsanhängern, die spirituellen Selbstmord begehen wollen, indem sie die individuelle Existenz des Lebewesens vernichten wollen, hilft Kṛṣṇa, indem Er sie in Seine Ausstrahlung aufnimmt. Diese Unpersönlichkeitsanhänger wollen den ewigen, glückseligen Persönlichen Gott nicht akzeptieren, und folglich können sie die Glückseligkeit, die im transzendentalen persönlichen Dienst des Herrn erfahren wird, nicht kosten; denn sie haben ihre Individualität ausgelöscht. Einige von ihnen, die nicht einmal die unpersönliche Existenz erreicht haben, kehren wieder in die materielle Welt zurück, um ihre ruhenden Verlangen nach Aktivitäten zu befriedigen. Ihnen wird kein Einlaß in die spirituellen Planeten gewährt, sondern wieder die Möglichkeit gegeben, auf materiellen Planeten zu handeln. Als yajñeśvara gewährt der Herr den fruchtbringenden Arbeitern die gewünschten Ergebnisse ihrer vorgeschriebenen Pflichten, und auch den yogīs, die nach mystischen Kräften suchen, werden ihre Wünsche erfüllt. Mit anderen Worten, der Erfolg eines jeden hängt allein von der Barmherzigkeit des Höchsten Herrn ab, und alle spirituellen Vorgänge sind nichts anderes, als verschiedene Stufen des Erfolges auf dem gleichen Weg. Solange man deshalb nicht zur höchsten Vollkommenheit des Kṛṣṇa-Bewußtseins gelangt, bleiben, wie im Śrīmad-Bhāgavatam gesagt wird, alle Versuche unvollkommen.

akāmaḥ sarva-kāmo vā mokṣa-kāma udāradhīḥ
tīvreṇa bhakti-yogena yajeta puruṣaṁ param

„Ob man ohne jedes Verlangen ist (der Zustand der Gottgeweihten) oder nach fruchtbringenden Ergebnissen oder Befreiung strebt – man sollte mit seiner ganzen Kraft versuchen, den Höchsten Persönlichen Gott zu verehren, um die höchste Vollkommenheit zu erreichen, die im Kṛṣṇa-Bewußtsein ihren Höhepunkt findet.“ (Bhāg. 2.3.10)

VERS 12

काङ्क्षन्तः कर्मणां सिद्धिं यजन्त इह देवताः ।
क्षिप्रं हि मानुषे लोके सिद्धिर्भवति कर्मजा ॥१२॥

kāṅkṣantaḥ karmaṇāṁ siddhiṁ
yajanta iha devatāḥ
kṣipraṁ hi mānuṣe loke
siddhir bhavati karmajā

kāṅkṣantaḥ – verlangend; karmaṇām – von fruchtbringenden Aktivitäten; siddhim – Vollkommenheit; yajante – Verehrung durch Opfer; iha – in der materiellen Welt; devatāḥ – die Halbgötter; kṣipram – sehr schnell; hi – gewiß; mānuṣe – in der menschlichen Gesellschaft; loke – in dieser Welt; siddhiḥ bhavati – wird erfolgreich; karmajā – der Mensch, der nach den Früchten seiner Arbeit strebt.

ÜBERSETZUNG

Die Menschen dieser Welt streben in ihren fruchtbringenden Aktivitäten nach Erfolg und verehren deshalb die Halbgötter. Und selbstverständlich erhalten sie auf diese Weise sehr schnell die Ergebnisse ihrer fruchtbringenden Arbeit.

ERKLÄRUNG

Über die Halbgötter bzw. Götter der materiellen Welt besteht ein großes Mißverständnis, und Menschen mit geringer Intelligenz halten, obwohl sie als große Gelehrte gelten, die Halbgötter für verschiedene Formen des Höchsten Herrn. In Wirklichkeit sind die Halbgötter nicht verschiedene Formen Gottes, sondern Gottes verschiedene Bestandteile. Gott ist eins, und die Bestandteile sind viele. Die Veden sagen: nityo nityānām: Gott ist eins. Īśvaraḥ paramaḥ kṛṣṇaḥ. Der Höchste Gott ist eins – Kṛṣṇa – und die Halbgötter sind mit verschiedenen Kräften versehen, um die materielle Welt zu verwalten. All diese Halbgötter sind Lebewesen (nityānām), die unterschiedliche materielle Kräfte besitzen. Sie können dem Höchsten Gott – Nārāyaṇa, Viṣṇu, oder Kṛṣṇa – niemals gleichkommen. Jeder, der glaubt, Gott und die Halbgötter befänden sich auf der gleichen Ebene, ist ein Atheist (ein pāṣaṇḍī). Selbst so mächtige Halbgötter wie Brahmā und Śiva können nicht mit dem Höchsten Herrn verglichen werden. Vielmehr wird der Herr von Halbgöttern wie Brahmā und Śiva verehrt (śiva-viriñci-nutam). Aber seltsamerweise gibt es dennoch verblendete Menschen, die ihre Führer aus anthropomorphischen oder zoomorphischen Mißverständnissen verehren. Iha devatāḥ bezieht sich auf einen mächtigen Menschen oder Halbgott der materiellen Welt. Aber Nārāyaṇa, Viṣṇu, oder Kṛṣṇa, der Höchste Persönliche Gott, gehört nicht zu dieser Welt. Er befindet Sich jenseits der materiellen Schöpfung, das heißt Er ist transzendental dazu. Selbst Śrīpāda Śaṅkarācārya, der Führer der Unpersönlichkeitsanhänger, bestätigt, daß sich Nārāyaṇa bzw. Kṛṣṇa jenseits der materiellen Schöpfung befindet. Dennoch verehren törichte Menschen (hṛt-añjana) die Halbgötter, weil sie sofortige Ergebnisse wünschen. Sie erhalten die Ergebnisse, wissen aber nicht, daß diese Ergebnisse zeitweilig und für weniger intelligente Menschen gedacht sind. Der intelligente Mensch befindet sich im Kṛṣṇa-Bewußtsein, und für ihn ist es nicht notwendig, die armseligen Halbgötter zu verehren, um einen sofortigen und zeitweiligen Nutzen zu gewinnen. Die Halbgötter der materiellen Welt, wie auch ihre Verehrer, werden mit der Vernichtung der materiellen Welt vergehen. Die Segnungen der Halbgötter sind materiell und zeitweilig. Sowohl die materiellen Welten als auch ihre Bewohner – einschließlich der Halbgötter und ihrer Verehrer – sind wie Blasen im kosmischen Ozean. In dieser Welt jedoch strebt die menschliche Gesellschaft wie verrückt nach zeitweiligen Dingen, wie zum Beispiel nach materiellem Reichtum, das heißt nach Landbesitz, Familie und anderen Annehmlichkeiten. Um solche zeitweiligen Dinge zu erreichen, verehren sie Halbgötter oder mächtige Menschen in der Gesellschaft. Wenn ein Mann einen Ministersessel bekommt, da er einen politischen Führer verehrt hat, glaubt er etwas Großes erreicht zu haben. Daher kriechen sie alle vor den sogenannten Führern oder „Großen Tieren“, um einen zeitweiligen Segen zu erhalten, und tatsächlich haben sie Erfolg dabei. Solche verblendeten Menschen sind am Kṛṣṇa-Bewußtsein nicht interessiert, das die Leiden des materiellen Daseins für immer beenden kann. Sie trachten nach Sinnesgenuß, und um eine kleine Gelegenheit zum Sinnesgenuß zu erlangen, zieht es sie zur Verehrung der mächtigen Lebewesen, die als Halbgötter bekannt sind. Dieser Vers weist darauf hin, daß nur sehr wenige Menschen am Kṛṣṇa-Bewußtsein Interesse finden. Sie sind meistens an materiellem Genuß interessiert und verehren daher einige mächtige Lebewesen.

VERS 13

चातुर्वर्ण्यं मया सृष्टं गुणकर्मविभागशः ।
तस्य कर्त्तारमपि मां विद्ध्यकर्त्तारमव्ययम् ॥१३॥

cātur-varṇyaṁ mayā sṛṣṭaṁ
guṇa-karma-vibhāgaśaḥ
tasya kartāram api māṁ
viddhy akartāram avyayam

cātur-varṇyam – die vier Einteilungen der menschlichen Gesellschaft; mayā – von Mir; sṛṣṭam – geschaffen; guṇa – Eigenschaften; karma – Arbeit; vibhāgaśaḥ – nach der Einteilung; tasya – dieses; kartāram – der Vater; api – obwohl; mām – Mich; viddhi – du sollst wissen; akartāram – der Nicht-Handelnde; avyayam – da Ich unwandelbar bin.

ÜBERSETZUNG

In Entsprechung zu den drei Erscheinungsweisen der materiellen Natur und der Arbeit, die ihnen zugeordnet ist, wurden die vier Einteilungen der menschlichen Gesellschaft von Mir geschaffen. Und obwohl Ich der Schöpfer dieses Systems bin, solltest du wissen, daß Ich dennoch nicht daran gebunden bin, denn Ich bin unwandelbar.

ERKLÄRUNG

Der Herr ist der Schöpfer alles Existierenden. Alles ist von Ihm geboren, alles wird von Ihm erhalten, und alles ruht nach der Vernichtung in Ihm. Deshalb ist Er auch der Schöpfer der vier Einteilungen des sozialen Lebens, die mit der intelligenten Gruppe der Menschen beginnen, den brāhmaṇas, die sich in der Erscheinungsweise der Reinheit befinden. Ihnen folgt die verwaltende Gruppe, die kṣatriyas, die sich in der Erscheinungsweise der Leidenschaft befinden. Die gewerbetreibenden Menschen, die vaiśyas, befinden sich in den gemischten Erscheinungsweisen der Leidenschaft und Unwissenheit, und die śūdras, die Arbeiterklasse, befinden sich in der unwissenden Erscheinungsweise der materiellen Natur. Obwohl Śrī Kṛṣṇa die vier Einteilungen der menschlichen Gesellschaft geschaffen hat, gehört Er zu keiner dieser Einteilungen, denn Er ist nicht eine der bedingten Seelen, von denen die menschliche Gesellschaft nur einen kleinen Teil bildet. Die menschliche Gesellschaft gleicht jeder anderen tierischen Gesellschaft; um die Menschen jedoch von der tierischen Stufe zu erheben, sind die oben erwähnten Einteilungen zur systematischen Entwicklung des Kṛṣṇa-Bewußtseins vom Herrn geschaffen worden. Die Neigung eines bestimmten Menschens zu einer bestimmten Arbeit wird von den Erscheinungsweisen der materiellen Natur festgelegt, in denen er sich befindet. Die Symptome, an denen man erkennen kann, in welcher Erscheinungsweise der materiellen Natur ein Lebewesen sich befindet, werden im Achtzehnten Kapitel dieses Buches beschrieben. Ein Mensch im Kṛṣṇa-Bewußtsein jedoch steht sogar über den brāhmaṇas, da es die Eigenschaft eines brāhmaṇa ist. Wissen über das Brahman, die Höchste Absolute Wahrheit zu besitzen. Die meisten brāhmaṇas wenden sich der unpersönlichen Brahman-Manifestation Śrī Kṛṣṇas zu, doch nur ein Mensch, der das begrenzte Wesen eines brāhmaṇas transzendiert und Wissen über den Höchsten Persönlichen Gott, Śrī Kṛṣṇa, den Herrn, erlangt, wird im Kṛṣṇa-Bewußtsein verankert oder, mit anderen Worten, ein Vaiṣṇava. Kṛṣṇa-Bewußtsein beinhaltet das Wissen über alle vollständigen Erweiterungen Kṛṣṇas wie Rāma, Nṛsiṁha, Varāha usw. Ähnlich wie Kṛṣṇa transzendental zum System der vier Einteilungen der menschlichen Gesellschaft ist, so ist ein Mensch im Kṛṣṇa-Bewußtsein transzendental zu allen Einteilungen der menschlichen Gesellschaft, ganz gleich, ob sich diese Einteilungen auf Gemeinschaft, Nation oder Lebensform beziehen.

VERS 14

न मां कर्माणि लिम्पन्ति न मे कर्मफले स्पृहा ।
इति मां योऽभिजानाति कर्मभिर्न स बध्यते ॥१४॥

na māṁ karmāṇi limpanti
na me karma-phale spṛhā
iti māṁ yo’bhijānāti
karmabhir na sa badhyate

na – niemals; mām – Mich; karmāṇi – alle Arten von Arbeit; limpanti – beeinflussen; na – auch nicht; me – Meine; karma-phale – bei fruchtbringender Handlung; spṛhā – das Streben; iti – so; mām – Mich; yaḥ – jemand, der; abhijānāti – kennt; karmabhiḥ – durch die Reaktion solcher Arbeit; na – niemals; saḥ – er; badhyate – wird verstrickt.

ÜBERSETZUNG

Es gibt keine Arbeit, die Ich ausführen muß, noch strebe Ich nach den Früchten des Handelns. Wer diese Wahrheit erkennt, wird ebenfalls nicht in die Reaktionen auf fruchtbringende Arbeit verstrickt.

ERKLÄRUNG

Wie es in der materiellen Welt grundlegende Gesetze gibt, die besagen, daß der König unfehlbar ist oder nicht den Gesetzen des Staates unterliegt, so wird auch der Herr, obwohl Er der Schöpfer der materiellen Welt ist, nicht von den Aktivitäten der materiellen Welt beeinflußt. Er erschafft und bleibt dennoch von Seiner Schöpfung völlig unberührt, wohingegen die Lebewesen in die gewinnbringenden Ergebnisse ihrer materiellen Aktivitäten verstrickt werden, weil sie dazu neigen, über die materiellen Reichtümer zu herrschen. Der Besitzer eines Unternehmens ist für das richtige und falsche Verhalten der Angestellten nicht verantwortlich, sondern die Angestellten sind selbst verantwortlich. Die Lebewesen sind in ihren jeweiligen Aktivitäten zur Sinnesbefriedigung beschäftigt, doch diese Aktivitäten sind ihnen nicht vom Herrn aufgetragen worden. Die Lebewesen handeln in der Welt, um Fortschritt in Sinnesbefriedigung zu machen und wollen nach ihrem Tod himmlisches Glück genießen. Weil der Herr in Sich Selbst vollkommen ist, wird Er von sogenannten himmlischen Freuden nicht angezogen. Die himmlischen Halbgötter sind lediglich Seine Diener. Der Besitzer begehrt niemals das niedrige Glück, nach dem die Arbeiter streben. Der Herr bleibt von den materiellen Aktionen und Reaktionen unberührt. Obwohl es ohne Regen keine Vegetation geben kann, ist der Regen dennoch nicht für die verschiedenen Arten der Vegetation verantwortlich, die auf der Erdoberfläche erscheinen. Die vedische smṛti bestätigt diese Tatsache wie folgt:

nimitta-mātram evāsau sṛjyānāṁ sarga-karmaṇi
pradhāna-kāraṇī-bhūtā yato vai sṛjya-śaktayaḥ.

„In den materiellen Schöpfungen ist allein der Herr die höchste Ursache. Die unmittelbare Ursache ist die materielle Natur, durch die die kosmische Manifestation sichtbar wird.

Es gibt viele verschiedene geschaffene Wesen, wie zum Beispiel Halbgötter, Menschen und niedrige Tiere, und sie alle sind den Reaktionen auf ihre guten oder schlechten Aktivitäten unterworfen. Der Herr gibt ihnen die geeigneten Möglichkeiten für solche Aktivitäten und die Regulierungen der Erscheinungsweisen der Natur, doch Er ist niemals für ihre vergangenen und gegenwärtigen Handlungen verantwortlich. In den Vedānta-sūtras wird bestätigt, daß der Herr niemals ein Lebewesen bevorzugt oder benachteiligt. Das Lebewesen ist für seine Handlungen selbst verantwortlich. Mit Hilfe der materiellen Natur, der äußeren Energie, gibt der Herr ihm lediglich die Möglichkeiten zum Handeln. Jeder, der mit allen Kompliziertheiten dieses Gesetzes des karma (der fruchtbringenden Aktivitäten) vertraut ist, wird von den Ergebnissen seiner Aktivitäten nicht beeinflußt. Mit anderen Worten, wer das transzendentale Wesen des Herrn versteht, ist ein im Kṛṣṇa-Bewußtsein erfahrener Mensch und daher niemals den Gesetzen des karma unterworfen. Wer das transzendentale Wesen des Herrn nicht kennt, und glaubt, die Aktivitäten des Herrn würden um fruchtbringender Ergebnisse willen ausgeführt – wie es bei den Aktivitäten der gewöhnlichen Lebewesen der Fall ist –, verstrickt sich mit Sicherheit in die Reaktionen auf fruchtbringende Handlungen. Wer jedoch die Höchste Wahrheit kennt, ist eine befreite Seele, die fest im Kṛṣṇa-Bewußtsein verankert ist.

VERS 15

एवं ज्ञात्वा कृतं कर्म पूर्वैरपि मुमुक्षुभिः ।
कुरु कर्मैव तस्मात्त्वं पूर्वैः पूर्वतरं कृतम् ॥१५॥

evaṁ jñātvā kṛtaṁ karma
pūrvair api mumukṣubhiḥ
kuru karmaiva tasmāt tvaṁ
pūrvaiḥ pūrvataraṁ kṛtam

evam – so; jñātvā – sehr wohl wissen; kṛtam – ausgeführt; karma – Arbeit; pūrvaiḥ – von vergangenen Autoritäten; api – obwohl; mumukṣubhiḥ – die Befreiung erlangten; kuru – führen ebenso aus; karma – vorgeschriebenen Pflicht; eva – gewiß; tasmāt – deshalb; tvam – du; pūrvaiḥ – von den Vorfahren; pūrvataram – Urahnen; kṛtam – wie ausführten.

ÜBERSETZUNG

Alle befreiten Seelen der Vergangenheit handelten mit diesem Verständnis und erlangten somit Befreiung. Daher solltest du, wie die Alten, deine Pflicht in diesem göttlichen Bewußtsein erfüllen.

ERKLÄRUNG

Es gibt zwei Gruppen von Menschen: die Herzen der einen sind von materiellen Dingen vergiftet, während die Herzen der anderen von materieller Verunreinigung frei sind. Kṛṣṇa-Bewußtsein ist für beide von gleichem Nutzen. Diejenigen, die innerlich völlig verschmutzt sind, können sich im Kṛṣṇa-Bewußtsein beschäftigen, um durch die regulierenden Prinzipien des hingebungsvollen Dienens allmählich gereinigt zu werden. Diejenigen, die von allen Unreinheiten bereits frei sind, sollten weiterhin im Kṛṣṇa-Bewußtsein handeln, so daß andere Menschen ihrem beispielhaften Verhalten folgen und daraus ihren Nutzen ziehen können. Törichte Menschen oder Neulinge im Kṛṣṇa-Bewußtsein wollen sich oft von allen Aktivitäten zurückziehen, ohne das Kṛṣṇa-Bewußtsein zu kennen. Arjunas Verlangen, sich von den Aktivitäten auf dem Schlachtfeld zurückzuziehen, wurde vom Herrn nicht gebilligt. Man muß wissen, wie man zu handeln hat. Sich von den Tätigkeiten des Kṛṣṇa-Bewußtseins zurückzuziehen, abseits zu sitzen und Kṛṣṇa-Bewußtsein vorzutäuschen, wird nicht empfohlen. Vielmehr sollte man sich im Feld der Aktivitäten für Kṛṣṇa beschäftigen. Arjuna wird hier der Rat gegeben, im Kṛṣṇa-Bewußtsein zu handeln und dem Beispiel vorangegangener Schüler des Herrn zu folgen, wie zum Beispiel dem Sonnengott Vivasvān, von dem bereits zuvor die Rede war. Der Herr kennt sowohl Seine vergangenen Aktivitäten als auch die der Menschen, die in der Vergangenheit im Kṛṣṇa-Bewußtsein handelten. Deshalb empfiehlt Er Arjuna, wie der Sonnengott zu handeln, den Er vor einigen Millionen von Jahren diese Kunst lehrte. Es wird hier erwähnt, daß alle Schüler Kṛṣṇas befreite Seelen sind und die Pflichten erfüllten, die ihnen von Kṛṣṇa gegeben wurden.

VERS 16

किं कर्म किमकर्मेति कवयोऽप्यत्र मोहिताः ।
तत्ते कर्म प्रवक्ष्यामि यज्ज्ञात्वा मोक्ष्यसेऽशुभात् ॥१६॥

kiṁ karma kim akarmeti
kavayo’py atra mohitāḥ
tat te karma pravakṣyāmi
yaj jñātvā mokṣyase’śubhāt

kim – was ist; karma – Handlung; kim – was ist; akarma – Untätigkeit; iti – so; kavayaḥ – die Intelligenten; api – auch; atra – in dieser Angelegenheit; mohitāḥ – verwirrt; tat – dieses; te – dir; karma – Arbeit; pravakṣyāmi – Ich werde erklären; yat – was; jñātvā – wissend; mokṣyase – sei befreit; aśubhāt – von Unglück.

ÜBERSETZUNG

Selbst die Intelligenten können nicht genau zwischen Handeln und Nicht-Handeln unterscheiden. Ich werde dir nun erklären, was Handeln ist, und wenn Du dies weißt, wirst du von allen Sünden befreit sein.

ERKLÄRUNG

Wenn man im Kṛṣṇa-Bewußtsein handeln will, muß man den Beispielen vorangegangener echter Gottgeweihter folgen. Dies wird im fünfzehnten Vers empfohlen. Warum man nicht unabhängig handeln soll, wird im nun folgenden Text erklärt.

Wie schon zu Beginn dieses Kapitels erwähnt wurde, muß man, um im Kṛṣṇa-Bewußtsein zu handeln, den Unterweisungen eines autorisierten Gottgeweihten folgen, der sich in einer Nachfolge von geistigen Meistern befindet. Die Wissenschaft des Kṛṣṇa-Bewußtseins wurde zuerst den Sonnengott gelehrt; der Sonnengott erklärte sie seinem Sohn Manu; Manu gab sie an seinen Sohn Ikṣvāku weiter, und seit dieser fernen Zeit ist diese Wissenschaft auch auf unserem Planeten bekannt. Deshalb muß man dem Beispiel vorangegangener Autoritäten in der Nachfolge der geistigen Meister folgen. Andernfalls sind sich selbst die intelligentesten Menschen über die einfachsten Handlungen im Kṛṣṇa-Bewußtsein im unklaren. Aus diesem Grund entschloß Sich der Herr, Arjuna direkt im Kṛṣṇa-Bewußtsein zu unterweisen. Weil der Herr Arjuna direkte Unterweisungen gab, wird jeder, der dem Beispiel Arjunas folgt, mit Sicherheit nicht verwirrt werden.

Es wird gesagt, daß man nicht durch unvollkommenes, experimentelles Wissen bestimmen kann, wie Religion ausgeübt werden soll. In Wirklichkeit können die Prinzipien der Religion nur vom Herrn Selbst festgelegt werden. Dharmaṁ hi sākṣāt-bhagavat-praṇītam. Niemand kann durch unvollkommene Spekulation ein religiöses Prinzip schaffen. Man muß dem Beispiel großer Autoritäten folgen wie Brahmā, Śiva, Nārada, Kumāra, Kapila, Prahlāda, Bhīṣma, Śukadeva Gosvāmī, Yamarāja, Janaka usw. Durch gedankliche Spekulation kann man nicht herausfinden, was Religion oder Selbstverwirklichung ist. Aus Seiner grundlosen Barmherzigkeit gegenüber Seinem Geweihten erklärt der Herr daher Arjuna direkt, was Handeln und was Nicht-Handeln ist. Nur Handlungen im Kṛṣṇa-Bewußtsein können einen Menschen aus der Verstrickung in die materielle Existenz befreien.

VERS 17

कर्मणो ह्यपि बोद्धव्यं बोद्धव्यञ्च विकर्मणः ।
अकर्मणश्च बोद्धव्यं गहना कर्मणो गतिः ॥१७॥

karmaṇo hy api boddhavyaṁ
boddhavyaṁ ca vikarmaṇaḥ
akarmaṇaś ca boddhavyaṁ
gahanā karmaṇo gatiḥ

karmaṇaḥ – Gesetze des Handelns; hi – gewiß; api – auch; boddhavyam – sollten verstanden werden; boddhavyam – sind zu verstehen; ca – auch; vikarmaṇaḥ – verbotenes Handeln; akarmaṇaḥ – Untätigkeit; ca – auch; boddhavyam – es sollte verstanden werden; gahanā – sehr schwierig; karmaṇaḥ – Gesetze des Handelns; gatiḥ – genau verstehen.

ÜBERSETZUNG

Die Kompliziertheit des Handelns ist sehr schwer zu verstehen. Daher sollte man genau wissen, was Handeln, was verbotenes Handeln und was Nicht-Handeln ist.

ERKLÄRUNG

Wenn man ernsthaft darum bemüht ist, von der materiellen Fessel befreit zu werden, muß man den Unterschied zwischen Handeln, Nicht-Handeln und unautorisiertem Handeln verstehen. Man muß Handlung, Reaktion und pervertierte Handlungen eingehend analysieren, denn dies ist ein sehr schwieriges Thema. Um Kṛṣṇa-Bewußtsein und Handlung in Übereinstimmung mit den Erscheinungsweisen der materiellen Natur zu verstehen, muß man seine Beziehung zum Höchsten erkennen; ein Mensch, der vollkommenes Wissen erlangt hat, weiß, daß jedes Lebewesen der ewige Diener des Herrn ist und daß er folglich im Kṛṣṇa-Bewußtsein handeln muß. Die gesamte Bhagavad-gītā zielt auf diese Schlußfolgerung hin. Alle anderen Schlußfolgerungen, die sich gegen dieses Bewußtsein und seine Begleiterscheinungen richten, sind vikarma, das heißt verbotene Handlungen. Um all dies zu verstehen, muß man mit Autoritäten im Kṛṣṇa-Bewußtsein zusammensein und von ihnen das Geheimnis lernen; das ist so gut, als würde man vom Herrn direkt lernen. Andernfalls wird selbst der intelligenteste Mensch verwirrt sein.

VERS 18

कर्मण्यकर्म यः पश्येदकर्मणि च कर्म यः ।
स बुद्धिमान्मनुष्येषु स युक्तः कृत्स्नकर्मकृत् ॥१८॥

karmaṇy akarma yaḥ paśyed
akarmaṇi ca karma yaḥ
sa buddhimān manuṣyeṣu
sa yuktaḥ kṛtsna-karma-kṛt

karmaṇi – in Handlung; akarma – Untätigkeit; yaḥ – einer, der; paśyet – sieht; akarmaṇi – in Untätigkeit; ca – auch; karma – fruchtbringendes Handeln; yaḥ – einer, der; saḥ – er; buddhimān – ist intelligent; manuṣyeṣu – in der menschlichen Gesellschaft; saḥ – er; yuktaḥ – befindet sich in der transzendentalen Position; kṛtsna-karma-kṛt – obwohl er in allen Aktivitäten beschäftigt ist.

ÜBERSETZUNG

Wer Nicht-Handeln in Handeln und Handeln in Nicht-Handeln sieht, ist ein wahrhaft intelligenter Mensch und gründet in der Transzendenz, obgleich er alle Arten von Aktivitäten ausführt.

ERKLÄRUNG

Ein Mensch, der im Kṛṣṇa-Bewußtsein handelt, ist selbstverständlich von den Fesseln des karma frei. Er verrichtet all seine Aktivitäten für Kṛṣṇa; daher genießt oder erleidet er nicht die Auswirkungen seiner Arbeit. Folglich zählt er zu den Intelligenten der menschlichen Gesellschaft, obwohl er mit allen Arten von Aktivitäten beschäftigt ist. Akarma bedeutet, Arbeit, die keine Reaktion mit sich bringt. Der Unpersönlichkeitsanhänger beendet alle fruchtbringenden Aktivitäten, weil er befürchtet, daß Reaktionen entstehen, die Hindernisse auf dem Pfad der Selbstverwirklichung sind. Aber der Anhänger des Persönlichen kennt sehr wohl seine Position als ewiger Diener des Höchsten Persönlichen Gottes. Aus diesem Grund beschäftigt er sich in den Aktivitäten des Kṛṣṇa-Bewußtseins. Weil er alles für Kṛṣṇa tut, genießt er in der Ausführung seines Dienstes ständig transzendentales Glück. Diejenigen, die in dieser Weise beschäftigt sind, haben kein Verlangen nach persönlicher Sinnesbefriedigung. Das Gefühl, der ewige Diener Kṛṣṇas zu sein, schützt den Menschen vor allen Reaktionen auf seine Handlungen.

VERS 19

यस्य सर्वे समारम्भाः कामसङ्कल्पवर्जिताः ।
ज्ञानाग्निदग्धकर्माणं तमाहुः पण्डितं बुधाः ॥१९॥

yasya sarve samārambhāḥ
kāma-saṅkalpa-varjitāḥ
jñānāgni-dagdha-karmāṇaṁ
tam āhuḥ paṇḍitaṁ budhāḥ

yasya – einer, dessen; sarve – alle Arten von; samārambhāḥ – in allen Versuchen; kāma – Verlangen nach Sinnesbefriedigung; saṅkalpa – Entschlossenheit; varjitāḥ – sind ohne; jñāna – vollkommenes Wissen; āgni – Feuer; dagdha – verbrannt durch; karmāṇam – der Ausführende; tam – ihm; āhuḥ – erklären; paṇḍitam – gelehrt; budhāḥ – diejenigen, die wissen.

ÜBERSETZUNG

Wer in allen Handlungen frei von Verlangen nach Sinnesbefriedigung ist gründet in vollkommenem Wissen. Die Weisen nennen ihn einen Handelnden, dessen fruchtbringende Arbeit vom Feuer des vollkommenen Wissens verzehrt ist.

ERKLÄRUNG

Nur ein Mensch in vollständigem Wissen kann die Aktivitäten eines Menschen im Kṛṣṇa-Bewußtsein verstehen. Weil der Mensch im Kṛṣṇa-Bewußtsein frei von allen Verlangen nach Sinnesbefriedigung ist, hat er die Reaktionen auf seine Arbeit durch vollkommenes Wissen verbrannt, denn er hat seine wesenseigene Position als ewiger Diener des Höchsten Persönlichen Gottes erkannt. Wer diese Vollkommenheit des Wissens erlangt hat, ist wirklich gelehrt. Die Entwicklung des Wissens, der ewige Diener Kṛṣṇas zu sein, wird mit einem Feuer verglichen. Ist solch ein Feuer einmal entzündet, kann es alle Arten von Reaktionen verbrennen.

VERS 20

त्यक्त्वा कर्मफलासङ्गं नित्यतृप्तो निराश्रयः ।
कर्मण्यभिप्रवृत्तोऽपि नैव किञ्चित्करोति सः ॥२०॥

tyaktvā karma-phalāsaṅgaṁ
nitya-tṛpto nirāśrayaḥ
karmaṇy abhipravṛtto ’pi
naiva kiñcit karoti saḥ

tyaktvā – nachdem man aufgegeben hat; karma-phala-āsaṅgam – Anhaftung an fruchtbringende Ergebnisse; nitya – immer; tṛptaḥ – zufriedengestellt sein; nirāśrayaḥ – ohne ein Zentrum zu haben; karmaṇi – in Aktivitäten; abhipravṛttaḥ – völlig beschäftigt sein; api – trotz; na – nicht; eva – gewiß; kiñcit – irgend etwas; karoti – tun; saḥ – er.

ÜBERSETZUNG

Er gibt jede Anhaftung an die Ergebnisse seines Handelns auf, ist immer zufriedengestellt und unabhängig und führt daher keine fruchtbringenden Handlungen aus, obwohl er mit den verschiedensten Unternehmungen beschäftigt ist.

ERKLÄRUNG

Diese Freiheit von der Fessel der Handlungen ist nur im Kṛṣṇa-Bewußtsein möglich, da man alles für Kṛṣṇa tut. Ein Kṛṣṇa-bewußter Mensch handelt aus reiner Liebe zum Höchsten Persönlichen Gott und haftet daher nicht an den Ergebnissen seines Handelns. Er sorgt sich nicht einmal um seine Erhaltung, da er völlig auf Kṛṣṇa vertraut. Auch ist er nicht darum bemüht, sich Dinge anzueignen, oder Dinge zu schützen, die bereits in seinem Besitz sind. Er erfüllt seine Pflicht nach bestem Vermögen und überläßt alles andere Kṛṣṇa. Solch ein unangehafteter Mensch ist immer frei von allen guten und schlechten Reaktionen; es ist, als handele er nicht. Das ist das Zeichen von akarma, von Handlungen, die keine Reaktionen mit sich bringen. Jede andere Handlung, die nicht im Kṛṣṇa-Bewußtsein ausgeführt wird, bindet den Handelnden, und wie zuvor erklärt wurde, ist dies die wirkliche Bedeutung von vikarma.

VERS 21

निराशीर्यतचित्तात्मा त्यक्तसर्वपरिग्रहः ।
शारीरं केवलं कर्म कुर्वन्नाप्नोति किल्बिषम् ॥२१॥

nirāśīr yata-cittātmā
tyakta-sarva-parigrahaḥ
śārīraṁ kevalaṁ karma
kurvan nāpnoti kilbiṣam

nirāśīḥ – ohne Verlangen nach den Ergebnissen; yata – kontrolliert; citta-ātmā – Geist und Intelligenz; tyakta – aufgeben; sarva – jeden; parigrahaḥ – Anspruch auf alles Eigentum; śārīram – um Körper und Seele zusammenzuhalten; kevalam – nur; karma – Arbeit; kurvan – so tun; na – niemals; āpnoti – lädt nicht auf sich; kilbiṣam – sündhafte Reaktion.

ÜBERSETZUNG

Solch ein wissender Mensch handelt mit vollkommen kontrolliertem Geist und vollkommen kontrollierter Intelligenz, gibt jeden Anspruch auf Besitz auf und handelt nur für die allernotwendigsten Lebensbedürfnisse. Daher wird er von sündhaften Reaktionen nicht berührt.

ERKLÄRUNG

Ein Kṛṣṇa-bewußter Mensch erwartet bei seinen Aktivitäten keine guten oder schlechten Ergebnisse. Sein Geist und seine Intelligenz sind völlig kontrolliert. Er weiß, daß er ein Bestandteil des Höchsten ist und daß deshalb die Rolle, die er als Teil des Ganzen spielt, nicht in seiner Wahl liegt, sondern vom Höchsten für ihn gewählt wurde und nur mit Seiner Hilfe gespielt werden kann. Wenn sich die Hand bewegt, bewegt sie sich nicht nach ihrem eigenen Willen, sondern nach dem Willen des gesamten Körpers. Ein Kṛṣṇa-bewußter Mensch handelt immer in Harmonie mit den Wünschen des Höchsten, da er kein Verlangen nach eigener Sinnesbefriedigung hat. Er bewegt sich wie ein Teil einer Maschine. Wie ein Maschinenteil geölt und gereinigt werden muß, um funktionsfähig zu bleiben, so erhält sich ein Kṛṣṇa-bewußter Mensch durch seine Arbeit, und bleibt auf diese Weise fähig, Handlungen im transzendentalen liebevollen Dienst des Herrn auszuführen. Er ist daher vor allen Reaktionen auf seine Bemühungen geschützt. Wie ein Tier hat er nicht einmal Anrecht auf seinen eigenen Körper. Ein grausamer Tierhalter tötet das Tier, das er besitzt, aber dennoch protestiert das Tier nicht. Auch besitzt es keine wirkliche Unabhängigkeit. Ein Kṛṣṇa-bewußter Mensch, der völlig in Selbstverwirklichung vertieft ist, hat sehr wenig Zeit, fälschlich irgendein materielles Objekt als sein Eigentum zu beanspruchen. Um Körper und Seele zu erhalten, ist es für ihn nicht notwendig, durch üble Machenschaften Geld anzuhäufen. Daher wird er auch nicht von solchen materiellen Sünden verunreinigt. Er ist von allen Reaktionen auf seine Handlungen frei.

VERS 22

यदृच्छालाभसन्तुष्टो द्वन्द्वातीतो विमत्सरः ।
समः सिद्धावसिद्धौ च कृत्वापि न निबध्यते ॥२२॥

yadṛcchā-lābha-santuṣṭo
dvandvātīto vimatsaraḥ
samaḥ siddhāv asiddhau ca
kṛtvāpi na nibadhyate

yadṛcchā – von sich aus; lābha – Gewinn; santuṣṭaḥ – zufriedengestellt; dvandva – Dualität; atītaḥ – überwunden; vimatsaraḥ – frei von Neid; samaḥ – stetig; siddhau – bei Erfolg; asiddhau – Mißerfolg; ca – auch; kṛtvā – tun; api – obwohl; na – niemals; nibadhyate – wird beeinflußt.

ÜBERSETZUNG

Wer mit dem zufrieden ist, was er ohne eigenes Zutun erhält, wer frei von Dualität und Neid ist und von Erfolg und Mißerfolg nicht berührt wird, ist niemals verstrickt, obwohl er handelt.

ERKLÄRUNG

Ein Kṛṣṇa-bewußter Mensch bemüht sich nicht einmal um die Erhaltung seines Körpers. Er ist mit den Dingen zufrieden, die er gerade vorfindet. Er bettelt und borgt nicht, sondern arbeitet ehrlich, soweit es in seinen Kräften steht und ist mit dem zufrieden, was er durch seine ehrliche Arbeit verdient. Was seinen Lebensunterhalt betrifft, so ist er also unabhängig. Er läßt nicht zu, daß der Dienst eines anderen seinen Dienst im Kṛṣṇa-Bewußtsein hindert. Um dem Herrn zu dienen, kann er jedoch in jeder Weise handeln, ohne dabei von der Dualität der materiellen Welt gestört zu sein. Die Dualität der materiellen Welt wird als Hitze und Kälte, Leid und Glück oder ähnliche Gegensätze erfahren. Ein Kṛṣṇa-bewußter Mensch jedoch steht über der Dualität, da er nicht zögert, auf jede nur erdenkliche Weise für die Zufriedenstellung Kṛṣṇas zu handeln. Deshalb ist er sowohl in Erfolg als auch in Mißerfolg stetig. Diese Zeichen werden sichtbar, wenn man völlig im transzendentalen Wissen verankert ist.

VERS 23

गतसङ्गस्य मुक्तस्य ज्ञानावस्थितचेतसः ।
यज्ञायाचरतः कर्म समग्रं प्रविलीयते ॥२३॥

gata-saṅgasya muktasya
jñānāvasthita-cetasaḥ
yajñāyācarataḥ karma
samagraṁ pravilīyate

gata-saṅgasya – unangehaftet gegenüber den Erscheinungsweisen der materiellen Natur; muktasya – von dem, der befreit ist; jñāna-avasthita – in der Transzendenz verankert; cetasaḥ – von solcher Weisheit; yajñāya – für Yajña (Kṛṣṇa); ācarataḥ – wenn man so handelt; karma – Arbeit; samagram – insgesamt; pravilīyate – verschmilzt vollständig.

ÜBERSETZUNG

Die Arbeit eines Menschen, der von den Erscheinungsweisen der materiellen Natur nicht beeinflußt wird und völlig im transzendentalen Wissen verankert ist, geht vollständig in die Transzendenz ein.

ERKLÄRUNG

Wenn man völlig Kṛṣṇa-bewußt wird, ist man von allen Dualitäten befreit, und daher frei von den Verunreinigungen der materiellen Erscheinungsweisen. Man kann befreit werden, weil man seine wesenseigene Position in Beziehung zu Kṛṣṇa kennt. Daraufhin kann der Geist nicht mehr vom Kṛṣṇa-Bewußtsein abgelenkt werden. Alle Handlungen haben daher das Ziel, Śrī Kṛṣṇa, den ursprünglichen Viṣṇu, zufriedenzustellen; dann sind alle Handlungen Opfer, denn Opfer bedeutet, die Höchste Person, Kṛṣṇa, zufriedenzustellen. Die Reaktionen auf solche Handlungen gehen mit Sicherheit in der Transzendenz auf, und daher erleidet man keine materiellen Auswirkungen.

VERS 24

ब्रह्मार्पणं ब्रह्म हविर्ब्रह्माग्नौ ब्रह्मणा हुतम् ।
ब्रह्मैव तेन गन्तव्यं ब्रह्मकर्मसमाधिना ॥२४॥

brahmārpaṇaṁ brahma havir
brahmāgnau brahmaṇā hutam
brahmaiva tena gantavyaṁ
brahma-karma-samādhinā

brahma – spirituelle Natur; arpaṇam – Beitrag; brahma – der Höchste; haviḥ – Butter; brahma – spirituell; agnau – im Opferfeuer; brahmaṇā – von der spirituellen Seele; hutam – dargebracht; brahma – spirituelles Königreich; eva – gewiß; tena – von ihr; gantavyam – erreicht werden; brahma – spirituell; karma – Aktivitäten; samādhinā – durch vollständige Versenkung.

ÜBERSETZUNG

Ein Mensch, der völlig im Kṛṣṇa-Bewußtsein vertieft ist, erreicht mit Sicherheit das spirituelle Königreich, denn er widmet sich voll und ganz spirituellen Aktivitäten, in denen die Ausführung absolut, und das, was in ihnen geopfert wird, von gleicher spiritueller Natur ist.

ERKLÄRUNG

Hier wird beschrieben, wie Aktivitäten im Kṛṣṇa-Bewußtsein einen Menschen letztlich zum spirituellen Ziel führen können. Es gibt verschiedene Aktivitäten im Kṛṣṇa-Bewußtsein, und sie alle werden in den folgenden Versen beschrieben. In diesem Vers jedoch wird vorerst nur das Prinzip des Kṛṣṇa-Bewußtseins erklärt. Eine bedingte Seele, die in materielle Verunreinigungen verstrickt ist, handelt mit Sicherheit in der materiellen Atmosphäre; doch sie sollte sich aus dieser Umgebung befreien. Der Vorgang, durch den die bedingte Seele aus der materiellen Atmosphäre herausgelangen kann, ist Kṛṣṇa-Bewußtsein. Ein Patient zum Beispiel, der an einer Darmkrankheit leidet, weil er zuviel Milchprodukte zu sich genommen hat, kann durch ein anderes Milchprodukt, nämlich Quark, geheilt werden. Wie in der Gītā erklärt wird, kann die in die Materie versunkene Seele durch Kṛṣṇa-Bewußtsein geheilt werden. Im allgemeinen ist dieser Vorgang als yajña bekannt, als Aktivitäten (Opfer), die einfach zur Zufriedenstellung Viṣṇus bzw. Kṛṣṇas ausgeführt werden. Je mehr die Aktivitäten der materiellen Welt im Kṛṣṇa-Bewußtsein verrichtet werden, das heißt allein für Viṣṇu, desto mehr wird die Atmosphäre spiritualisiert. Brahman bedeutet spirituell. Der Herr ist spirituell, und die Strahlen Seines transzendentalen Körpers werden brahmajyoti (Seine spirituelle Ausstrahlung) genannt. Alles, was existiert, befindet sich in diesem brahmajyoti. Aber wenn das jyoti von Illusion (māyā), das heißt Sinnesbefriedigung, bedeckt ist, wird es Materie genannt. Dieser materielle Schleier kann durch Kṛṣṇa-Bewußtsein augenblicklich entfernt werden. Die Opferung im Kṛṣṇa-Bewußtsein, das verzehrende Mittel einer solchen Opferung oder Spende, der Vorgang des Verzehrs, der Gebende und das Ergebnis sind zusammengenommen Brahman, die Absolute Wahrheit. Die Absolute Wahrheit, die von māyā bedeckt ist, wird Materie genannt. Materie, die in den Dienst der Absoluten Wahrheit gestellt wird, gewinnt ihre spirituelle Natur zurück. Kṛṣṇa-Bewußtsein ist der Vorgang, durch den man das illusionäre Bewußtsein auf das Brahman, den Höchsten richtet. Wenn der Geist völlig im Kṛṣṇa-Bewußtsein verankert ist, befindet er sich in samādhi (Trance). Alles, was in solchem transzendentalen Bewußtsein getan wird, wird yajña (Opfer für den Absoluten) genannt. In diesem Zustand spirituellen Bewußtseins wird der Gebende, die Gabe, der Verzehr, der Vollzieher oder Leiter der Opferung, und das Ergebnis oder der letztliche Gewinn – alles – eins im Absoluten, dem Höchsten Brahman. Das ist die Methode des Kṛṣṇa-Bewußtseins.

VERS 25

दैवमेवापरे यज्ञं योगिनः पर्युपासते ।
ब्रह्माग्नावपरे यज्ञं यज्ञेनैवोपजुह्वति ॥२५॥

daivam evāpare yajñaṁ
yoginaḥ paryupāsate
brahmāgnāv apare yajñaṁ
yajñenaivopajuhvati

daivam – bei der Verehrung der Halbgötter; eva – wie dies; apare – einige; yajñam – Opfer; yoginaḥ – die Mystiker; paryupāsate – verehren in Vollkommenheit; brahma – die Absolute Wahrheit; agnau – im Feuer von; apare – andere; yajñam – Opfer; yajñena – durch Opfer; eva – somit; upajuhvati – verehren.

ÜBERSETZUNG

Einige yogīs verehren die Halbgötter mit vollendet ausgeführten Opfern, und andere opfern im Feuer des Höchsten Brahman.

ERKLÄRUNG

Wie oben beschrieben wird, nennt man einen Menschen, der seine Pflichten im Kṛṣṇa-Bewußtsein erfüllt, einen vollkommenen yogī oder erstklassigen Mystiker. Doch es gibt auch andere, die ähnliche Opfer zur Verehrung von Halbgöttern darbringen, und wieder andere, die dem Höchsten Brahman, dem unpersönlichen Aspekt des Höchsten Herrn, opfern. So gibt es verschiedenartige Opfer, die sich auf verschiedenen Stufen befinden. Diese verschiedenartigen Opfer, die von verschiedenartigen Menschen dargebracht werden, unterscheiden sich nur oberflächlich voneinander. In Wirklichkeit bedeutet Opfer, den Höchsten Herrn, Viṣṇu, der auch als Yajña bekannt ist, zufriedenzustellen. All die verschiedenartigen Opfer können grundsätzlich in zwei Gruppen eingeteilt werden: Opfer von weltlichem Besitz, und Opfer, die ausgeführt werden, um transzendentales Wissen zu erlangen. Kṛṣṇa-bewußte Menschen opfern ihren gesamten materiellen Besitz zur Zufriedenstellung des Höchsten Herrn, wohingegen andere, die nach zeitweiligem, materiellem Glück streben, ihren materiellen Besitz opfern, um Halbgötter wie Indra und den Sonnengott zufriedenzustellen. Die Unpersönlichkeitsanhänger opfern ihre Identität, indem sie mit dem unpersönlichen Brahman verschmelzen. Die Halbgötter sind mächtige Lebewesen, die vom Höchsten Herrn beauftragt sind, für alle materiellen Funktionen wie Beheizung, Bewässerung und Beleuchtung des Universums zu sorgen und darüber zu wachen. Diejenigen, die an einem materiellen Nutzen interessiert sind, verehren die Halbgötter durch verschiedene Opfer, die in Übereinstimmung mit den vedischen Ritualen vollzogen werden. Sie werden bahv-īśvara-vādī genannt: Menschen, die an viele Götter glauben. Andere, die den unpersönlichen Aspekt der Absoluten Wahrheit verehren und die Formen der Halbgötter als zeitweilig betrachten, opfern ihr individuelles Selbst im höchsten Feuer und beenden auf diese Weise ihr individuelles Dasein, indem sie mit der Existenz des Höchsten verschmelzen. Diese Unpersönlichkeitsanhänger verbringen ihre Zeit mit philosophischen Spekulationen, um das transzendentale Wesen des Höchsten zu verstehen. Mit anderen Worten, diejenigen, die fruchtbringenden Aktivitäten nachgehen, opfern ihren materiellen Besitz, um materiellen Genuß zu gewinnen, wohingegen die Unpersönlichkeitsanhänger ihre materiellen Namen und Bezeichnungen opfern, weil sie mit der Existenz des Höchsten verschmelzen wollen. Für die Unpersönlichkeitsanhänger ist das Höchste Brahman der Altar, auf dem sie ihr Feueropfer vollziehen, und als Opfer bringen sie ihr Selbst dar, das vom Feuer des Brahman verzehrt wird. Der Kṛṣṇa-bewußte Mensch wie Arjuna jedoch opfert alles zur Zufriedenstellung Kṛṣṇas, und so wird sowohl sein gesamter materieller Besitz als auch sein Selbst – alles – Kṛṣṇa als Opfer dargebracht. Damit ist er der vollkommenste yogī, jedoch verliert er nicht seine individuelle Existenz.

VERS 26

श्रोत्रादीनीन्द्रियाण्यन्ये संयमाग्निषु जुह्वति ।
शब्दादीन्विषयानन्य इन्द्रियाग्निषु जुह्वति ॥२६॥

śrotrādīnīndriyāṇy anye
saṁyamāgniṣu juhvati
śabdādīn viṣayān anya
indriyāgniṣu juhvati

śrotra-ādīni – der Vorgang des Hörens; indriyāṇi – Sinne; anye – andere; saṁyama – der Zurückhaltung; agniṣu – im Feuer; juhvati – opfert; śabda-ādīn – Klangschwingung usw.; viṣayān – Objekt der Sinnesbefriedigung; anye – andere; indriya – der Sinnesorgane; agniṣu – im Feuer; juhvati – Opfer.

ÜBERSETZUNG

Einige opfern den Vorgang des Hörens und die Sinne im Feuer des kontrollierten Geistes, und andere bringen die Sinnesobjekte, wie zum Beispiel Klang, im Opferfeuer dar.

ERKLÄRUNG

Die vier Stufen des spirituellen Lebens, nämlich brahmacārī, gṛhastha, vānaprastha und sannyāsī, sind dazu bestimmt, den Menschen zu helfen, vollkommene yogīs bzw. Transzendentalisten zu werden. Weil das menschliche Leben nicht dazu bestimmt ist, wie die Tiere Sinnesbefriedigung zu genießen, sind die vier Stufen des menschlichen Lebens so eingerichtet, daß man im spirituellen Leben die Vollkommenheit erreichen kann.

Die brahmacārīs, das heißt, die Schüler unter der Obhut eines echten geistigen Meisters, kontrollieren den Geist, indem sie sich von Sinnesbefriedigung fernhalten. Sie werden in diesem Vers als diejenigen erwähnt, die den Vorgang des Hörens und die Sinne im Feuer des kontrollierten Geistes opfern. Ein brahmacārī hört nur Worte, die mit Kṛṣṇa-Bewußtsein in Verbindung stehen; Hören ist das grundlegende Prinzip des Verstehens, und daher beschäftigt sich der reine brahmacārī völlig im harer nāmānukīrtanam – im Chanten und Hören von den Herrlichkeiten des Herrn. Er hält sich von materiellen Klangschwingungen fern und ist ständig damit beschäftigt, die transzendentale Klangschwingung von Hare Kṛṣṇa, Hare Kṛṣṇa zu hören.

In ähnlicher Weise führen die Haushälter, die eine gewisse Erlaubnis zur Sinnesbefriedigung haben, solche Handlungen mit großer Einschränkung aus. Sexualität, Berauschung und Fleischessen sind allgemeine Tendenzen in der menschlichen Gesellschaft, doch ein regulierter Haushälter gibt sich nicht einem zügellosen Geschlechtsleben und anderer Sinnesbefriedigung hin. Heirat, die auf den Prinzipien des religiösen Lebens beruht, ist deshalb in jeder zivilisierten menschlichen Gesellschaft notwendig, da dies der Weg zu gezügelter Sexualität ist. Diese gezügelte, unangehaftete Sexualität ist auch eine Form von yajña, denn der regulierte Haushälter opfert sein allgemeines Verlangen nach Sinnesbefriedigung für ein höheres, transzendentales Leben.

VERS 27

सर्वाणीन्द्रियकर्माणि प्राणकर्माणि चापरे ।
आत्मसंयमयोगाग्नौ जुह्वति ज्ञानदीपिते ॥२७॥

sarvāṇīndriya-karmāṇi
prāṇa-karmāṇi cāpare
ātma-saṁyama-yogāgnau
juhvati jñāna-dīpite

sarvāṇi – alle; indriya – Sinne; karmāṇi – Funktionen; prāṇa-karmāṇi – Funktionen des Lebensatmens; ca – auch; apare – andere; ātmā-saṁyama – indem sie den Geist kontrollieren; yoga – der Verbindungsvorgang; agnau – im Feuer des; juhvati – opfert; jñāna-dīpite – aufgrund des Dranges nach Selbstverwirklichung.

ÜBERSETZUNG

Diejenigen, die an Selbstverwirklichung durch Kontrolle von Geist und Sinnen interessiert sind, opfern sowohl die Funktionen ihrer Sinne als auch die Lebenskraft (Atem) im Feuer des kontrollierten Geistes.

ERKLÄRUNG

Hier wird das von Patañjali entworfene yoga-System erwähnt. Im Yoga-sūtra des Patañjali wird die Seele pratyag-ātmā und parag-ātmā genannt. Solange die Seele am Sinnesgenuß haftet, wird sie parag-ātmā genannt. Die Seele ist den Wirkungsweisen von zehn Luftarten unterworfen, die im Körper wirken und durch den Atemvorgang erfahren werden. Das yoga-System des Patañjali unterweist uns, wie man die Wirkungsweisen der Luft im Körper in technischer Weise kontrollieren kann, so daß letztlich alle Funktionen der inneren Luft dazu benutzt werden können, die Seele von aller materieller Anhaftung zu reinigen. Nach diesem yoga-System ist pratyag-ātmā das endgültige Ziel. Dieses pratyag-ātmā bedeutet, sich von Aktivitäten in der Materie zurückzuziehen. Die Sinne stehen mit den Sinnesobjekten in einer Wechselbeziehung, das heißt die Ohren hören, die Augen sehen, die Nase riecht, die Zunge schmeckt, die Hand berührt, und so sind alle Sinne mit Aktivitäten außerhalb des Selbst beschäftigt. Sie werden Funktionen der prāṇa-vāyu genannt. Die apāna-vāyu strömt nach unten; die vyāna-vāyu hat die Aufgabe, zusammenzuziehen und zu erweitern; die samāna-vāyu sorgt für Ausgeglichenheit, und die udāna-vāyu strömt nach oben. Wenn man erleuchtet ist, verwendet man all diese Luftarten zur Suche nach Selbstverwirklichung.

VERS 28

द्रव्ययज्ञास्तपोयज्ञा योगयज्ञास्तथापरे ।
स्वाध्यायज्ञानयज्ञाश्च यतयः संशितव्रताः ॥२८॥

dravya-yajñās tapo-yajñā
yoga-yajñās tathāpare
svādhyāya-jñāna-yajñāś ca
yatayaḥ saṁśita-vratāḥ

dravya-yajñāḥ – indem man seinen Besitz opfert; tapo-yajñāḥ – Opfer durch Bußen; yoga-yajñāḥ – Opfer in achtfacher Mystik; tathā – so; apare – andere; svādhyāya – Opfer durch das Studium der Veden; jñāna-yajñāḥ – Opfer durch Fortschritt im transzendentalen Wissen; ca – auch; yatayaḥ – erleuchtet; saṁśita – auf sich nehmen; vratāḥ – Gelübde.

ÜBERSETZUNG

Es gibt andere, die strikte Gelübde auf sich nehmen und den yoga der achtfachen Mystik praktizieren, weil sie durch das Opfer ihres materiellen Besitzes in strengen Bußen erleuchtet worden sind. Wieder andere studieren die Veden, um im transzendentalen Wissen Fortschritte zu machen.

ERKLÄRUNG

Diese Opfer können in verschiedene Gruppen eingeteilt werden. Es gibt Menschen, die ihren Besitz in Form verschiedener Spenden opfern. In Indien eröffnen reiche Kaufleute oder Prinzen verschiedene Wohlfahrtseinrichtungen wie dharmaśālā, anna-kṣetra, atithi-śālā, anathalaya, vidyāpīṭha, usw. Auch in anderen Ländern gibt es viele Krankenhäuser, Altersheime und ähnliche gemeinnützige Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, den Armen mit freiem Essen, kostenloser Erziehung und freier ärztlicher Behandlung zu helfen. All diese wohltätigen Aktivitäten werden dravyamaya-yajña genannt. Es gibt andere, die freiwillig verschiedene Arten von Bußen wie candrāyana und cāturmāsya auf sich nehmen, um auf eine höhere Stufe des Lebens zu gelangen oder zu höheren Planeten im Universum erhoben zu werden. Diese Vorgänge enthalten strenge Gelübde, unter denen man sein Leben nach ganz bestimmten, festgelegten Regeln führt. Wenn sich ein Mensch zum Beispiel das cāturmāsya-Gelübde auferlegt, rasiert er sich vier Monate lang nicht (Juli-Oktober), ißt nur einmal am Tag bestimmte Speisen und verläßt das Haus nicht. Dieses Opfer der Annehmlichkeiten des Lebens wird tapomaya-yajña genannt. Wieder andere beschäftigen sich in verschiedenen Arten mystischen yogas, wie dem Patañjali-System (um mit der Existenz des Absoluten zu verschmelzen) oder haṭha-yoga oder aṣṭāṅga-yoga, um bestimmte Vollkommenheiten zu erlangen; andere reisen zu allen heiligen Pilgerorten. All diese Praktiken werden yoga-yajña genannt – Opfer, um eine bestimmte Art von Vollkommenheit in der materiellen Welt zu erreichen. Und es gibt wieder andere, die sich dem Studium der verschiedenen vedischen Schriften widmen, besonders den Upaniṣaden und den Vedānta-sūtras, oder der sāṅkhya-Philosophie. All dies wird svādhyāya-yajña genannt, Opfer, die durch das Studieren der Veden dargebracht werden. All diese yogīs beschäftigen sich mit Vertrauen in verschiedenen Arten von Opfern und streben nach einer höheren Stufe des Lebens. Kṛṣṇa-Bewußtsein jedoch unterscheidet sich von all diesen Opfern, denn es bedeutet, dem Höchsten direkt zu dienen. Kṛṣṇa-Bewußtsein kann man nicht durch eines der oben erwähnten Opfer erlangen, sondern allein durch die Barmherzigkeit des Herrn und Seines reinen Geweihten. Daher ist Kṛṣṇa-Bewußtsein transzendental.

VERS 29

अपाने जुह्वति प्राणं प्राणेऽपानं तथापरे ।
प्राणापानगती रुद्ध्वा प्राणायामपरायणाः ।
अपरे नियताहाराः प्राणान्प्राणेषु जुह्वति ॥२९॥

apāne juhvati prāṇaṁ
prāṇe’pānaṁ tathāpare
prāṇāpāna-gatī ruddhvā
prāṇāyāma-parāyaṇāḥ
apare niyatāhārāḥ
prāṇān prāṇeṣu juhvati

apāne – Luft, die nach unten strömt; juhvati – opfert; prāṇam – Luft, die nach außen strömt; prāṇe – in der Luft, die nach außen strömt; apānam – Luft, die nach unten strömt; tathā – wie auch; apare – andere; prāṇa – Luft, die nach außen strömt; apāna – Luft, die nach unten strömt; gatī – Bewegung; ruddhvā – anhalten; prāṇāyāma – Trance, die dadurch hervorgerufen wird, daß man den Atem anhält; parāyaṇāḥ – dazu neigen; apare – andere; niyata – kontrolliert; āhārāḥ – essend; prāṇān – Luft, die nach außen strömt; prāṇeṣu – die nach außen strömende Luft; juhvati – opfert.

ÜBERSETZUNG

Und es gibt sogar noch andere, die dazu neigen, den Vorgang der Atembeherrschung zu praktizieren, um in Trance zu bleiben. Sie üben sich darin, den ausströmenden Atem im einströmenden und den einströmenden Atem im ausströmenden anzuhalten, und bleiben so letztlich in Trance, da sie das Atmen einstellen. Einige von ihnen bringen, indem sie das Essen einschränken, den ausströmenden Atem sich selbst als Opfer dar.

ERKLÄRUNG

Dieses yoga-System, durch das man die Atmung kontrollieren kann, wird prāṇāyāma genannt, und es wird zu Beginn des haṭha-yoga-Systems durch verschiedene Sitzstellungen geübt. All diese Vorgänge werden empfohlen, um die Sinne zu kontrollieren und Fortschritt in der spirituellen Verwirklichung zu machen. Diese Technik bedeutet, die Luft im Körper zu beherrschen, um ein gleichzeitiges Strömen in entgegengesetzte Richtungen zu ermöglichen. Die apāna-Luft strömt nach unten, und die prāṇa-Luft strömt nach oben. Der prāṇāyāma-yogī übt solange in entgegengesetzter Richtung zu atmen, bis sich die beiden Luftströme gegenseitig aufheben und pūraka (Ausgeglichenheit) herrscht. Wenn man den ausströmenden Atem in den einströmenden Atem einführt, so wird dies recaka genannt, und wenn diese beiden Luftströme völlig zur Ruhe gekommen sind, so wird dies kumbhaka-yoga genannt. Durch kumbhaka-yoga verlängern die yogīs ihre Lebensdauer um viele Jahre. Ein Kṛṣṇa-bewußter Mensch jedoch kontrolliert seine Sinne automatisch, denn er ist immer im transzendentalen liebevollen Dienst des Herrn verankert. Da seine Sinne immer im Dienste Kṛṣṇas beschäftigt sind, gibt es für sie keine Möglichkeit, auf andere Art beschäftigt zu werden. Am Ende seines Lebens geht er selbstverständlich in das transzendentale Reich Śrī Kṛṣṇas ein, und folglich versucht er nicht, seine Lebensdauer zu verlängern; er wird augenblicklich auf die Ebene der Befreiung gehoben. Ein Kṛṣṇa-bewußter Mensch beginnt auf der transzendentalen Stufe und befindet sich daher ständig in diesem Bewußtsein. Aus diesem Grunde gibt es für ihn keine Möglichkeit, herunterzufallen, und letztlich geht er in das Reich des Herrn ein. Das Verfahren, das Essen einzuschränken, wird automatisch praktiziert, wenn man nur Kṛṣṇa-prasādam zu sich nimmt, das heißt Speise, die zuerst dem Herrn geopfert wurde. Um die Sinne zu kontrollieren, ist es sehr hilfreich, das Essen einzuschränken. Ohne die Sinne zu beherrschen, ist es nicht möglich, sich aus der materiellen Verstrickung zu lösen.

VERS 30

सर्वेऽप्येते यज्ञविदो यज्ञक्षपितकल्मषाः ।
यज्ञशिष्टामृतभुजो यान्ति ब्रह्म सनातनम् ॥३०॥

sarve’py ete yajña-vido
yajña-kṣapita-kalmaṣāḥ
yajña-śiṣṭāmṛta-bhujo
yānti brahma sanātanam

sarve – alle; api – obwohl offensichtlich verschieden; ete – all diese; yajña-vidaḥ – mit dem Ziel der Ausführung vertraut; yajña – Opfer; kṣapīta – vom Ergebnis solcher Ausführungen gereinigt sein; kalmaṣāḥ – sündhafte Reaktionen; yajña-śiṣṭa – als Ergebnis solcher Ausführungen von yajña; amṛta-bhujaḥ – jene, die diesen Nektar gekostet haben; yānti – nähern sich; brahma – der höchsten; sanātanam – ewigen Atmosphäre.

ÜBERSETZUNG

All diese yogīs, die die wirkliche Bedeutung von Opfern kennen, werden von allen sündhaften Reaktionen gereinigt, und nachdem sie den Nektar der Überreste solcher Opfer gekostet haben, gehen sie in die höchste, ewige Atmosphäre ein.

ERKLÄRUNG

Aus der vorangegangenen Erklärung der verschiedenen Opfer (nämlich Opfer des Besitzes, Studium der Veden oder philosophischer Lehren und Ausübung des yoga-Systems) kann man ersehen, daß alle Opfer das gemeinsame Ziel verfolgen, die Sinne zu beherrschen. Sinnesbefriedigung ist die Ursache des materiellen Daseins; solange man sich daher nicht auf einer Ebene befindet, auf der es keine Sinnesbefriedigung gibt, ist es nicht möglich, auf die ewige Ebene allumfassenden Wissens, vollkommener Glückseligkeit und vollkommenen Lebens erhoben zu werden. Diese Ebene liegt in der ewigen Atmosphäre, der Brahman-Atmosphäre. Alle oben erwähnten Opfer helfen einem Menschen, von den sündhaften Reaktionen des materiellen Daseins gereinigt zu werden. Durch diesen Fortschritt wird man nicht nur in diesem Leben glücklich, sondern geht auch letztlich in das ewige Königreich Gottes ein, indem man entweder mit dem unpersönlichen Brahman verschmilzt oder mit dem Höchsten Persönlichen Gott, Kṛṣṇa, zusammenkommt.

VERS 31

नायं लोकोऽस्त्ययज्ञस्य कुतोऽन्यः कुरुसत्तम ॥३१॥

nāyaṁ loko’sty ayajñasya
kuto’nyaḥ kuru-sattama

na – niemals; ayam – dieser; lokaḥ – Planet; asti – es gibt; ayajñasya – der Toren; kutaḥ – wo es gibt; anyaḥ – das andere; kuru-sattama – O Bester der Kurus.

ÜBERSETZUNG

O Bester der Kuru-Dynastie, ohne Opfer kann man auf diesem Planeten bzw. in diesem Leben niemals glücklich werden – vom nächsten ganz zu schweigen.

ERKLÄRUNG

Ganz gleich in welcher Form des materiellen Daseins man sich auch befindet, man weiß in jedem Fall nichts über seine wirkliche Position. Mit anderen Worten, das Dasein in der materiellen Welt hat seine Ursache in den vielfachen Reaktionen auf unser sündhaftes Leben. Unwissenheit ist die Ursache sündigen Lebens, und sündiges Leben ist die Ursache dafür, daß man sich weiterhin im materiellen Dasein dahinschleppt. Die menschliche Form des Lebens ist der einzige Ausweg aus dieser Verstrickung. Die Veden geben uns deshalb eine Möglichkeit zur Flucht, indem sie uns auf die Pfade der Religion, des wirtschaftlichen Wohlstandes und der regulierten Sinnesbefriedigung aufmerksam machen, und letztlich weisen sie uns auf das Mittel hin, mit dem man aus diesem erbärmlichen Zustand entkommen kann. Der Pfad der Religion, das heißt die verschiedenen Opfer, die oben empfohlen wurden, lösen automatisch unsere wirtschaftlichen Probleme. Durch yajña (Opfer) erhalten wir ausreichend Nahrung, genügend Milch usw. – selbst dann, wenn es eine sogenannte Bevölkerungsexplosion gibt. Wenn der Körper mit allem versorgt ist, ist es ganz natürlich, daß man als nächstes seine Sinne befriedigt. Deshalb schreiben die Veden eine geheiligte Heirat vor, um die Sinnesbefriedigung zu regulieren. Auf diese Weise wird man allmählich auf die Ebene gehoben, auf der man von der materiellen Fessel frei ist, und die höchste Vollkommenheit des befreiten Lebens besteht darin, mit dem Höchsten Herrn zusammenzusein. Diese Vollkommenheit wird, wie schon oben erklärt wurde, durch die Darbringung von yajña (Opfern) erreicht. Wenn ein Mensch jedoch nicht gewillt ist, yajñas in Übereinstimmung mit den Unterweisungen der Veden auszuführen, wie kann er dann ein glückliches Leben erwarten? Auf den verschiedenen himmlischen Planeten gibt es verschiedene Grade materieller Annehmlichkeiten, und auf jeden Fall erwartet diejenigen, die verschiedene Arten von yajñas darbringen, unermeßliches Glück. Aber das höchste Glück, das ein Mensch erreichen kann, besteht darin, durch die Technik des Kṛṣṇa-Bewußtseins zu den spirituellen Planeten zu gelangen. Ein Leben im Kṛṣṇa-Bewußtsein ist daher die Lösung aller Probleme des materiellen Daseins.

VERS 32

एवं बहुविधा यज्ञा वितता ब्रह्मणो मुखे ।
कर्मजान्विद्धि तान्सर्वानेवं ज्ञात्वा विमोक्ष्यसे ॥३२॥

evaṁ bahu-vidhā yajñā
vitatā brahmaṇo mukhe
karma-jān viddhi tān sarvān
evaṁ jñātvā vimokṣyase

evam – so; bahu-vidhāḥ – verschiedene Arten von; yajñāḥ – Opfern; vitatāḥ – weit verbreitet; brahmaṇaḥ – der Veden; mukhe – angesichts; karma-jān – aus Arbeit geboren; viddhi – du solltest wissen; tān – sie; sarvān – alle; evam – somit; jñātvā – indem du weißt; vimokṣyase – sei befreit.

ÜBERSETZUNG

All diese verschiedenen Opfer werden in den Veden empfohlen, und sie alle werden aus den unterschiedlichen Handlungsweisen geboren. Wenn du dies weißt, wirst du befreit werden.

ERKLÄRUNG

In den Veden werden verschiedene Arten von Opfern erwähnt, um den verschiedenartigen Menschen gerecht zu werden. Weil die Menschen zu sehr in die körperliche Auffassung des Lebens vertieft sind, sind diese Opfer so eingerichtet, daß man entweder mit dem Körper, dem Geist oder mit der Intelligenz handeln kann. Aber sie alle werden empfohlen, um letztlich Befreiung vom Körper herbeizuführen. Dies wird hier vom Herrn durch Seine eigenen Worte bestätigt.

VERS 33

श्रेयान्द्रव्यमयाद्यज्ञाज्ज्ञानयज्ञः परंतप ।
सर्वं कर्माखिलं पार्थ ज्ञाने परिसमाप्यते ॥३३॥

śreyān dravyamayād yajñāj
jñāna-yajñaḥ parantapa
sarvaṁ karmākhilaṁ pārtha
jñāne parisamāpyate

śreyān – größer; dravyamayāt – als das Opfer materiellen Besitzes; yajñāt – Wissen; jñāna-yajñaḥ – Opfer in Wissen; parantapa – O Bezwinger des Feindes; sarvam – alle; karma – Aktivitäten; akhīlam – voll und ganz; pārtha – O Sohn Pṛthās; jñāne – im Wissen; parisamāpyate – enden.

ÜBERSETZUNG

O Bezwinger der Feinde, das Opfer von Wissen ist größer als das Opfer materiellen Besitzes. O Sohn Pṛthās, letzten Endes findet das Opfer von Arbeit im transzendentalen Wissen seinen Höhepunkt.

ERKLÄRUNG

Das Ziel aller Opfer besteht darin, die Ebene vollständigen Wissens zu erreichen, daraufhin von allen materiellen Leiden frei zu werden, und letztlich, sich im liebevollen transzendentalen Dienst des Herrn (Kṛṣṇa-Bewußtsein) zu beschäftigen. Trotzdem liegt in all diesen verschiedenen Opferhandlungen ein Geheimnis, und man sollte dieses Geheimnis kennen. Entsprechend dem Glauben des Ausführenden gibt es unterschiedliche Formen von Opfern. Wenn der Glaube die Ebene transzendentalen Wissens erreicht, ist der Ausführende der Opfer weiter fortgeschritten als derjenige, der ohne solches Wissen nur materiellen Besitz opfert; denn ohne das Erlangen von Wissen bleiben Opfer auf der materiellen Ebene und bringen keine spirituellen Nutzen. Wirkliches Wissen gipfelt im Kṛṣṇa-Bewußtsein, der höchsten Stufe transzendentalen Wissens. Wenn Wissen keine höhere Ebene erreicht, sind Opfer nichts weiter als materielle Aktivitäten. Wenn sie jedoch auf die Ebene transzendentalen Wissens gehoben werden, gelangen solche Aktivitäten auf die spirituelle Ebene. Opfer werden, je nachdem in welchem Bewußtsein sie ausgeführt werden, manchmal karma-kāṇḍa (fruchtbringende Aktivitäten) und manchmal jñāna-kāṇḍa (das Wissen, das nach der Absoluten Wahrheit sucht) genannt. Es ist besser, wenn alle Opferungen im Wissen enden.

VERS 34

तद्विद्धि प्रणिपातेन परिप्रश्नेन सेवया ।
उपदेक्ष्यन्ति ते ज्ञानं ज्ञानिनस्तत्त्वदर्शिनः ॥३४॥

tad viddhi praṇipātena
paripraśnena sevayā
upadekṣyanti te jñānaṁ
jñāninas tattva-darśinaḥ

tat – dieses Wissen über verschiedene Opferungen; viddhi – versuche zu verstehen; praṇipātena – indem du dich einem geistigen Meister näherst; paripraśnena – durch ergebene Fragen; sevayā – durch Dienen; upadekṣyanti – einweihen; te – Dir; jñānam – Wissen; jñānihaḥ – der Selbstverwirklichte; tattva – Wahrheit; darśinaḥ – die Weisen.

ÜBERSETZUNG

Versuche die Wahrheit zu erfahren, indem du dich an einen geistigen Meister wendest. Stelle ihm in ergebener Haltung Fragen, und diene ihm. Die selbstverwirklichte Seele kann dir Wissen offenbaren, weil sie die Wahrheit gesehen hat.

ERKLÄRUNG

Der Pfad der spirituellen Verwirklichung ist zweifellos schwierig. Der Herr gibt uns daher den Rat, uns einem echten geistigen Meister zu nähern, der sich in der Nachfolge von geistigen Meister befindet, die vom Herrn Selbst ausgeht. Niemand kann ein echter geistiger Meister sein, ohne dieser Nachfolge anzugehören. Der Herr ist der ursprüngliche geistige Meister, und wer sich in Seiner Nachfolge befindet, kann die Botschaft des Herrn – wie sie ist – an seine Schüler weitergeben. Niemand kann selbstverwirklicht sein, wenn er sich einen eigenen Weg fabriziert, wie es heutzutage bei törichten Heuchlern üblich ist. Das Bhāgavatam sagt: dharmaṁ hi sākṣād-bhagavat-praṇītam – der Pfad der Religion ist vom Herrn Selbst festgelegt worden. Deshalb können gedankliche Spekulationen oder trockene Argumente einem Menschen nicht helfen, Fortschritte im spirituellen Leben zu machen. Um Wissen zu empfangen, muß man sich an einen echten geistigen Meister wenden. Solch ein geistiger Meister sollte in völliger Hingabe akzeptiert werden, und man sollte ihm wie ein unterwürfiger Diener und ohne falschen Stolz dienen. Die Zufriedenstellung des selbstverwirklichten geistigen Meisters ist das Geheimnis des Fortschritts im spirituellen Leben. In ergebener Haltung Fragen zu stellen, ist die geeignete Voraussetzung für spirituelles Verstehen. Wenn Ergebenheit und Dienen nicht vorhanden sind, werden Fragen an den gelehrten geistigen Meister keine Wirkung haben. Man muß fähig sein, die Prüfung des geistigen Meisters zu bestehen, und wenn er das aufrichtige Bemühen des Schülers sieht, segnet er ihn automatisch mit echter spiritueller Erkenntnis. In diesem Vers werden sowohl blindes Folgen als auch absurdes Fragen verurteilt. Man sollte vom geistigen Meister nicht nur in ergebener Haltung hören, sondern durch Hingabe, Dienen und Fragen wirkliches Wissen von ihm empfangen. Ein echter geistiger Meister ist von Natur aus sehr gütig zu seinen Schülern. Wenn der Schüler daher ergeben ist und immer bereit ist zu dienen, wird der Austausch von Wissen und Fragen vollkommen.

VERS 35

यज्ज्ञात्वा न पुनर्मोहमेवं यास्यसि पाण्डव ।
येन भूतान्यशेषाणि द्रक्ष्यस्यात्मन्यथो मयि ॥३५॥

yaj jñātvā na punar moham
evaṁ yāsyasi pāṇḍava
yena bhūtāny aśeṣāṇi
drakṣyasy ātmany atho mayi

yat – das; jñātvā – wenn du weißt; na – niemals; punaḥ – wieder; moham – Illusion; evam – wie dieses; yāsyasi – du wirst wissen; pāṇḍava – O Sohn Pāṇdus; yena – durch das; bhūtāni – alle Lebewesen; aśesāṇi – vollständig; drakṣyasi – du wirst sehen; ātmani – in der Höchsten Seele; atho – oder mit anderen Worten; mayi – in Mir.

ÜBERSETZUNG

Und wenn du die Wahrheit erfahren hast, wirst du wissen, daß alle Lebewesen Meine Teile sind – und daß sie in Mir ruhen und Mein eigen sind.

ERKLÄRUNG

Empfängt man Wissen von einer selbstverwirklichten Seele, das heißt von jemandem, der die Dinge kennt, wie sie sind, so erfährt man, daß alle Lebewesen winzige Bestandteile des Höchsten Persönlichen Gottes Śrī Kṛṣṇa, des Herrn, sind. Die Vorstellung, etwas existiere getrennt von Kṛṣṇa, wird māyā genannt (– nicht, – dieses). Einige Menschen glauben, wir hätten mit Kṛṣṇa nichts zu tun, Kṛṣṇa sei nur eine bedeutende historische Persönlichkeit, und das unpersönliche Brahman sei das Absolute. In Wirklichkeit aber ist dieses unpersönliche Brahman, wie in der Bhagavad-gītā bestätigt wird, die Ausstrahlung Kṛṣṇas. Kṛṣṇa, als der Höchste Persönliche Gott, ist der Ursprung allen Seins. In der Brahma-saṁhitā wird unmißverständlich gesagt, daß Kṛṣṇa, der Höchste Persönliche Gott, der Ursprung aller Ursprünge ist. Selbst die Millionen von Inkarnationen sind nur Seine verschiedenen Erweiterungen. In ähnlicher Weise sind auch die Lebewesen Erweiterungen Kṛṣṇas. Die Māyāvādī-Philosophen glauben fälschlich, Kṛṣṇa verliere in Seinen vielen Erweiterungen Sein gesondertes Dasein, doch diese Denkweise ist materiell. In der materiellen Welt können wir beobachten, daß ein Ding seine ursprüngliche Identität verliert, wenn es in mehrere Teile zerlegt wird. Doch die Māyāvādī-Philosophen können nicht verstehen, daß „absolut“ bedeutet: eins plus eins gleich eins, und eins minus eins gleich ebenfalls eins. Dies ist in der absoluten Welt der Fall.

Aus Mangel an ausreichendem Wissen von der absoluten Wissenschaft sind wir im Augenblick von Illusionen bedeckt und glauben daher, wir seien von Kṛṣṇa getrennt. Obwohl wir gesonderte Teile Kṛṣṇas sind, sind wir dennoch niemals verschieden von Ihm. Der körperliche Unterschied zwischen den Lebewesen ist māyā (nicht Wirklichkeit). Wir alle sind dazu bestimmt, Kṛṣṇa zufriedenzustellen. Nur weil Arjuna von māyā verwirrt war, dachte er, seine zeitweilige körperliche Beziehung zu seinen Verwandten sei wichtiger als seine ewige spirituelle Beziehung zu Kṛṣṇa. Alle Lehren der Gītā weisen nur auf dieses eine Ziel hin: ein Lebewesen kann als ewiger Diener Kṛṣṇas niemals von Ihm getrennt sein. Die Vorstellung, eine von Kṛṣṇa getrennte Identität zu besitzen, wird māyā genannt. Die Lebewesen haben als gesonderte Bestandteile des Höchsten eine Aufgabe zu erfüllen. Weil sie diese Aufgabe vergessen haben, befinden sie sich seit unvordenklichen Zeiten als Menschen, Tiere, Halbgötter usw. in verschiedenen Körpern. Diese körperlichen Verschiedenheiten entstehen, weil die Lebewesen den transzendentalen Dienst des Herrn vergessen haben. Wenn man aber durch Kṛṣṇa-Bewußtsein im transzendentalen Dienst beschäftigt wird, wird man augenblicklich von dieser Illusion befreit. Man kann diese reine Wissenschaft nur von einem echten geistigen Meister erlernen und so den Irrtum vermeiden, der besagt, das Lebewesen sei Kṛṣṇa ebenbürtig. Vollkommenes Wissen bedeutet zu verstehen, daß die Höchste Seele, Kṛṣṇa, die einzige Zuflucht aller Lebewesen ist und daß die Lebewesen, die diese Zuflucht aufgeben, von der materiellen Energie getäuscht werden und sich einbilden, eine getrennte Identität zu besitzen. So vergessen sie Kṛṣṇa in den verschiedenen Formen materieller Identität. Wenn diese irregeführten Lebewesen jedoch im Kṛṣṇa-Bewußtsein verankert werden, befinden sie sich, wie im Bhāgavatam bestätigt wird, auf dem Pfad der Befreiung: muktir hitvānyathā rūpaṁ svarūpeṇa vyavasthitiḥ. Befreiung bedeutet, in seiner wesensgemäßen Position als ewiger Diener Kṛṣṇas verankert zu sein (Kṛṣṇa-Bewußtsein).

VERS 36

अपि चेदसि पापेभ्यः सर्वेभ्यः पापकृत्तमः ।
सर्वं ज्ञानप्लवेनैव वृजिनं सन्तरिष्यसि ॥३६॥

api ced asi pāpebhyaḥ
sarvebhyaḥ pāpa-kṛttamaḥ
sarvaṁ jñāna-plavenaiva
vṛjinaṁ santariṣyasi

api – sogar; cet – wenn; asi – du bist; pāpebhyaḥ – der Sünder; sarvebhyaḥ – von allen; pāpa-kṛttamaḥ – der größte Sünder; sarvam – all diese sündhaften Handlungen; jñāna-plavena – durch das Boot transzendentalen Wissens; eva – gewiß; vṛjinam – der Ozean der Leiden; santariṣyasi – du wirst vollständig überqueren.

ÜBERSETZUNG

Selbst wenn du der sündigste aller Sünder bist, wirst du fähig sein, den Ozean der Leiden zu überqueren, wenn du im Boot des transzendentalen Wissens sitzt.

ERKLÄRUNG

Die Erkenntnis der wesenseigenen Position in Beziehung zu Kṛṣṇa ist so großartig, daß sie eine bedingte Seele augenblicklich aus dem Kampf ums Dasein herausheben kann, der im Ozean der Unwissenheit ausgefochten wird. Die materielle Welt wird manchmal mit einem Ozean der Unwissenheit und manchmal mit einem brennenden Wald verglichen. Im Ozean ist der Kampf ums Dasein sehr hart, ganz gleich wie geübt man als Schwimmer auch sein mag. Wenn jemand kommt und den Schwimmer aus dem Ozean zieht, ist er der größte Retter. Vollkommenes Wissen, das vom Höchsten Persönlichen Gott empfangen wird, ist der Pfad zur Befreiung. Das Boot des Kṛṣṇa-Bewußtseins ist sehr einfach, aber zur gleichen Zeit sehr erhaben.

VERS 37

यथैधांसि समिद्धोऽग्निर्भस्मसात्कुरुतेऽर्जुन ।
ज्ञानाग्निः सर्वकर्माणि भस्मसात्कुरुते तथा ॥३७॥

yathaidhāṁsi samiddho’gnir
bhasmasāt kurute’rjuna
jñānāgniḥ sarva-karmāṇi
bhasmasāt kurute tathā

yathā – so wie; edhāṁsi – Brennholz; samiddhaḥ – lodernd; agniḥ – Feuer; bhasmasāt – verwandelt in Asche; kurute – so auch; arjuna – O Arjuna; jñāna-agniḥ – das Feuer des Wissens; sarva-karmāṇi – alle Reaktionen auf materielle Aktivitäten; bhasmasāt – zu Asche; kurute – es verbrennt; tathā – in ähnlicher Weise.

ÜBERSETZUNG

Wie loderndes Feuer Holz in Asche verwandelt, o Arjuna, so verbrennt das Feuer des Wissens alle Reaktionen auf materielle Aktivitäten.

ERKLÄRUNG

Vollkommenes Wissen vom Selbst, vom Überselbst und ihrer Beziehung zueinander wird hier mit Feuer verglichen. Dieses Feuer verbrennt nicht nur alle Reaktionen auf gottlose Aktivitäten, sondern auch alle Reaktionen auf fromme Aktivitäten und verwandelt sie in Asche. Es gibt unterschiedliche Stufen der Reaktion: Reaktion, die gerade entsteht, Reaktion, die gerade Früchte trägt, Reaktion, die bereits eingetroffen ist, und Reaktion a priori. Doch die Erkenntnis der wesensgemäßen Position des Lebewesens verbrennt alles zu Asche. Wenn man in vollständigem Wissen gründet, werden alle Reaktionen verzehrt – sowohl a priori als auch a posteriori. In den Veden wird gesagt: ubhe uhaivaiṣa ete taraty amṛtaḥ sādhv-asādhūnī. „Man überwindet sowohl die frommen als auch die gottlosen Wechselwirkungen seiner Handlungen.“

VERS 38

न हि ज्ञानेन सदृशं पवित्रमिह विद्यते ।
तत्स्वयं योगसंसिद्धः कालेनात्मनि विन्दति ॥३८॥

na hi jñānena sadṛśaṁ
pavitram iha vidyate
tat svayaṁ yoga-saṁsiddhaḥ
kālenātmani vindati

na – niemals; hi – gewiß; jñānena – mit Wissen; sadṛśam – im Vergleich zu; pavitram – geheiligt; iha – in dieser Welt; vidyate – existiert; tat – dieses; svayam – es selbst; yoga – Hingabe; saṁsiddhaḥ – gereift; kālena – im Laufe der Zeit; ātmani – in sich selbst; vindati – genießt.

ÜBERSETZUNG

In dieser Welt gibt es nichts, was so erhaben und rein ist wie transzendentales Wissen. Solches Wissen ist die reife Frucht aller Mystik, und wer es erreicht hat, wird sehr bald das Selbst in sich genießen können.

ERKLÄRUNG

Wenn wir von transzendentalem Wissen sprechen, so meinen wir damit spirituelle Erkenntnis. Es gibt nichts, was so erhaben und rein ist wie transzendentales Wissen. Unwissenheit ist die Ursache unserer Knechtschaft, und Wissen ist die Ursache unserer Befreiung. Dieses Wissen ist die reife Frucht des hingebungsvollen Dienens, und wenn man im transzendentalen Wissen verankert ist, braucht man nicht länger an anderer Stelle nach Frieden zu suchen, denn man genießt Frieden in sich selbst. Mit anderen Worten, dieses Wissen und dieser Friede finden ihre Vollendung im Kṛṣṇa-Bewußtsein. Das ist die Essenz der Bhagavad-gītā.

VERS 39

श्रद्धावाँल्लभते ज्ञानं तत्परः संयतेन्द्रियः ।
ज्ञानं लब्ध्वा परां शान्तिमचिरेणाधिगच्छति ॥३९॥

śraddhāvāṁl labhate jñānaṁ
tat-paraḥ saṁyatendriyaḥ
jñānaṁ labdhvā parāṁ śāntim
acireṇādhigacchati

śraddhāvān – ein gläubiger Mensch; labhate – erreicht; jñānam – Wissen; tat-paraḥ – sehr daran angehaftet; saṁyata – kontrolliert; indriyaḥ – Sinne; jñānam – Wissen; labdhvā – erreicht haben; parām – transzendental; śāntim – Friede; acireṇa – sehr bald; adhigacchati – erlangt.

ÜBERSETZUNG

Ein gläubiger Mensch, der im transzendentalen Wissen verankert ist und seine Sinne beherrscht, erlangt sehr schnell den höchsten spirituellen Frieden.

ERKLÄRUNG

Dieses Wissen im Kṛṣṇa-Bewußtsein kann von einem gläubigen Menschen erworben werden, der fest an Kṛṣṇa glaubt. Ein Mensch wird gläubig genannt, wenn er darauf vertraut, daß er die höchste Vollkommenheit erreichen kann, indem er einfach im Kṛṣṇa-Bewußtsein handelt. Diesen Glauben erreicht man durch hingebungsvolles Dienen und das Chanten von Hare Kṛṣṇa, Hare Kṛṣṇa, Kṛṣṇa Kṛṣṇa, Hare Hare / Hare Rāma, Hare Rāma, Rāma Rāma, Hare Hare, welches das Herz von allem materiellen Schmutz reinigt. Darüber hinaus sollte man die Sinne beherrschen. Ein Mensch, der auf Kṛṣṇa vertraut und die Sinne kontrolliert, kann sehr leicht unverzüglich Vollkommenheit im Wissen des Kṛṣṇa-Bewußtseins erlangen.

VERS 40

अज्ञश्चाश्रद्दधानश्च संशयात्मा विनश्यति ।
नायं लोकोऽस्ति न परो न सुखं संशयात्मनः ॥४०॥

ajñaś cāśraddadhānaś ca
saṁśayātmā vinaśyati
nāyaṁ loko’sti na paro
na sukhaṁ saṁśayātmanaḥ

ajñaḥ – Dummköpfe, die kein Wissen von den grundlegenden Schriften haben; ca – und; aśraddadhānaḥ – ohne Glauben an die Offenbarungsurkunden; ca – auch; saṁśaya – Zweifel; ātmā – Person; vinaśyati – fällt zurück; na – niemals; ayam – diese; lokaḥ – Welt; asti – es gibt; na – weder; paraḥ – im nächsten Leben; na – nicht; sukham – Glück; saṁśaya – zweifelhaft; ātmanaḥ – der Person.

ÜBERSETZUNG

Unwissende und ungläubige Menschen jedoch, die an den offenbarten Schriften zweifeln, werden niemals Gottes-bewußt. Die zweifelnde Seele kann weder in dieser noch in der nächsten Welt glücklich werden.

ERKLÄRUNG

Von vielen grundlegenden und autoritativen offenbarten Schriften ist die Bhagavad-gītā die beste. Menschen, die fast Tieren gleichen, glauben nicht an die grundlegenden offenbarten Schriften oder kennen sie nicht, und obwohl einige Menschen diese Schriften kennen und aus ihnen zitieren können, glauben sie in Wirklichkeit nicht an diese Worte, und obwohl andere vielleicht an Schriften wie die Bhagavad-gītā glauben, so glauben sie doch nicht an den Persönlichen Gott, Śrī Kṛṣṇa, noch verehren sie Ihn. Solche Menschen können im Kṛṣṇa-Bewußtsein keine Beständigkeit entwickeln; sie fallen wieder zurück. Von den oben erwähnten Menschen machen diejenigen, die kein Vertrauen haben und immer zweifeln, nicht den geringsten Fortschritt. Menschen ohne Glauben an Gott und Seine offenbarten Worte können weder in dieser noch in der nächsten Welt glücklich werden – sie können niemals glücklich werden. Man sollte daher den Prinzipien der offenbarten Schriften mit Vertrauen folgen und dadurch auf die Ebene des Wissens erhoben werden. Allein dieses Wissen wird einem helfen, auf die transzendentale Ebene spirituellen Verstehens zu gelangen. Mit anderen Worten, zweifelnde Menschen haben keinen Zugang zur spirituellen Befreiung. Man sollte daher dem Beispiel großer ācāryas folgen, die sich in der Nachfolge der geistigen Meister befinden, denn nur so kann man das Ziel erreichen.

VERS 41

योगसंन्यस्तकर्माणं ज्ञानसंछिन्नसंशयम् ।
आत्मवन्तं न कर्माणि निबध्नन्ति धनञ्जय ॥४१॥

yoga-sannyasta-karmāṇaṁ
jñāna-sañchinna-saṁśayam
ātma-vantaṁ na karmāṇi
nibadhnanti dhanañjaya

yoga – hingebungsvolles Dienen im karma-yoga; sannyasta – entsagungsvoll; karmāṇam – der Ausführenden; jñāna – Wissen; sañchinna – durch fortgeschrittenes Wissen beseitigt; saṁśayam – Zweifel; ātma-vantam – im Selbst verankert; na – niemals; karmāṇi – Arbeit; nibadhnanti – bindet; dhanañjaya – O Gewinner von Reichtum.

ÜBERSETZUNG

Wer auf die Früchte seiner Handlungen verzichtet, wessen Zweifel durch transzendentales Wissen beseitigt sind, und wer fest im Selbst verankert ist, wird durch sein Handeln nicht gebunden, o Gewinner von Reichtum.

ERKLÄRUNG

Wer den Unterweisungen der Gītā folgt, wie sie vom Herrn, dem Persönlichen Gott, Selbst gegeben werden, wird durch die Gnade des transzendentalen Wissens frei von allen Zweifeln. Er ist, als Bestandteil des Herrn, in völligem Kṛṣṇa-Bewußtsein bereits in Selbsterkenntnis verankert. Somit wird er mit Sicherheit durch seine Handlungen nicht länger an die materielle Welt gebunden.

VERS 42

तस्मादज्ञानसंभूतं हृत्स्थं ज्ञानासिनात्मनः ।
छित्त्वैनं संशयं योगमातिष्ठोत्तिष्ठ भारत ॥४२॥

tasmād ajñāna-sambhūtaṁ
hṛt-sthaṁ jñānāsinātmanaḥ
chittvainaṁ saṁśayaṁ yogam
ātiṣṭhottiṣṭha bhārata

tasmāt – deshalb; ajñāna-sambhūtam – Folge von Unwissenheit; hṛt-stham – die sich im Herzen befindet; jñāna – Wissen; asinā – durch die Waffe; ātmanaḥ – des Selbst; chittvā – zerstören; enam – dies; saṁśayam – Zweifel; yogam – in yoga; ātiṣṭha – sei verankert; uttiṣṭha – erhebe dich, um zu kämpfen; bhārata – O Nachkomme Bharatas.

ÜBERSETZUNG

Daher sollten die Zweifel, die aus Unwissenheit in deinem Herzen entstanden sind, mit der Waffe des Wissens vernichtet werden. Bewaffne dich mit yoga, o Bhārata, und stehe auf und kämpfe.

ERKLÄRUNG

Das yoga-System, das in diesem Kapitel erklärt wird, heißt sanātana-yoga (die ewigen Aktivitäten des Lebewesens). Dieser yoga wird in zwei Arten von Opferhandlungen eingeteilt: einmal wird materieller Besitz geopfert und das andere mal das Wissen vom Selbst – was eine rein spirituelle Aktivität ist. Wenn das Opfer materiellen Besitzes nicht mit spiritueller Verwirklichung verbunden ist, wird ein solches Opfer materiell. Doch wer solche Opfer mit einem spirituellen Ziel bzw. im hingebungsvollen Dienen ausführt, bringt ein vollkommenes Opfer dar. Spirituelle Aktivitäten sind ebenfalls zweifach unterteilt: das Verstehen des Selbst (oder der wesenseigenen Position) und die Wahrheit über den Höchsten Persönlichen Gott. Wer dem Pfad der Gītā, wie sie ist, folgt, kann diese beiden wichtigen Unterteilungen des spirituellen Wissens sehr leicht verstehen. Für ihn ist es nicht schwierig, vollkommen zu verstehen, daß das Selbst ein winziger Bestandteil des Herrn ist. Und dieses Verständnis nützt ihm, da er so ohne Schwierigkeiten die transzendentalen Aktivitäten des Herrn verstehen kann. Am Anfang dieses Kapitels wurden die transzendentalen Aktivitäten des Herrn vom Höchsten Herrn Selbst beschrieben. Wer die Unterweisungen der Gītā nicht versteht, ist ungläubig und mißbraucht die winzige Unabhängigkeit, die ihm vom Herrn gewährt wird. Wer nach all diesen Unterweisungen immer noch nicht versteht, daß Śrī Kṛṣṇa der ewige, glückselige, allwissende Persönliche Gott ist, ist ohne Zweifel Dummkopf Nr. 1. Unwissenheit kann beseitigt werden, indem man nach und nach die Prinzipien des Kṛṣṇa-Bewußtseins akzeptiert. Kṛṣṇa-Bewußtsein wird durch verschiedene Arten von Opfern wiedererweckt: durch Opfer zu den Halbgöttern, zum Brahman, im Zölibat, indem man ein Leben als Haushälter führt, indem man die Sinne kontrolliert, indem man mystischen yoga praktiziert, indem man sich Bußen auferlegt, indem man auf materiellen Besitz verzichtet, indem man die Veden studiert, und indem man an der sozialen Einrichtung des varṇāśrama-dharma teilnimmt. All diese Opfer gründen auf einer regulierten Handlungsweise, doch bei all diesen Aktivitäten steht Selbstverwirklichung im Vordergrund. Wer dieses Ziel sucht, ist ein wirklicher Schüler der Bhagavad-gītā, doch wer an der Autorität Śrī Kṛṣṇas zweifelt, fällt zurück. Es wird daher geraten, die Bhagavad-gītā oder jede andere Schrift unter der Führung eines geistigen Meisters in einer dienenden Haltung und mit Hingabe zu studieren. Ein echter geistiger Meister befindet sich seit ewigen Zeiten in der Nachfolge der geistigen Meister und weicht niemals von den Unterweisungen des Höchsten Herrn ab, wie sie vor Millionen von Jahren dem Sonnengott gegeben wurden, der die Lehren der Bhagavad-gītā in das irdische Königreich überlieferte. Man sollte daher dem Pfad der Bhagavad-gītā folgen, so wie er in der Gītā selbst beschrieben wird, und sich vor selbstsüchtigen Menschen hüten, die nur nach persönlichem Prestige streben und andere vom rechten Pfad abbringen. Der Herr ist zweifellos die Höchste Person, und Seine Aktivitäten sind transzendental. Wer dies versteht, ist schon zu Beginn seines Studiums der Gītā eine befreite Seele.

So enden die Erklärungen Bhaktivedantas zum Vierten Kapitel der
Śrīmad-Bhagavad-gītā, genannt ,,Transzendentales Wissen“.

Lotus

Bhagavad-gītā (1. Auflage 1974):  [PDF] (60 MB, Bilder, Sanskrit, Lesezeichen)
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